Frau des festgehaltenen Wilfried Siewe im Interview: "Es ist ein Albtraum"

31.8.2019, 06:00 Uhr
Layoko Siewe beim Gespräch in der EN-Redaktion.

© Klaus-Dieter Schreiter Layoko Siewe beim Gespräch in der EN-Redaktion.

Frau Siewe, können Sie schildern, was am Tag der Festnahme genau passiert ist?

Wir waren gemeinsam in Kamerun, um die Kinder Wilfrieds Familie vorzustellen, auch ich kannte seine Angehörigen dort nicht, weil ich aus Togo komme. Am 18. Februar wollten wir nach Deutschland zurückfliegen. Mein Mann wollte sich um das Prechecking kümmern und ein paar Fotos machen von Plätzen, die wir nicht besichtigt haben. Er hat die alte Kathedrale und die alte Post fotografiert. Als er das Justizgebäude in Jaunde fotografieren wollte, wurde er von Polizisten verhaftet.

Was wird Ihrem Mann vorgeworfen?

Die Behörden sagen, er sei für den Staat gefährlich, weil sie auf seinem Handy Fotos von Demonstrationen gefunden haben. Diese hat er selbst über WhatsApp erhalten, denn viele Menschen in Kamerun benutzen den Messanger-Dienst. Es waren auch Fotos darauf, die mein Mann gemacht hat.

Waren es Fotos von regimekritischen Demonstrationen in Kamerun?

Nein, es handelte sich um Fotos, die bei einer in Deutschland angemeldeten Demonstration gemacht wurden. Bei der Kundgebung machten hier lebende Kameruner auf die schwierige Lage in ihrer alten Heimat aufmerksam. Vor Ort hat mein Mann nichts gemacht, in Kamerun waren wir nur für die Familie da.


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Ist Ihr Mann politisch?

Mein Mann hat Interesse an Afrika generell. Er ist dafür auch in Erlangen tätig, hilft afrikanischen Studenten bei ihrer Integration. Er verfolgt, was in Deutschland passiert, genauso wie er verfolgt, was in Togo passiert. Vor den Wahlen in Kamerun hat er die Programme aller Parteien gelesen, und wir haben darüber diskutiert. Er hat dann gesagt: "Die Ideen finde ich am Besten, aber ich weiß nicht, wie die Kameruner darauf reagieren werden." Natürlich interessiert er sich für das, was in seiner alten Heimat vor sich geht.

Wie erging es Ihnen nach der Festnahme?

Es ist ein Albtraum, ich kenne Kamerun nicht und plötzlich stehe ich allein da in dem Land. Ich habe ihn dann mehrmals in der Haft besucht und ihm Essen gebracht, bis wir ein paar Wochen später nach Deutschland zurückgeflogen sind. Seitdem habe ich aber keinen direkten Kontakt zu ihm, er darf kein Handy haben. Manchmal frage ich immer noch: Ist das wirklich alles wahr, was hier passiert?

Wie geht es Ihren beiden Kindern?

Nicht so gut. Wenn sie ihn auf Fotos sehen, etwa auf den Flyern der Online-Petition, dann sagen sie "Papa, Papa". Wenn ich mit Anwälten über meinen Mann spreche, sind sie immer dabei. Was sie davon mitbekommen, weiß man nicht.

Was wissen Sie über den Zustand Ihres Mannes?

Er versucht, stark zu bleiben. Wenn er stark bleibt, dann weiß er, dass auch die Kinder und ich das ebenfalls irgendwie versuchen werden. Mein Mann sagt immer, es wird schon, es wird schon.

Frau des festgehaltenen Wilfried Siewe im Interview:

© Repro: Klaus-Dieter Schreiter

Woher nehmen Sie Ihre Stärke?

Ich bete, und die Kinder geben mir Kraft. Wenn ich stark bleibe, dann schafft mein Mann das auch. Aber es ist nicht immer einfach.

Nun wurde Ihr Mann zu drei Jahren Haft verurteilt.

Das ist schrecklich, wir hatten geplant, dass ich nach meiner Elternzeit 2020 wieder arbeite. Jetzt habe ich mich arbeitssuchend gemeldet und suche auch eine Arbeit, wenn ich die Zeit dazu finde. Ich kann das alles nicht verstehen, ich versuche, nicht darüber nachzudenken und einen Tag nach dem anderen so gut wie möglich durchzuhalten.

Was könnte Ihrem Mann noch drohen?

Die drei Jahren erhielt er für die vom Gericht behauptete Beteiligung an einem Gefängnisaufstand, was aber nicht stimmt. Das Haupturteil aber wegen der Fotos auf dem Handy und dem Buch in der Tasche steht noch aus, das kommt noch. Wenn er dafür verurteilt wird, heißt das lebenslang Haft. Dann ist es vorbei. Deshalb ist es unsere größte Bitte, dass alles getan wird, damit er aus dem Gefängnis herauskommt.

Was wurde bisher alles versucht, um Ihrem Mann zu helfen?

Die Hilfe hier ist wirklich groß, ob es Wilfrieds Arbeitgeber ist, auch José Luis Ortega Lleras hilft uns sehr, der Oberbürgermeister weiß Bescheid und auch die Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich. Jedes Mal, wenn ich sie angerufen habe, habe ich ein offenes Ohr gefunden. Auch das Konsulat ist eingeschaltet. Jetzt ist das Auswärtige Amt dran. Bis Juli gab es keine konsularische Betreuung.

"Die Politik muss enorm viel Druck machen"

Werden Sie von Anwälten vertreten?

Wir haben einen Rechtsanwalt, der in Kamerun sitzt und ich habe eine Rechtsanwältin, die mich betreut und mir sagt, wie ich mich verhalten soll. Ich als Ausländerin kann viele Fehler machen, ich kann mit den falschen Leuten sprechen, weil ich einfach Hilfe für meinen Mann suche. Am Anfang haben mir manchmal Leute gesagt, mit dem hättest Du darüber jetzt nicht reden sollen. Aber wenn mir jemand sagt, ich möchte Deinem Mann helfen, rede ich auch mit ihm. Ich suche ja nach meinem Mann, ich brauche nur meinen Mann zurück.

Was ist Ihre größte Hoffnung?

Die Politik muss enorm viel Druck machen, damit Kamerun nachgibt und meinen Mann zurück nach Hause lässt. Sonst wird er verurteilt. Es geht meiner Meinung nach jetzt darum, ein starkes Signal zu geben.

Wie ist die Lage in Kamerun?

Ich habe erlebt, dass alle in dem Land über Politik reden, aber sie haben Angst. Sie möchten es nicht öffentlich sagen, sie sagen das zu Hause. In den Taxis haben die Leute viel über die Situation berichtet, etwa wie viele Politiker und Oppositionelle bereits im Gefängnis sitzen.

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