Auf Wahlkampf-Tour durch den Landkreis: Landrat Hermann Ulm verrät seine Herzensthemen

12.3.2020, 04:48 Uhr
Auf Wahlkampf-Tour durch den Landkreis: Landrat Hermann Ulm verrät seine Herzensthemen

© Foto: Ralf Rödel

Wenn er die Ruhe sucht, geht er in den Wald. Dort erdet er sich, sitzt auf einem Baumstamm und hört den Vögeln beim Singen zu. Am Morgen war er bereits in der Kirche, danach geht es zum Mittagessen in eine Gastwirtschaft oder nach Hause mit seiner Frau und drei Kindern - sie sind 14, 9 und 3 Jahre alt. Ein ruhiger Sonntag ganz nach dem Geschmack des Landrats Hermann Ulm (CSU) aus Kunreuth. Zwei Mal im Jahr komme so ein freier Sonntag vor, sagt er. Für alle anderen Tage muss sich Ulm auf Wochen hinaus Stunden freihalten, um Zeit für die Familie zu haben. Anderes lasse sein Terminkalender nicht zu. "Zumindest schaffe ich es noch ins eigene Bett am Abend", sagt Ulm und lächelt. Das ist kein Beschweren über seinen Arbeitsalltag, sondern vielmehr die Beschreibung der Realität. Eine, die Ulm genießt: "Termine, die andere in ihrer Freizeit besuchen, gehören bei mir zum Arbeitsalltag." Als Landrat sitzt er auch mal bei einem Konzert im Publikum.

Dass er seine Zeit heute kaum mehr selbst einteilen kann, hat mit dem Jahr 2014 zu tun. Seitdem hat sich sein ausgefülltes Leben nochmals beschleunigt. Aus dem Kunreuther Bürgermeister, Konrektor an der Mittelschule Kirchehrenbach, Lehrbeauftragten an der Universität Erlangen-Nürnberg und Dirigenten im Posaunenchor Kunreuth ist der CSU-Landrat geworden. Das Dirigieren findet heute im Landratsamt mit seinen über 500 Mitarbeitern und in den Sitzungen mit den 60 Kreisräten statt. Seinen Job als Vernetzer, Anstoßer und Unterstützer der Gemeinden - so umschreibt Ulm seine Aufgabe - will er nicht nur vom Schreibtisch aus wahrnehmen. "Ich will ganz viel außen präsent sein. Wenn ich nur im Büro sitzen würde, könnte auch die Verwaltung meinen Job machen, vielleicht sogar besser", sagt Ulm an einem wolkenverhangenen Tag hinter dem Lenkrad auf dem Weg von Forchheim nach Ebermannstadt.

Alternative? Keine.

Die Kleinstadt ist der erste Stopp von mehreren, an denen Ulm seine politischen Vorstellungen für weitere sechs Jahre als Landrat skizziert, sofern ihm die Wähler am Sonntag mehrheitlich den Auftrag dafür erteilen und nicht seinem Herausforderer von der SPD, Reiner Büttner.

Auf Wahlkampf-Tour durch den Landkreis: Landrat Hermann Ulm verrät seine Herzensthemen

© Foto: Ralf Rödel

Wir halten vor der Klinik Fränkische Schweiz in Ebermannstadt. Vor dem Eingang sagt Ulm: "Wir haben ein großes Projekt geschafft." Er meint die Fusion der Klinik Ebermannstadt mit Forchheim. Seit dem 1. Januar 2019 arbeiten beide Kliniken unter dem Namen "Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz" zusammen. Gab es eine Alternative zu dieser Entscheidung? "Definitiv nein", sagt Ulm. "Wir hätten die Klinik in Ebermannstadt schließen oder an privat verkaufen müssen, wenn sich überhaupt ein Käufer gefunden hätte." Für Ulm kein denkbares Szenario. Wie ausführlich berichtet, schrieb die Ebermannstädter Klinik über Jahre rote Zahlen. Ein Schicksal, das bei vielen anderen kleinen Kliniken auf dem Land bereits zur Schließung führte. Weitere stehen in der Region bevor.

"Wir brauchen ein starkes Krankenhaus für die Fränkische Schweiz." Dass die Kardiologie nach Forchheim abzieht, geht den Ebermannstädtern schwer übers Herz. Künftig wird ein Herzinfarkt-Patient im Landkreis also nur noch in Forchheim behandelt. Alternative? Auch hier keine, sagt Ulm ganz deutlich. Die Bundespolitik strebe so genannte integrative Notfallzentren an, solche, wo alles unter einem Dach ist. Zur Diskussion stand also nicht, "Ebermannstadt oder Forchheim", sondern "Forchheim oder gar nichts", so Ulm.

