Ermittler: Amokläufer bereitete sich seit einem Jahr vor

24.7.2016, 15:54 Uhr
Blumen und Kerzen liegen zwei Tage nach der Schießerei an der U-Bahn Station Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München.

© dpa Blumen und Kerzen liegen zwei Tage nach der Schießerei an der U-Bahn Station Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München.

Sonntagnachmittag. Die Menschen in München sind immer noch in Schockstarre. Nach einer Nacht in Angst herrscht nun Trauer. Zehn Tote gibt es zu beklagen, von den 35 Verletzten kämpfen drei noch um ihr Leben. Neun Menschen hat ein 18-jähriger Schüler am Freitag erschossen, ehe er sich selbst richtete. Es drängen sich immer mehr Fragen auf. Woher hatte der Schütze die Waffe? Gab es Anzeichen für die Tat? Und vor allem: Warum?

An der Beantwortung dieser und anderer Fragen arbeiten derzeit mehr als 70 Beamte, die alle Teil einer Sonderkommission mit dem Namen OEZ sind. Die Staatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt (Lka) haben die Ermittlungen übernommen zu den tragischen Ereignissen, die am Freitag um 17.52 Uhr in einem Schnellrestaurant gegenüber des Olympia-Einkaufszentrums (OEZ)  ihren Lauf nahmen.

Insgesamt 58 Patronenhülsen stellten die Ermittler am Tatort sicher. 57 Schüsse habe der Amokläufer aus einer Pistole abgefeuert, eine Hülse "stammt zweifelsfrei aus einer Polizeiwaffe". Die Ermittler schließen daher nun aus, dass es weitere Täter gegeben haben könnte. Zeugen wollen am Freitag mehrere Männer mit Langwaffen gesehen haben. Vermutlich handelte es sich dabei jedoch um zivile Einsatzkräfte der Polizei.

Die Ermittler bestätigen: Der Täter erstellte einen Account bei Facebook, bei dem er den Namen einer real existierenden Frau übernahm und Fotos von deren Account kopierte. Mit dem Fake-Account habe der Täter angekündigt, dass er bei McDonald's eine Runde spendieren werde, sagt Lka-Präsident Robert Heimberger bei einer Pressekonferenz am Sonntag. "Das war wohl der Versuch, Personen dorthin einzuladen." Nach bisherigen Ermittlungen gehörten die Menschen, zu denen der Täter auf Facebook Kontakt hatte, aber nicht zu den späteren Todesopfern.

Nach den ersten Erkenntnissen der Ermittler war der 18-jährige Deutsch-Iraner seit längerem in ärztlicher Behandlung. Unter anderem befand er sich von Juli bis September 2015 stationär in einem Krankenhaus in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung. "Ein letzter ärztlicher Kontakt konnte im Juni 2016 festgestellt werden", so die Ermittler. Dies belegten auch gefundene ärztliche Unterlagen und Medikamente.

Zur Herkunft der verwendeten Handfeuerwaffe Glock 17 konnten die Ermittler "Hinweise auf einen Chatverlauf im Darknet" finden. Die Süddeutsche Zeitung hatte darüber zuerst berichtet. Dem Bericht zufolge handelt es sich um eine Theaterwaffe mit slowakischem Prüfzeichen, die wieder scharf gemacht wurde. "Hier sind noch weitere umfangreiche Ermittlungen notwendig", teilen die Ermittler mit. Außerdem wurden laut Staatsanwaltschaft und Lka Hinweise gefunden, dass der 18-Jährige "in starkem Maße sogenannte 'Ego-Shooter' spielte." Nach Angaben der Ermittler spielte der Täter "intensiv gewaltverherrlichende Videospiele wie Counterstrike". Das sei "typisch für Amokläufer". Die Münchner Bluttat fand am fünften Jahrestag des Amoklaufs von Anders Breivik statt, bei dem der norwegische Rechtsextremist 77 Menschen tötete.

Im Jahr 2012 sei der Deutsch-Iraner von Mitschülern gemobbt worden. Ob es einen Zusammenhang des Mobbings zur Tat gebe, sei noch unklar. Der Amokschütze hatte entgegen ersten Polizeiangaben das Manifest Breiviks nicht auf seiner Festplatte, jedoch Recherchen zur Tat des norwegischen Massenmörders angestellt und ein eigenes schriftliches "Manifest" verfasst, sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamts, Robert Heimberger. Der Täter habe sich seit einem Jahr auf seine Tat vorbereitet. Er habe auch Winnenden besucht, den Ort eines früheren Amoklaufs. Dort habe er Bilder gemacht.

Die Eltern des 18-Jährigen sind laut den Ermittlern weiterhin "noch nicht vernehmungsfähig". Deshalb konnten Fragen, ob etwa die Vorbereitung der Tat wie zum Beispiel der Kauf der Waffe, bemerkt wurden, noch nicht geklärt werden.

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