Darum hat die Lederhose nichts mit Tradition zu tun

17.5.2018, 11:54 Uhr
Schon die ganz Kleinen ziehen sie an: Tracht liegt auch in Franken im Trend.

© Angelika Warmuth/dpa Schon die ganz Kleinen ziehen sie an: Tracht liegt auch in Franken im Trend.

NN: Erlanger Bergkirchweih, Nürnberger Volksfest, Annafest in Forchheim - sie alle können sich vor Lederhosen kaum noch retten. Warum liegt Tracht im Trend?

Katrin Weber: Der Trend geht im Moment weg vom großen Globalen wieder hin zur Heimat und zu Tradition - oder das, was man als Tradition empfindet. Und da gehört die Tracht dazu. Da führt kein Weg dran vorbei. 

NN: Man kann sich heute für ein paar Euro eine Lederhose im Discounter kaufen. Schön, weil man so günstig Tradition zeigen kann oder eher traurig, weil die Tracht verramscht wird?

Weber: Es ist traurig, weil man durch die Discounter-Käufe Tierleid unterstützt. Diese Hosen werden oft als "Wildbock" verkauft. Das klingt nach Alpengams und Steinbock, wunderbar. Meint aber nichts anderes als Hausziege. Damit unterstützt man letzten Endes Tierfarmen in Ländern, die es mit dem Tierschutz nicht so genau nehmen. Ganz klar: Diese Massen-Nachfrage kann man mit Alpensteinböcken, die unter Naturschutz stehen, nicht befriedigen. Dann wird halt was anderes herangezogen und ein schönes Label draufgepappt. Aber es ist eine andere Frage, ob Lederhosen überhaupt Tradition sind.

NN: Wie bitte? Lederhosen sind keine traditionelle Kleidung?

Weber: Im 19. Jahrhundert stand die Lederhose kurz vor dem Aussterben. Josef Vogl, einem Lehrer aus dem bayerischen Miesbach, ist das um 1883 aufgefallen und er wollte sie retten. Deshalb gründete er den ersten Trachtenverein - der am Anfang aber gar nicht gut ankam. Die Kirche fand diese kurzen Hosen sogar sittenwidrig. Die Mitglieder des Trachtenvereins durften mit ihnen nicht in die Kirche. Vogl schrieb aus der Not heraus an König Ludwig II. Der reagierte verständnisvoll - weil er nicht wusste, dass die Lederhose eben keine alte Tradition ist.

Ich bin mir sicher, dass es Lederkleidung in ähnlicher Form wohl schon in der Steinzeit gab, bis ins 18. Jahrhundert kamen Hosen aus Schweine- oder Ziegenleder aber überwiegend nur als Arbeitskleidung für die einfachen Leute zum Einsatz. Kleidungsstücke aus feinerem Leder, wie Hirsch, waren die Freizeitkleidung des Adels, der das exklusive Jagdrecht auf solches Wild besaß. Erst nach dem ersten Weltkrieg, als der Tourismus in den Alpen begann, wurde das lederne Beinkleid wie wir es jetzt kennen salonfähig.

NN: Die Lederhose war quasi eine Marketingidee des Königs?

Weber: Genau. Es sollte ein Nationalgefühl hergestellt werden. Schön König Max II. sagte, dass man die Leute bei Dingen packen muss, die ihnen wichtig sind und man etwas schafft, mit dem sich jeder Bayer identifizieren kann. Und da gehört die Kleidung dazu. Die Wittelsbacher haben durchaus Populismus betrieben mit der Tracht, auch Max´ Sohn, der "Märchenkönig" Ludwig II. und Prinzregent Luitpold. Sie haben sich immer in dieser typischen Jagdkleidung abbilden lassen. Das war schon Propaganda.

NN: Unter den Lederhosenträgern sind auffällig viele junge Männer. Ist das wirklich Traditionsbewusstsein oder einfach nur Gruppenzwang?

Weber: Das ist gemischt. Sicherlich ist es zum einen Gruppenzwang. Natürlich, wenn alle Freunde in der Lederhose zur Kerwa gehen, möchte man sich da nicht ausschließen. Wenn man da dann anders gekleidet hingeht, fällt man wieder auf und das ist gerade jüngeren Menschen unangenehm. Zum anderen ist es Tradition: Man sagt, das ist etwas Altehrwürdiges, so war schon mein Opa angezogen. Wobei man hinter diese Tradition – wie wir gerade gesehen haben - auch wieder gucken muss. Und zum Dritten ist es das Suchen nach Identität: Wir haben jetzt lange Jahre hinter uns, wo alles gut war außer "Daheim". Man ist ins Ausland und hat versucht, möglichst viel mitzunehmen, andere Kulturen kennenzulernen. Das ist alles gut und schön. Aber es hat eine gewisse Sättigung eingesetzt. Man merkt, anderswo ist es auch nicht so rosig. Und zu Hause ist es vielleicht doch ganz schön.

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