Durchsuchung bei Erlanger Grünen war rechtswidrig

3.4.2021, 10:30 Uhr
Durchsuchung bei Erlanger Grünen war rechtswidrig

© Harald Sippel

Die beschlagnahmte PC-Ausrüstung, die bereits am Mittwoch wieder zurückgegeben wurde, beziehungsweise Kopien davon, dürfen nicht ausgewertet werden, so das Landgericht weiter. 

Am 25. März durchsuchte die Polizei in Begleitung eines Staatsanwalts aus Nürnberg und des städtischen Rechtsreferenten Thomas Ternes das Fraktionsbüro der Grünen-Stadtratsfraktion. Die Aktion fand außerhalb der Bürozeiten statt; Mitglieder der Fraktion waren weder hinzugezogen noch informiert worden. Noch nie zuvor waren im Erlanger Rathaus Büroräume von Stadträten von den Ermittlungsbehörden durchsucht worden.

Der Vorwurf, mit dem die Durchsuchung begründet wurde: Ein Fraktionsmitglied, dessen Privaträume zeitgleich ebenfalls durchsucht wurden, soll im September vergangenen Jahres Fotos von einer AfD-Versammlung in Erlangen im Internet veröffentlicht haben und damit gegen das „Recht am eigenen Bild“ verstoßen haben.

Wie sich jetzt aber herausstellt, war der grüne Stadtrat fälschlich beschuldigt worden, Fotos von Funktionärinnen und Funktionären der AfD im Internet veröffentlicht zu haben. Er war, wie etliche andere Personen auch, vor Ort, als die AfD unter anderem in öffentlichen Messenger-Gruppen für eine Veranstaltung unter dem Titel „Politischer Islam“ geworben hatte.

„Die Verletzung des ,Rechts am eigenen Bild‘ durch das Hochladen der angezeigten Fotos wurde unserem Fraktionsmitglied aber schon vor der Durchsuchung nicht mehr vorgeworfen“, schreibt Birgit Marenbach, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden von Grüne/Grüne Liste, in einer Pressemitteilung. Die Staatsanwaltschaft ermittelte trotzdem weiter, nun wirft sie ihm „Beihilfe“ vor. Doch selbst dafür sei die Beweislage zu dünn, meint der Anwalt des Betroffenen. „Wahrscheinlich waren die Durchsuchungen nur ein weiterer Versuch, die Vorwürfe irgendwie zu untermauern.“ Das Landgericht bezweifelt, ob man überhaupt auch nur einen Anfangsverdacht unterstellen durfte.

„Wir sind noch immer fassungslos über das Vorgehen gegenüber einem Stadtratsmitglied und unserer Fraktion“, so Marenbach weiter. „Wir freuen uns sehr über die vielen Solidaritätsbekundungen, mussten jedoch auch viele Beleidigungen und massive Bedrohungen zur Kenntnis nehmen.“

Für Marcus Bazant, der zusammen mit Birgit Marenbach die grüne Fraktion führt, geht es im konkreten Fall nicht nur um eine juristische Auseinandersetzung. „Es geht darum, ob man es mit sich machen lässt, dass die AfD inzwischen ganz gezielt mit ungerechtfertigten Anzeigen versucht, engagierte Bürgerinnen und Bürger einzuschüchtern und demokratisches Handeln zu behindern. Das höhlt unser Gemeinwesen von innen aus.“ Für Bazant ist dieses Verhalten auch gegen eine offene (Stadt-)Gesellschaft gerichtet. „Wer denkt, man könne passiv und scheinbar neutral danebenstehen, wenn so etwas wie hier geschieht, sollte sich nur einmal vorstellen, die nächste fälschlich beschuldigte Person wäre Journalist, Mitglied in einem Kirchenvorstand oder aktiver Gewerkschafter: Werden dann auch Redaktionen, Pfarreien und Gewerkschaftshäuser durchsucht und lahmgelegt?“

In einer ersten Reaktion hat die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg die Durchsuchungen auf das Schärfste verurteilt. „Diese von Anfang an unverhältnismäßige Durchsuchung von Fraktionsräumen einer demokratischen Partei ist nun zu Recht vom Landgericht als rechtswidrig eingestuft worden. Wir fordern jetzt eine lückenlose Aufklärung, wie es zu diesem unverhältnismäßigen Tatendrang kommen konnte. Wer hat wann, warum und mit welcher Motivation diese Durchsuchung veranlasst?“, sagt Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz.

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