Über mehrere Jahre arbeiteten die Stadt Forchheim und der Landkreis als Träger der Einrichtungen an der politischen Fusion. "In den nächsten Jahren steht das menschliche Zusammenwachsen an." Noch dieses Jahr sollen neue Räume für die neuen Aufgaben am Forchheimer Klinikstandort hinzukommen. Eine Investition von 25 Millionen Euro ist geplant. Fünf Millionen stemme der Landkreis zusammen mit der Stadt.

Bis in das Herz der Fränkischen Schweiz

Weiter geht die Tour in das Herz der Fränkischen. Ob wir statt im Auto zu sitzen die Route auch mit dem Bus hätten abfahren können? Für Landrat Ulm keine Frage. Alle Orte ab 200 Einwohnern seien mindestens im Stundentakt mit dem ÖPNV angebunden. Das decke 92 Prozent aller Landkreisbewohner ab. Doch der Wunsch nach mehr und einem besseren ÖPNV haben nicht nur die Kreisräte und Parteien im Kreistag. Ulm wünscht sich mehr finanzielle Unterstützung vom Freistaat und will die Takte am Samstag oder im Sonntagsverkehr ausbauen. Die Hard- und Software gehören für ihn dazu.

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© Foto: Ralf Rödel

Hardware, das sind Busbahnhöfe an zentralen Umsteigestellen wie in Egloffstein, wo mehrere Linien zusammenkommen. Dort gibt es auch einen Park&Ride-Parkplatz und E-Ladesäulen. Software, das sind digitale Anzeigen, die dem Wartenden sagen, in wie vielen Minuten welche Buslinie einfährt. Mit all dem will Ulm den ÖPNV sexy, den Menschen auch auf dem Land den Umstieg vom Auto auf den Bus oder Zug leichter machen. Gemeinden, die sich am Ausbau beteiligen, winkt ein Zuschuss vom Landkreis. In Kersbach ist ein Umsteigeplatz bereits fertig, Neunkirchen, Ebermannstadt, Gräfenberg sollen folgen. Zur Diskussion steht auch der Paradeplatz in Forchheim.

Trotz der geknackten Millionenmarke: "Da können wir noch mehr machen"

Über Berg und Tal geht es zum Wildpark Hundshaupten. Mit 150.000 Besuchern jährlich - Tendenz steigend - ein Aushängeschild für den Tourismus für Ulm. Er freut sich über "relativ hohe Übernachtungszahlen". Die Marke von einer Million Gäste knackt die Region locker. "Wir müssen viel in die Qualität stecken, damit die Leute nicht fernbleiben." Dazu zähle verstärktes Engagement im Online-Bereich, beim Erhalt der Wanderwege oder beim Ausbau von E-Ladesäulen (auch für Radfahrer). Für Gäste wie Einheimische. Während Unterfranken sich als Weinland vermarkte, könne der Landkreis mit seiner Vielfalt regionaler Produkte punkten. "Da können wir noch mehr machen."

Ein Navi braucht Ulm übrigens nicht, um den richtigen Weg von A nach B zu finden. Und so geht es über kleine Straßen weiter. Bis wir irgendwann in Gräfenberg landen und vor dem Schulzentrum parken. Mit den Millioneninvestitionen, um weiterführende Schulen im Landkreis zu sanieren oder für Unterricht wie auch Ganztagsbetreuung zu erweitern, sei der Kreis noch nicht am Ende. In Gräfenberg steht die Überholung der Realschule an, auch eine neue Schwimmhalle braucht es.

Vom guten Leben auf dem Land

Alle Themen sind längst nicht besprochen nach der fast drei Stunden langen Tour, die in Kunreuth endet. Ein Schloss, Fachwerkbauten, ein lebendiger Dorfladen, eine Arztpraxis, Apotheke, Bäcker, zwei Banken und noch mehr zeigt Ulm bei einem kurzen Spaziergang durch seinen Heimatort. Gut 600 Menschen wohnen hier, die Einwohner in den Ortsteilen nicht mitgezählt. Viel Überzeugungsarbeit habe es ihm gekostet, damit das Dorf mit seinem Angebot so dasteht. Ulm spricht von einem "Mosaik". In immer weniger Orten auf dem Land ist noch so viel Leben. Wieso funktioniert der Fall Kunreuth nicht überall? "Weil zu spät auf Veränderungen reagiert worden ist", sagt der Landrat - mit der Stimme des ehemaligen Bürgermeisters.

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