Fatales Signal zum Corona-Impfstart in Franken

27.12.2020, 14:57 Uhr
Auch im Nürnberger Zentrum laufen die ersten Impfungen.

© Stefan Hippel, NNZ Auch im Nürnberger Zentrum laufen die ersten Impfungen.

Kein Frage: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Noch dazu, wenn es dabei um diffizile Aufgaben geht, wie die flächendeckende Verteilung eines bei minus 70 Grad gekühlten Impfstoffes. Und dennoch hätte genau dieser Patzer nicht passieren dürfen: Ausgerechnet am ersten Tag der Corona-Impfungen kommen in einigen oberfränkischen Landkreisen und in Augsburg Transportboxen an, bei denen fraglich ist, ob die Kühlkette lückenlos eingehalten wurde. Das wirft ein mehr als schlechtes Licht auf die Vorbereitungen für diesen so wichtigen Tag.


Pannen zum Impfstart weiten sich aus: Immer mehr fränkische Kreise betroffen


Natürlich wird diese Panne keine gravierenden Auswirkungen auf die Geschwindigkeit haben, mit der die Impfungen stattfinden. Zum Start bekam jedes bayerische Impfzentrum ohnehin nur 100 Dosen, die allenfalls einen symbolischen Auftakt ermöglichten. Aber genau diese Symbolik wäre auch für die Menschen in Oberfranken und Augsburg wichtig gewesen, um ihnen zum Ende dieses Katastrophenjahres neuen Mut zu machen. Dass jetzt ausgerechnet in Coburg, der Stadt mit dem höchsten Inzidenzwert in Deutschland, am ersten Tag keine Impfungen stattfinden konnten, ist vor diesem Hintergrund besonders bitter.

Müssen die Dosen vernichtet werden?

Nach allem, was bislang bekannt ist, wurde der Fehler nicht im zentralen nordbayerischen Verteilzentrum an der Universität Erlangen gemacht. Vielmehr waren möglicherweise die Temperatur-Aufzeichnungsräte in den Transportboxen oder deren Handhabung das Problem. Wie auch immer: Es wäre extrem ärgerlich, wenn wegen dieses vermeidbaren Fehlers einige hundert Dosen des kostbaren Vakzins vernichtet werden müssten.

Die Panne ist zudem nicht das einzige fragwürdige Ereignis im Zusammenhang mit der Corona-Impfung: Zuerst bestellte die EU zu wenige Dosen beim Hersteller Biontech/Pfizer, dann bummelte die zuständige europäische Behörde bei der Zulassung. Zwölf Tage vergingen ungenutzt zwischen der Fertigstellung der Impfzentren durch die bayerischen Kommunen am 15.Dezemer bis zum heutigen Impfstart. Zwölf Tage, das sind bei der derzeitigen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus eine Ewigkeit.

Söder greift zu kurz

"Die Impflogistik steht, es braucht nur noch den Impfstoff", verkündete Ministerpräsident Söder vorschnell, bevor die Nachricht von der Panne in Oberfranken eintraf. Offensichtlich ist die Sache doch komplizierter als gedacht und nicht mit dem Transport von Tiefkühlpizza zu vergleichen. Einfach nur bei den Herstellern höhere Produktionskapazitäten zu fordern, wie es Söder getan hat, greift auf jeden Fall zu kurz.

Bei alledem handelt es sich nicht um eine Katastrophe. Niemand ist durch einen möglicherweise unbrauchbaren Impfstoff zu Schaden gekommen, und die Entscheidung der Landräte, schon beim leisesten Zweifel nicht zu impfen, war völlig richtig.

Aber es war eben doch eine Panne, die das wichtigste Gut bei der Bekämpfung der Pandemie in Mitleidenschaft ziehen kann - das Vertrauen der Bevölkerung in die gewissenhafte Vorbereitung und Durchführung aller Maßnahmen.

Das leidet zusätzlich, wenn das bayerische Gesundheitsministerium in Pressemitteilungen den Impfstart bejubelt, dabei aber kein Wort über die möglicherweise unterbrochenen Kühlketten in Oberfranken verliert. Erst auf Nachfrage unserer Redaktion wurde eine dürre Erklärung nachgeschoben, laut der das Problem bekannt sei und man nun die Auswertung abwarte.

Jetzt muss schnell geklärt werden, ob es tatsächlich Lücken in der Kühlkette oder nur Fehler in der Temperaturaufzeichnung gab. Denn schon am Montag soll die zehnfache Menge Impfstoff ausgeliefert werden. Wenn es dann wieder Zweifel an der Qualität der Logistik gibt, haben wir tatsächlich ein Problem.

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