Bauboom zu Lasten der Umwelt

Flächenfraß in Bayern nimmt zu: "Bankrotterklärung der Regierung"

15.10.2021, 12:23 Uhr
Auch im Knoblauchsland ist die Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen ein Reizthema. Unser Bild zeigt eine Protestaktion vom Dezember 2018.

© Roland Fengler Auch im Knoblauchsland ist die Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen ein Reizthema. Unser Bild zeigt eine Protestaktion vom Dezember 2018.

Ungeachtet aller politischen Beteuerungen hat sich der Flächenverbrauch in Bayern wieder beschleunigt. Im vergangenen Jahr vermehrte sich die "Siedlungs- und Verkehrsfläche" im Freistaat um 4244 Hektar, wie das Statistische Landesamt in Fürth mitteilt. Das entspricht gut 42 Quadratkilometern oder fast der gesamten Stadtfläche Coburgs (44 Quadratkilometer) - wobei in Coburg weniger als die Hälfte des Stadtgebiets bebaut ist.

So fällt die Bodennutzung in Bayern aus. 

So fällt die Bodennutzung in Bayern aus.  © nordbayern.de

Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) bekräftigte das Ziel der Staatsregierung, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Landtags-Grüne und Naturschützer kritisierten, alle bisherigen Ankündigungen seien fruchtlos geblieben.

Bauboom setzt sich fort

Im täglichen Schnitt wurden laut Landesamt 11,6 Hektar bebaut, 2019 waren es 10,8 Hektar gewesen. Eine maßgebliche Ursache ist der anhaltende Bauboom. So entstanden 2020 neue Wohnhäuser und -gebiete mit insgesamt 1723 Hektar Fläche. Und trotz des coronabedingten Einbruchs der Wirtschaft bauten auch die Unternehmen fleißig weiter. Laut Landesamt wurden auf knapp 1200 Hektar neue Industrie- und Gewerbeflächen angelegt. Der Flächenverbrauch geht im Wesentlichen zu Lasten der Landwirtschaft.

In der Langfristbetrachtung schreitet die allmähliche Betonierung und Asphaltierung Bayerns zwar mittlerweile etwas langsamer voran. 2013 waren im täglichen Schnitt noch über 18 Hektar bebaut worden. Doch das Ziel einer drastischen Reduzierung des Flächenverbrauchs bleibt in weiter Ferne. Insgesamt sind mittlerweile knapp 8600 Quadratkilometer der bayerischen Landesfläche bebaut, gut 12 Prozent.

"Unser Ziel ist es, den Flächenverbrauch deutlich zu reduzieren", so Bauministerin Schreyer. Das Ministerium habe dafür Förderprogramme zur Unterstützung der Kommunen aufgelegt. "Angesichts des Wohnraummangels bleibt Bauen weiterhin das Gebot der Stunde. Wir müssen das aber so flächensparend wie möglich gestalten und setzen deshalb konsequent auf Innenentwicklung, Nachverdichtung und Gebäudeaufstockungen."

"Siedlungs- und Verkehrsfläche" ist nicht vollständig mit Beton und Asphalt gleichzusetzen, dazu zählen auch Grünanlagen oder Innenhöfe. Gebäude und Straßen machen aber einen großen Teil des Flächenverbrauchs aus.

Pflichtwert statt Richtwert

Für Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann sind die Zahlen besorgniserregend: "Diese Narben in unserer Natur und geerbten Kulturlandschaft sind eines der größten ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit für Menschen, Tiere und Pflanzen." Die Grünen fordern deswegen nach wie vor rechtliche Vorgaben, um den Flächenverbrauch zu begrenzen.

Im Dezember 2020 hatte die Landtagsmehrheit von CSU und Freien Wählern ein Gesetz zur Begrenzung des Flächenverbrauchs abgelehnt. Für Hartmann ein Unding: „Nach Jahrzehnten des politischen Laissez-faire und der maximalen Unverbindlichkeit bei Schutz von Wiesen, Feldern und Wäldern in Bayern brauchen wir endlich einen Pflichtwert statt weiter einen freiwilligen Richtwert für den Flächenverbrauch. Der freiwillige Richtwert der Staatsregierung verfehlt abermals krachend, was er leisten müsste – den Erhalt unserer einmaligen bayerischen Kulturlandschaft“, so der Fraktionsvorsitzende.

Auch der Bund Naturschutz übt scharfe Kritik: „Die neuen Zahlen kommen einer Bankrotterklärung der Staatsregierung gleich. Offenbar schaffen es CSU und Freie Wähler nicht, das Problem des viel zu hohen Flächenverbrauchs in Bayern in den Griff zu bekommen. Wie auch, wenn verbindliche gesetzliche Vorgaben fehlen?“, so der BN-Landesbeauftrage Martin Geilhufe.

Die Staatsregierung hofft, den Flächenverbrauch auf freiwilliger Basis bis 2030 auf fünf Hektar am Tag begrenzen zu können. Allerdings hatten die Umweltminister von Bund und Ländern - inklusive Bayerns - schon 2007 für 2020 ein ähnlich ehrgeiziges Ziel von bundesweit 30 Hektar am Tag verkündet, welches weit verfehlt wurde. Auch das hätte für Bayern eine Reduzierung auf deutlich unter 10 Hektar bedeutet.

2 Kommentare