"Betriebe sterben im Stillen": Landwirte blockieren erneut Lidl-Zentrallager in Oberfranken

28.12.2020, 14:49 Uhr
Erneut haben Landwirte mit rund 25 Traktoren das Lidl-Zentrallager in Eggolsheim (Landkreis Forchheim) blockiert. 

© NEWS5 / Merzbach Erneut haben Landwirte mit rund 25 Traktoren das Lidl-Zentrallager in Eggolsheim (Landkreis Forchheim) blockiert. 

Sie sterben still. Meist unbemerkt von der Öffentlichkeit, meist ohne eine Schlagzeile in den Medien. Das sagt Hermann Greif über die landwirtschaftlichen Betriebe in der Fränkischen Schweiz und allgemein. Greif ist oberfränkischer Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) und spricht von einem "Riesendilemma" in dem sich derzeit vor allem Schweinebauern befänden. Landwirtschaftliche Betriebe stünden vor dem Aus. "Gerade Schweine- und Rindfleischerzeuger stehen total an der Wand. Sie halten das nicht mehr sehr lange durch." Der Grund: "Es ist eine Verkettung von vielen Umständen." Nicht nur der Lebensmitteleinzelhandel trage eine Mitschuld.

Preise sind abgestürzt, nicht aber für die Verbraucher

Dass am Sonntagabend erneut rund 50 Landwirte mit 25 Traktoren das Lidl-Zentrallager in Eggolsheim (Landkreis Forchheim) blockierten, begrüßt Greif. Aktionen, die mediale Aufmerksamkeit erzeugten, seien "sehr wichtig, sonst gehen uns Betriebe kaputt". Am Nachmittag hatten sich die Landwirte spontan zu der Protestaktion zusammengerufen, sagt Landwirt Josef Taschner aus Obertrubach. "Die Unzufriedenheit ist hochgekocht über einzelne Reaktionen des Einzelhandels." Landwirte aus den Landkreisen Forchheim, Erlangen-Höchstadt und Bamberg machten ihrem Ärger mit der rund vierstündigen Blockade Luft. Die Aktion verlief laut der Polizei Forchheim friedlich.

Die Preise für Schweine- und Rindfleisch seien in den vergangenen Monaten abgestürzt. Für die Bauern, wie BBV-Präsident Greif betont. "Eigentlich hätten die Preise auch für die Verbraucher nach unten gehen müssen, weil Landwirte weniger erhalten haben." Das Gegenteil sei eingetreten: "Die Preise im Geschäft sind aber angestiegen", sagt Greif. "Irgendjemand auf dem Weg vom Hof bis zum Verbraucher muss ordentlich verdient haben. Ich habe das Gefühl, dass ordentlich Geld gemacht wird." Nur, so Greif: "Die Preiserhöhung hat der Landwirt jedenfalls nicht bekommen."

Die Corona-Pandemie habe die Preise für das Fleisch deutlich gedrückt. "Zum einen haben wir einen Schlachtstau in den Schlachthöfen, weil diese nicht auf 100 Prozent laufen", sagt Greif. Zum anderen sei der Absatz wegen der geschlossenen Gastwirtschaften schlicht eingebrochen. Zwar konsumierten die Menschen weiterhin Fleischprodukte, doch nur bestimmte Teile. "Was hauptsächlich in den Gastwirtschaften verzehrt wird, wie zum Beispiel die Rindsroulade, wird derzeit auf dem Markt nicht so abgenommen." Gerade bei Schweinebauern verschärfe die Afrikanische Schweinepest die Situation.

Auch ohne Pest und Corona unter Druck

Und selbst ohne Pest und Corona stehe der Landwirt unter Druck. "Gerade in Deutschland haben wir eine massive Konzentration in Lebensmitteleinzelhandel, wo nur mit Preisdumping gearbeitet wird. Die Konzerne, die sich zu immer größeren zusammenschließen, nutzen die Engpässe wie jetzt auch noch aus", kritisiert Greif.

