Ärzte in der Corona-Krise: An der Grenze der Belastbarkeit

21.3.2020, 10:00 Uhr
Ärzte in der Corona-Krise: An der Grenze der Belastbarkeit

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Nun hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) reagiert: Seit Donnerstag können Zahnärzte ihre Praxen vorübergehend schließen, wenn sie aufgrund fehlender persönlicher Schutzausrüstung oder Desinfektionsmittel sowie Ausfällen beim Personal nicht mehr behandlungsfähig sind. Sie sind damit nicht mehr (wie bisher) gezwungen, eine Praxisvertretung zu suchen und zu benennen.



Die KZVB werde kurzfristig einen Notdienst auch während der Woche einrichten. Das sagte der Leiter der Pressestelle Leo Hofmeier nach Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium auf Nachfrage. Den Mitgliedern werde zugleich empfohlen, nur noch "unaufschiebbare Behandlungen" etwa bei Schmerzpatienten durchzuführen. Bei immer mehr Zahnärzten gebe es bereits jetzt oder in absehbarer Zukunft Engpässe bei Mundschutz, Handschuhen und Desinfektionsmitteln, die Verunsicherung sei daher immer größer geworden, berichtete der Sprecher: "Unsere Regelung wird da für Erleichterung sorgen."

Daran allerdings hat Zahnärztin Nina Kuschke doch einige Zweifel. Zwar findet es die Chefin einer fast 15-köpfigen Praxis in Baiersdorf (darunter drei angestellte Zahnarztkollegen) "grundsätzlich schön", dass sich nun überhaupt einmal jemand zu dem Thema "Freiberufler" öffentlich äußere. Da das bisher niemand gemacht habe, wandten sich Kuschke und einige Kolleginnen mit einem Schreiben selbst an ihre Standesvertretung sowie an Politiker aus allen Ebenen. Darin wiesen sie unter anderem auf Hygiene- und Ansteckungsprobleme sowie mögliche finanzielle Einbußen hin.

Auch der Erlanger Zahnarzt Manuel Zwerger kennt diese Probleme: "Wir arbeiten mit spitzen Gegenständen", betonte er gegenüber den EN. Im Gegensatz zu anderen Disziplinen könnten Zahnärzte auch keine Telefonsprechstunden abhalten. "Wir müssen an die Patienten ganz nah ran, da gibt es keinen Sicherheitsabstand", sagte er.

Auf all dies geht die KZVB in ihrem Erlass nun ein. Doch für Kuschke, die ihre Praxis noch gerade rechtzeitig vor Lieferengpässen mit Schutzmaterialien eingedeckt hat, reicht das nicht aus. Zum einen könne sie ihren Patienten doch nicht einfach die Tür vor der Nase zusperren, auch wenn sie die Infektionsgefahr etwa durch mitgebrachte Kinder ("wo sollen die Eltern auch mit ihnen hin?") durchaus sieht. Zum anderen führe der Rückgang der Patienten, der sich nun schon bemerkbar mache, oder gar eine Komplettschließung zu dramatischen finanziellen Einbußen. "Es geht hier nicht um den großen Reibach", betonte die Zahnärztin im EN-Gespräch, "aber wie sollen wir das schaffen?"


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Die KZVB kennt diese Sorgen: "Wir zahlen alle Honorare am 25. März aus, das schafft Liquidität", sagte Hofmeier. Zudem stelle die Apotheker- und Ärztebank Praxen in Not unbürokratisch Darlehen zur Verfügung. Auch könnten Zahnarztpraxen, die nicht mehr ausgelastet sind, von der Kurzarbeiterregelung Gebrauch machen. Zugleich spürten Zahnärzte nach der Krise sicher wieder einen "starken Nachholbedarf" bei den Patienten: "Wer Implantate, eine Brücke oder eine Krone braucht, wird das auch später noch brauchen". Bei einer Eisdiele, die jetzt kein Eis verkauft, sei das hingegen nicht möglich. Die KZVB werde sich beim Finanziellen um weitere Lösungen bemühen, versprach Sprecher Hofmeier und stellte aber zugleich klar: "Wenn Sie sich in der Praxis anstecken, zuhause eine Oma haben und diese danach infizieren, dann geht es um Leben und Tod, und das hat Priorität".

Um solche Risiko-Fragen und -abschätzungen dreht es sich derzeit fast in allen medizinischen, pflegerischen oder therapeutischen Berufen. Der Berufsverband der Hautärzte etwa teilte seinen Mitgliedern kürzlich mit, dass es "(. . .) nun von der Staatsregierung zu entscheiden sei(n), wo wir als medizinische Fachkräfte eingesetzt werden: weiter in der Regelversorgung oder bei der Bekämpfung der Seuche." Noch gibt es für Dermatologen keine offizielle Schließungsgenehmigung wie für Zahnärzte, doch auch hier stoßen Praxen zunehmend an die Grenze ihrer Belastbarkeit.

So fragt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) derzeit bei allen Vertragsärzten und -psychotherapeuten ab, ob und wie (lange) die Versorgungssicherheit an Schutzmaterialien gewährleistet ist. In dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, heißt es: "Ihre eigene Gesundheit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sowie die Ihres Praxispersonals ist für uns von vorrangiger Bedeutung. Wir haben das Problem der fehlenden oder zur Neige gehenden Schutzausrüstungen auf allen politischen Ebenen platziert und erwarten zeitnah eine Information zur Bereitstellung des erforderlichen Materials". Ähnlich wie bereits in Krankenhäusern sollten, so die Empfehlung der KVB, auch niedergelassene Mediziner nicht dringend erforderliche Untersuchungen und Behandlungen verschieben.


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