Umfragetief

CSU-Politiker im Wahlkreis Erlangen: "Wir müssen jetzt um jede Stimme kämpfen"

11.9.2021, 10:00 Uhr
Wohin geht es mit der CSU? Kurz vor der Bundestagswahl 2021 erhalten die Christsozialen in Umfragen weniger als 30 Prozent. 

© Roland Fengler, NNZ Wohin geht es mit der CSU? Kurz vor der Bundestagswahl 2021 erhalten die Christsozialen in Umfragen weniger als 30 Prozent. 

Hermann Gumbmann ist ein CSU-Urgestein: Fast vier Jahrzehnte lang war der heute 85-Jährige Stadtrat in Erlangen, rund 50 Jahre aktiv in der Politik, er hat etliche Wahlkämpfe begleitet, bestritten und beobachtet. Die Christsozialen kennt er (fast) wie seine Westentasche.

Doch so einen Wahlkampf wie 2021 hat er noch nie erlebt - auch was seine Partei angeht, die in der jüngsten Erhebung des vom BR beauftragten Meinungsforschungsinstituts infratest dimap - Stand 8. September 2021 - bei nur noch 28 Prozent liegt. In bundesweiten Umfragen liegt die Union schon länger recht klar hinter der SPD, doch nun zeigt sich: Auch in Bayern bröckelt die Zustimmung für die CSU.

"Da hat sich in den vergangenen Wochen noch sehr viel bewegt", sagt er, "das war doch unvorstellbar". Auch der "Hype" der Grünen habe nachgelassen, und SPD-Kandidat Olaf Scholz verteile Geld und wolle nur wissen, ob es etwas mehr sein solle. Und die Union? "Die hat es etwas zu wenig ins Auge gefasst, dass man erst einmal aktiv den Wahlkampf führen sollte", sagt er.

Für Gumbmann lohnt es sich für seine Partei aber immer noch, "bis zur letzten Minute zu kämpfen". Die jetzige Wahlkampf-Situation vergleicht der frühere Handballer mit dem Sport: "Es wird zusammengezählt, wenn das Spiel abgepfiffen ist." Daher müsse die Union bis zum Schluss um Stammwähler werben. "Das Spiel ist immer noch nicht verloren, wenn man jetzt richtig zusammenlangt; darauf warte ich jetzt: Dass der Wahlkampf aktiv an Fahrt aufnimmt."

So wie es im Sport oft Voraussagen über den Favoriten gibt, werden auch bei Wahlen Prognosen erhoben. Für Gumbmann würden diese aber immer unzuverlässiger. "Die Vorhersagen sind nicht mehr so zielgenau, wie sie früher einmal waren, die Menschen entscheiden leider, leider sehr kurzfristig in der Wahlkabine." Allerdings hätten wohl schon viele per Briefwahl abgestimmt.

Doch für den Christsozialen steht fest: "Jeder, der nicht möchte, dass man die Richtung ändert, muss sich auf den Weg machen und die Union wählen", sagt Gumbmann und betreibt gleich selbst Wahlkampf für seine Partei: Links würde nur Geld verteilen wollen, das aber erst erwirtschaftet werden müsse. "Das aber geht auf keinen Fall durch angekündigte Steuererhöhungen, als Mittelständler habe ich da große Sorge, dass damit die Wirtschaft nicht so anspringt wie es dringend notwendig ist, um auch die Steuereinnahmen zu erhöhen und Arbeitsplätze nicht zu verlieren. "

Die Wirtschaftspolitik müsse daher noch eine größere Rolle im Wahlkampf spielen, ebenso die genauen Kosten für die angestrebte Klimapolitik.

Welche Rolle spielt Armin Laschet?

An Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet liegen die schlechten Umfrageergebnisse laut Gumbmann nicht: "Er macht für mich auch als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen eine ganz ordentliche Figur". Ob es mit den Werten der CSU unter einem Kandidaten Markus Söder besser aussehen würde, will der Erlanger nicht beurteilen. Doch eines ist für ihn bei allen Unsicherheiten klar: "Das Direktmandat von Stefan Müller sehe ich nicht gefährdet."

MdB Stefan Müller tritt wieder an

Der Bundestagsabgeordnete Stefan Müller selbst, der als Direktkandidat und auch auf der Landesliste mit Platz 9 für den Wahlkreis 242 Erlangen erneut antritt, spürt, dass es eine besondere Abstimmung ist: "Dass diese Wahl, die ja das Ende einer bundespolitischen Ära markiert, insgesamt eine besonders schwierige Auseinandersetzung werden würde, war doch klar", sagt er.

Er selbst erfahre im Wahlkreis in vielen Gesprächen "im Hinblick auf die Situation vor Ort", wie er formuliert, viele positive Rückmeldungen. Eine schlechte Stimmung nehme er nicht war. "Im Gegenteil", betont er. Er habe schon Wahlkämpfe erlebt, bei denen die Stimmung an Infoständen und bei Veranstaltungen deutlich schlechter gewesen sei: "2017 war zum Beispiel deutlich aggressiver".