Schon im Oktober wollten Landwirte aus der Fränkischen Schweiz mit der Blockade des Lidl-Zentrallagers in Eggolsheim ein Zeichen setzen. "Die auch bundesweit stattgefundenen Aktionen haben zwischenzeitlich zu Gesprächen zwischen dem Lebensmittelhandel und den Landwirten geführt", sagt Landwirt Josef Taschner. Arbeitsgruppen beschäftigten sich bundesweit mit der Frage, wie die deutsche Landwirtschaft nachhaltiger gestaltet werden kann. Doch Taschner kritisiert Lidl für seine jüngste Handlung, das Kilo Schweinefleisch für einen Euro mehr zu verkaufen.

"Lidl ist vorgeprescht und hat die Sache zu einer riesigen Marketingaktion gemacht. Schweinefleisch ist zwar teurer verkauft worden, gleichzeitig ist der Preis für das gleiche Produkt für Landwirte um den selben Wert heruntergesetzt worden", sagt Taschner. "Lidl unterminiert damit die Gespräche." Auch Greif hat bei der Lidl-Aktion seine Zweifel in puncto Nachhaltigkeit. "Das nächste Werbeprospekt ist entscheidend. Ob es wieder mit Dumpingpreisen wirbt."

Preisunabhängige Fleisch-Abgabe gefordert

Der BBV fordert deshalb Corona-Hilfen für Schweinebetriebe. "Landwirte legen derzeit mit jedem Schwein, dass sie verkaufen, drauf", sagt Greif. "Es ist ein Riesendilemma." Zudem fordert der BBV eine bundesweite "Abgabe auf Fleisch, die direkt beim Erzeuger landet". Mit diesen vom Verkaufspreis unabhängigen Einnahmen könnten Landwirte in die heimische Tierhaltung investieren, Haltebedingungen und das Tierwohl verbessern. Greif vergleicht diese Abgabe mit der Öko- und Energiesteuer, die bei jedem Liter Sprit fällig ist. Denn auf Preiserhöhungen im Lebensmittelhandel setzt der Bauernpräsident seine Hoffnungen nicht. Dafür stünden sie in einem zu starken Konkurrenzkampf, der schließlich über den Preis geführt werde.

Kann Regionalität, wie sie die Ökomodellregion Fränkische Schweiz fördern will, ein Rettungsanker sein? "Das ist sicherlich eine kleine Hilfe, eine kleine Chance für einige kleine Vermarkter, die über die Direktvermarktung hinaus noch andere Absatzwege suchen. Das wird den gordischen Knoten aber nicht durchschlagen", sagt Greif. "Großen Rinderhaltern in der Fränkischen Schweiz wird es nicht helfen. Ein solcher Familienbetrieb liefert tagtäglich so viel Milch, dass das über die Direktvermarktung nicht mehr möglich ist. Der braucht die Molkerei und die großen Abnehmer", so Greif. "Auch BMW wäre nicht erfolgreich, wenn das Unternehmen für den deutschen Markt alleine produzierte."

Am Ende habe es auch der Verbraucher in der Hand. In anderen EU-Ländern gäben Menschen prozentual mehr Geld für Lebensmittel aus. "Teilweise ist dort auch eine höhere Wertschätzung für regionale Produkte vorhanden", sagt Greif. Dass es dem Verbraucher aber schwer falle, wenn günstige Ware im Regal liege, verstehe er.

"Menschen hätten hungern müssen"

Der oberfränkische Bauernpräsident wirbt für lokale Erzeugnisse. In Bayern hergestellte Lebensmittelmittel seien weltweit ein Qualitätsmerkmal. "Freilich könnten wir auch Importieren, aber dann zu den Standards in anderen EU-Ländern", so Greif. Klar sei auch, dass sich Deutschland nicht vom Weltmarkt abkoppeln könne. "Wir dürfen nicht blauäugig sein", warnt Greif. Dass die heimische Landwirtschaft "extrem leistungsstark" sei, habe sich während der Corona-Pandemie darin gezeigt, dass die Verbraucher in der Krise "mit hochwertigen und günstigen Produkten versorgt" wurden, es zu keinen Engpässen kam. Die Preise explodierten nicht, es sei genug für alle dagewesen.

"Vor hundert Jahren hätten als Folge einer derartigen Krise Menschen hungern müssen", sagt Greif. Und auch ein weiterer Fakt sei ein Beweis für die Qualität, made in Bayern: "Unser Blauschimmelkäse wird mehr in Frankreich als bei uns gegessen."

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