Datenschutz-Skandal: Empörung im Bamberger Stadtrat

12.1.2021, 20:38 Uhr

Von einem ruhigen Jahresbeginn kann bei Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) keine Rede sein. Seit Wochen sieht er sich mit den Vorwürfen des Kommunalen Prüfungsverbands konfrontiert, die Stadt Bamberg habe knapp eine Millionen Euro rechtswidrig an Beamte und Angestellte ausbezahlt. Seit vergangenem Donnerstag ist klar, dass sich Starke nun auch mit seinem Handeln im Bamberger Kommunalwahlkampf 2020 beschäftigen muss: Es geht um die mutmaßliche Verletzung von Dienstgeheimnissen.


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Im Wahlkampf für die Oberbürgermeisterwahl am 15. März 2020 schrieb Starke mehrere Tausend Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund in ihrer Muttersprache an und rief sie dazu auf, die SPD zu wählen. Weil es rechtswidrig ist, die Staatsangehörigkeit anzufordern, nahm die Staatsanwaltschaft Coburg Ermittlungen auf. Das Ergebnis: Die Behörde gehört davon aus, dass Starke selbst die Herausgabe der Daten anforderte.

Starke wehrt sich

Aus diesem Grund erließ das Amtsgericht Bamberg gegen den Rathauschef einen Strafbefehl in Höhe von 60 Tagessätzen. So würde Starke einen Eintrag ins Bundeszentralregister vermeiden, weil dieser erst ab 90 Tagessätzen ansteht.

Dass die Datenherausgabe an sich unrechtmäßig war, gibt der OB zu: "Als Dienstherr der Stadtverwaltung bedauere ich diesen Fehler sehr und entschuldige mich dafür. Die Stadtverwaltung hat umgehend Sorge getragen, dass für die Zukunft ein solcher Fehler vermieden wird."

Dennoch erhebt Starke Einspruch: "Den damit verbundenen Vorwurf, bewusst gegen das Meldegesetz verstoßen zu haben, weise ich zurück", so der Sozialdemokrat vergangene Woche auf seiner Facebookseite.

Zunächst drei Verdächtige

Als die Staatsanwaltschaft Coburg im Mai eine Hausdurchsuchung unternahm und Informationsmaterial an sich zog, war noch nicht klar, wer die Daten konkret anforderte. Der zuständige Wahlleiter und die damalige Sachgebietsleitung standen neben Starke im Fokus. Während die Sachgebietsleitung ohne Anklage davon kam, wurde das Verfahren gegen den Wahlleiter vorläufig gegen eine Zahlung von 1600 Euro eingestellt.

Eine Gerichtssprecherin geht davon aus, dass es in den kommenden Monaten zu einem Termin Starkes vor dem Strafrichter in Bamberg kommen könnte. Dabei würde sich die Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung mit den Vorwürfen aus dem Strafbefehl beschäftigten und im weiteren Verlauf ein Urteil fällen.

Kritik aus dem Stadtrat

Im Bamberger Stadtrat ruft der Strafbefehl gegen den Oberbürgermeister Empörung hervor. "Wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft Starke vorwirft, ist das ein absolutes Unding", sagt Ulrike Sänger, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Ihre Partei stellt die größte Fraktion im Stadtrat und ging im vergangenen Jahr mit SPD, ÖPD und Volt eine Rathauskooperation ein.

"Einspruch zu erheben, ist allerdings sein gutes Recht", meint die Grünen-Politikerin weiter. Dass die SPD möglicherweise bereits im Kommunalwahlkampf 2014 Daten einkaufte, ist ihr nicht bekannt. Ferner betont Sänger, dass ihre Fraktion bereits 2019 einen Antrag stellte, damit im Rathaus Datenschutz eine größere Rolle spielt.

Vertrauen zerstört

Ähnlich enttäuscht zeigt sich Peter Neller, der Fraktionsvorsitzende der CSU. Zusammen mit der Bamberger Allianz (BA) bildet die CSU die größte Oppositionsfraktion. "Stand heute gilt natürlich die Unschuldsvermutung", so Neller. "Wenn das Gericht mit seiner Anklage Recht behält, wurde das Recht eines jeden Menschen auf Datenschutz verletzt. Das würde das Vertrauen in die Stadtverwaltung nachhaltig zerstören."

Auch er weiß nichts davon, dass die SPD solche Praktiken möglicherweise bereits 2014 anwandte. "Wenn das so wäre, würde ich mich über das mangelnde Unrechtsbewusstsein der SPD sehr wundern", meint der CSU-Politiker.

Claudia John von den Freien Wählern kann sich noch keine Meinung bilden: "Da wir Stadträte von der Stadtverwaltung kaum Informationen erhalten, kann ich die Lage nicht einschätzen", so die Stadträtin. "Uns liegen weder der Prüfbericht noch Unterlagen aus dem Personalsenat vor." Von Transparenz und dem Willen zur konsequenten Aufarbeitung seitens der Stadtverwaltung kann aus der Sicht von John keine Rede sein.

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