Ansbacher Corona-Senat muss über rund 100 Verfahren entscheiden

24.2.2021, 15:14 Uhr

Noch nie gab es in Deutschland so massive Grundrechtseinschränkungen wie in dieser Zeit zur Bekämpfung der Corona-Pandemie - doch vom obersten Gericht Deutschlands, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, ist nur wenig zu hören.


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Und dafür gibt es eine Erklärung: Es ist die Stunde der Exekutive. Die Einschränkungen erfolgen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes, durch Rechtsverordnung der Bundesländer. Die zentralen Entscheidungen werden von den Regierungen per Verordnung getroffen, nicht von Parlamenten - siehe etwa die Impfreihenfolge und die Frage, wer in welcher Priorisierungsgruppe wann geimpft wird. Und deshalb müssen Klagen auch an die Verwaltungsgerichte adressiert werden.

Ständig neue Verordnungen

Erst vor wenigen Tagen, so teilt Jörg Singer, Sprecher am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), mit, sei die Beschwerde eines Antragstellers zurückgewiesen worden. Der Mann wollte per Eilantrag eine sofortige Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2 Virus erreichen. Er hat einen guten Grund: Aufgrund seines Alters und einer Krebserkrankung gehört er zu der Gruppe von Menschen, deren Impfung eine hohe, nicht aber die höchste Priorität eingeräumt wird. Ihm steht eine Chemotherapie bevor, die Impfung hätte er gerne vorab erhalten. Seinen Eilantrag wies das örtlich zuständige Verwaltungsgericht zurück, so richtete er seine Beschwerde an den BayVGH.

Dieser Fall zeigt: Es sind die Verwaltungsgerichte, die im Ringen um die Corona-bedingten Verfahren die Hauptrolle spielen - sie müssen prüfen, ob die Corona-Maßnahmen, vom Demonstrationsrecht bis zum Silvesterfeuerwerk und dem Maskentragen in der Öffentlichkeit, auch verhältnismäßig sind. Auch Streitigkeiten um Corona-Soforthilfeverfahren werden von den Verwaltungsgerichten bearbeitet.


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Und weil sich die Verordnungen, dem Infektionsgeschehen folgend, ständig verändern, hat es das Gericht auch mit unterschiedlichen Fragestellungen und Corona-Verfahren zu tun. Als die Pandemie begann und der erste Lockdown verhängt wurde, folgte im April/Mai 2020 eine erste Klagewelle, die Kurve flachte ab und stieg im Herbst, mit Beginn des Teil-Lockdown, wieder an. Hatte die Regierung in ihren Verordnungen die Corona-Maßnahmen regional begrenzt, gingen die Klagen an den örtlich zuständigen Verwaltungsgerichten ein, in Bayern verteilen sich die Verwaltungsgerichte über Ansbach, Augsburg, Bayreuth, München, Regensburg, Würzburg.

1000 Klagen im Jahr 2020

Im Jahr 2020 gingen an diesem Gerichten mehr als 1000 Klagen ein, 500 Verfahren waren es zudem am BayVGH. Aktuell, so sagt Jörg Singer, liegen zehn Eilanträge beim BayVGH, und der für den Infektionsschutz zuständige 20. Senat hat über rund 100 Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Ob eine weitere Klagewelle folgt, bleibt laut Verwaltungsgericht pure Spekulation.

Die Wirtschaftswoche und die Deutsche Presseagentur, dpa, prophezeiten gerade die "größte Klagewelle, die Deutschland je gesehen hat" und stützen sich dabei auf Auskünfte der Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei Nieding und Barth. Im Zusammenhang mit dem derzeit verhängten Lockdown wird in Hessen eine Sammelklage mehrerer Hundert Einzelhändler auf Schadenersatz vorbereitet, bei den Gerichten sind diese Klagen noch nicht eingereicht. Auch der Einkaufsverbund Unitex steht hinter diesen Klagen, ein Prozessfinanzierer unterstützt etwaige weitere juristischen Schritte angeblich mit einer Million Euro.


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Erreichen diese Klagen die Gerichte, befinden die Verwaltungsgerichte darüber, ob die Schließungen rechtmäßig sind oder nicht. Sollte es in einem weiteren Schritt darum gehen, vom Staat nach den behördlich angeordneten Betriebsschließungen Schadenersatz zu fordern, werden die Zivilgerichte gefragt sein.

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