Die Erhebungen, nach denen die CSU bei 28 Prozent liegt, bezeichnet der erfahrene Bundestagsabgeordnete als "Momentaufnahmen". In der Vergangenheit seien die Demoskopen am Wahlabend schon mehrfach meilenweit daneben gelegen, gibt er zu bedenken. Außerdem bewegten sich viele der Umfrageveränderungen im Rahmen des statistischen Fehlers. "Und", betont er, "wir haben noch zwei Wochen Wahlkampf vor uns, wir machen engagiert weiter Wahlkampf".

Die Zuspitzung auf die Kanzlerkandidaten sei nichts Neues, sagt Müller. Diesmal, ohne eine wieder kandidierende Amtsinhaberin, sei das natürlich noch intensiver. "Dass die SPD mit Herrn Scholz als Frontfigur die Wählerinnen und Wählern darüber hinwegzutäuschen versucht, wie weit links seine Partei eigentlich steht, beginnt sich jetzt herumzusprechen. Und das heißt, dass noch überhaupt nichts entschieden ist."

Man habe derzeit eben einen zugespitzten Wahlkampf in einer Situation, die die CSU herausfordere. "Aber über Schuld und Misere zu sprechen, entspricht nicht der aktuellen Lage", meint er.

Der Christsoziale Christian Lehrmann macht ebenfalls derzeit aktiv für seine Partei Wahlkampf im Kreis Bundeswahlkreis Erlangen 242 - und stellt bei den Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern vor allem eines fest: "Deutlich ist, dass sich viele unter Umständen einen anderen Kanzlerkandidaten gewünscht hätten, aber wir haben jetzt den Kanzlerkandidaten, den wir haben, dafür hat man sich entschieden", sagt der Vorsitzende der Erlanger Stadtratsfraktion und stellvertretende Kreisvorsitzende. Viele machten das Stimmungsmäßige daran fest, wen sie gerne im Bundeskanzleramt sehen würden, sagt er. In der Union gebe es viele, die sich Söder gewünscht hätten, berichtet er und ergänzt, "das ist jetzt nicht der Fall."

Lehrmann klärt dann am Infostand Anhänger und potenzielle CSU-Wähler darüber auf, dass man nicht direkt den Bundeskanzler, sondern den Wahlkreisabgeordneten wählt. "Und da sind wir als Union ja häufig besser verwurzelt als andere Parteien." Die momentane Debatte konzentriert sich für ihn zu sehr auf die jeweiligen Spitzenkandidaten, Inhalte und Programmatik blieben auf der Strecke.

"Wir fahren kein Bombenergebnis ein"

Bei der Beurteilung von Umfragen bleibt Lehrmann deshalb eher skeptisch: "Ein Trend ist klar erkennbar, dass wir kein Bombenergebnis einfahren und sich unsere Stärke der vergangenen Wahlkämpfe nicht widerspiegelt", sagt er, "aber ob sich die Stimmung immer wirklich an einer Unzufriedenheit der Programmatik oder eben an Personen festmacht, kann ich ganz schwer abschätzen."

Man dürfe, sagt Lehrmann, auch nicht sagen, mit Söder stände die Union jetzt besser da, denn man müsse auch immer überlegen, wie ein bayerischer Ministerpräsident in anderen Bundesländern ankommt. "Wir haben da mitunter als Bayern einen schweren Stand in den nördlichen Bundesländern."

Auch Merz und Spahn als Wunschkandidat

An den Infoständen seien in den vergangenen Wochen ohnehin neben Söder gleich mehrere andere Namen als Wunschkandidat gefallen, berichtet Lehrmann, die von Jens Spahn bis Friedrich Merz reichten.

Es gebe aber durchaus Unionsanhänger, die Laschet gut finden, auch wenn die Umfragen momentan eben durch die Hochwasserszenen, die ihn lachend im Hintergrund zeigen ("das darf einem Ministerpräsidenten nicht passieren, aber ich glaube trotzdem nicht, dass ihn das disqualifiziert als Führungskraft") oder seinen durchaus umstrittenen Corona-Kurs in NRW eher negativ bestimmt seien. "Das haftet ihm noch etwas an und trägt diese Stimmung".

Lehrmann selbst möchte nicht als hoffnungsloser Optimist dastehen und sagt: "Man sollte nicht die Flinte ins Korn werfen, denn am Ende sitzen die Wähler in den Kabinen und wählen ihren Bundestagsabgeordneten und ich glaube nicht, dass da bei uns einer sein Kreuz nicht bei Stefan Müller macht, nur weil ihm Armin Laschet nicht gefällt".

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