Geschenk japanischer Geschäftspartner

Siemens Energy verschrottet ein Symbol der Freundschaft

10.7.2021, 12:30 Uhr
Im August 2020 wurde die Laterne abgebaut. 

Im August 2020 wurde die Laterne abgebaut. 

Streng genommen sind es 150 Zentimeter Stein, die Gerd Riese manchmal kaum schlafen lassen. Eine Laterne, wie man sie aus japanischen Gärten kennt, wie sie vor Tempelanlagen steht: schmal und hoch und mit fein verziertem Dach, kunstvoll aus Stein geschlagen. Doch diese 150 Zentimeter Stein, um die Gerd Riese seit mehr als eineinhalb Jahren mit ein paar Freunden, nunja, wie ein Riese kämpft, sie standen bis vor kurzem noch mitten in Erlangen, im Garten des Himbeerpalastes. Dort hatte sie eine Delegation aus Japan im Juni 1998 stolz übergeben: "Jeder Zentimeter entspricht einem Jahr Siemens-Firmengeschichte. Sie repräsentiere nicht nur die japanische Kultur, sondern solle auch den Weg der langen historischen Beziehung und des Austausches beider Unternehmen erhellen", hieß es dazu in den Erlanger Nachrichten.

Geschenk zum 150. Firmenjubiläum

Die Laterne war ein Geschenk zum 150. Geburtstag der Firma Siemens von Fuji Electronics gewesen, der Firma, die Siemens in den 1920er Jahren einst selbst gegründet hat. "Es war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, sehr respektvoll und freundschaftlich", sagt Riese. Eine Zusammenarbeit, die bald auch ihn und seine Familie packte: Sieben Jahre lebten die Rieses in Tokio. Sohn Steffen machte in der deutschen Schule in Yokohama Abitur, als Fremdsprache wählte er Japanisch. "Ich hätte nach Indien oder in die USA gehen können", erzählt Gerd Riese. Alles reizvoll, alles spannend. Gegangen sind die Rieses aber nur nach Japan. Und sind mit einem großen Teil des Herzens irgendwie auch dort geblieben.

Riesige Wertschätzung

"So eine Laterne", sagt Gerd Riese deshalb auch bewegt, "die bekommt man nicht einfach mal so." Vergleichbar wohl mit einem gepflanzten Baum zur Hochzeit oder der Geburt eines Kindes, kunstvoll geschlagener Stein als Symbol einer festen, innigen und hoffentlich ewigen Freundschaft. So wie sie Gerd Riese, mittlerweile 80 Jahre alt, mit den Kollegen von damals heute noch pflegt. Auch in seinem Haus, mitten in Bubenreuth, steht eine Steinlaterne.

Seine erhielt er am Tag des Abflugs von seinen Geschäftspartnern. Sie hatten die Steinlaterne als Dank und als Wertschätzung am selben Morgen noch am Werkstor aufgestellt und mit einer deutschen und einer japanischen Fahne geschmückt. Jeder Arbeiter ging an diesem Tag dort vorbei und lud, wenn man so will, diese 150 Zentimeter Stein mit Aufmerksamkeit, mit Wertschätzung auf, bevor man sie Gerd Riese hinterherschickte. Ähnlich viel Symbolik steckt auch in der Steinlaterne aus dem Garten des Himbeerpalasts. Nur, dass sie dort schon längst nicht mehr steht.

Einfach vergessen?

Durch den Verkauf des Himbeerpalasts ging wie das Gebäude an die Universität über. Das Mobiliar wurde eingelagert, umgezogen oder versteigert - auch Kunstobjekte waren darunter, Konzertflügel, Bilder. Es schien, als habe Siemens kein großes Interesse an den Freuden und Freunden der Vergangenheit. Die Steinlaterne aber blieb. "Wäre sie versteigert worden", sagt Gerd Riese, "dann hätten wir sofort zugeschlagen." Er vermutet, die Laterne im Garten wurde schlichtweg vergessen. Denn erst auf Nachfragen der Pensionäre hörten die neuen Verantwortlichen wohl von dieser Laterne.

150 Zentimeter Freundschaft, kunstvoll aus Stein gehauen: Die Steinlaterne aus Japan bei der Übergabe 1996.

150 Zentimeter Freundschaft, kunstvoll aus Stein gehauen: Die Steinlaterne aus Japan bei der Übergabe 1996. © Bernd Böhner

Doch weder die Idee, diese an einen Platz im neu entstandenen Campus zu setzen, noch der Vorschlag, sie den Pensionären auszuhändigen, die sie an einen ehrenvollen Platz in den japanischen Garten der Deutsch-Japanischen Gesellschaft nach Nürnberg bringen würden, trugen Früchte. Es heißt vielmehr irgendwann lapidar: "Seitens Siemens Energy wird die Steinlaterne verschrottet."

Es ist der Moment, der Gerd Riese und seine Freunde sprachlos macht.

"Es ist beschämend"

"Die Leute, die das entschieden haben, verstehen die Geschichte und die Symbolik nicht", sagt Gerd Riese, anders kann er sich das nicht erklären. "Es ist beschämend und es mir gegenüber den ehemaligen Kollegen hochnotpeinlich." Auch kann er nicht verstehen, weshalb man ihn und seine Freunde die Laterne nicht einfach abholen lässt, wenn man schon kein Interesse daran hat.

"Aufgrund der mit einem Umzug in den Campus verbundenen nicht unerheblichen Kosten haben wir uns letztlich für eine Entsorgung entschieden", heißt es auf Anfrage der Redaktion von der Siemens-Pressestelle. "Zuvor haben wir jedoch mit den Kollegen aus Japan abgeklärt, ob etwas gegen eine Entsorgung spricht. Uns war es insbesondere wichtig, zu klären ob es eventuell kulturelle Verstimmungen geben könnte. Dies war aber nicht der Fall. Deshalb wurde die Steinlaterne inzwischen entsorgt."

"Unverzeihlicher Fehltritt"

Professor Dr. Fabian Schäfer, Leiter des Lehrstuhls für Japanologie der FAU, kann darüber nur den Kopf schütteln. "Die Vernichtung oder Ablehnung eines Geschenks ist in Japan ein ziemlicher Fauxpas", sagt er. "Man kann sagen: Das geht mit einem Gesichtsverlust einher. Gerade in der japanischen Kultur stehen Geschenke in hoher Wertschätzung. Ein Geschenk zu vernichten ist ein unverzeihlicher Fehltritt."

Gerd Riese hat den Kampf um das Symbol der Deutsch-Japanischen Freundschaft wie es aussieht verloren. "Was soll ich den Japanern denn erzählen, wenn sie mal wieder nach Erlangen kommen, um ihren Kindern und Enkelkindern die Stadt zu zeigen, in der diese nicht selten geboren wurden?", fragt er. Er besucht mit den Freunden dann gern die Bergkirchweih, sie fahren dann zur Geburtsklinik oder zum Kindergarten, aber auch zum Himbeerpalast. "Was, wenn sie dann nach der Laterne fragen?"

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