Experte erklärt: So erkennen Sie, ob Ihr Kind Social-Media-süchtig ist

5.3.2019, 15:07 Uhr
Als wären sie drogensüchtig, richten Jugendliche ihr ganzes Leben nach den sozialen Medien aus.

Als wären sie drogensüchtig, richten Jugendliche ihr ganzes Leben nach den sozialen Medien aus.

Nach Angaben des Suchtexperten Christoph Möller machen sich immer mehr  jugendliche abhängig von ihrem digitalen Erfolg in sozialen Medien. Der Druck, dort ständig präsent zu sein, sei enorm, sagte der Chefarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinderkrankenhaus Auf der Bult in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zu der Klinik gehört auch die Sucht-Therapiestation "Teen Spirit Island", die 1999 gegründet wurde und am Mittwoch ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Seit 2010 werden dort auch Jugendliche mit Computer-Spielsucht behandelt.

Die psychologischen Auswirkungen von "Gefällt mir"-Buttons als Gradmesser für Erfolg oder Misserfolg seien nicht zu unterschätzen, betonte Möller. Wie bei stoffgebundenen Süchten konzentrierten sich manche Jugendliche immer mehr auf ihren nächsten Erfolg. "Sie richten ihr Leben komplett danach aus, um in den Medien anerkannt zu werden", sagte der Experte. "Sie werden unkonzentriert, vernachlässigen ihre realen Kontakte und gehen schließlich nicht mehr zur Schule." 

Normale Jugendliche verbringen Möller zufolge inzwischen fünf bis sieben Stunden am Tag mit dem Handy. Für das "perfekte Selfie"-Foto investierten sie 15 bis 20 Minuten. Computer- und medienabhängige Jugendliche verbrächten dagegen zum Teil Tag und Nacht mit den Geräten. "Die sozialen Medien vermitteln die Botschaft: Jeder kann ein Superstar oder eine erfolgreiche Influencerin sein, wenn er oder sie sich nur genügend anstrengt", sagte der Mediziner. Die reale Welt habe damit oft wenig zu tun.

Bundesweit seien etwa zwei bis fünf Prozent aller Jugendlichen medien- und computerabhängig, sagte Möller. Das sei viel im Vergleich zu anderen stoffgebundenen Süchten. Ob ein suchthaftes Verhalten vorliege, zeige sich, wenn die Geräte nicht verfügbar seien: "Müssen die Jugendlichen ständig an ihren Status im Netz denken? Werden sie nervös? Vernachlässigen sie ihre realen Kontakte?" 

Den erst kürzlich vereinbarten Digitalpakt zur Ausstattung von Schulen mit modernen Medien und Internet sieht Möller nach eigenen Worten kritisch: "Kindheit und Grundschule sollten grundsätzlich medienfrei bleiben." Vor allem kleine Kinder bräuchten umfassende Sinneserfahrungen, gute Bindungen und Beziehungen, ausreichend Bewegung, Zeit für freies Spiel und die Vermittlung von Lust auf Leben: "Alle dies findet erstmal im medienfreien Raum statt." Die ersten beiden Jahre in den weiterführenden Schulen sollten dann genutzt werden, um den Heranwachsenden einen kritischen und bewussten Umgang mit Medien zu vermitteln. 


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"Medienkompetenz beginnt mit Medienabstinenz", unterstrich der Suchtexperte. Eltern sollten darum mit ihren Kindern feste Zeiten für die Mediennutzung vereinbaren. Mahlzeiten und Familienzeiten sollten jedoch absolut frei von Medien sein. "Das gilt auch für die Eltern", betonte Möller.

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