Zweifler und Rechter

Forchheim: AfD-Kandidat Michael Weiß will "Deutschland vor dem Untergang retten"

8.9.2021, 15:35 Uhr
Michael Weiß tritt im Wahlkreis Bamberg, zu dem die Gemeinden im westlichen Landkreis Forchheim gehören, zur Bundestagswahl an. 

© Athina Tsimplostefanaki, NNZ Michael Weiß tritt im Wahlkreis Bamberg, zu dem die Gemeinden im westlichen Landkreis Forchheim gehören, zur Bundestagswahl an. 

Erdbeeren Ende August? Das muss nicht unbedingt sein. Saisonales, regional angebautes Gemüse und Obst wären fürs Klima besser. Die Kiwi aus Neuseeland? "Ich will gar nicht wissen, was der Transport an Kosten und CO2 verursacht", sagt kein grüner, sondern ein blauer Politiker: Michael Weiß aus dem Landkreis Bamberg will sich als Direktkandidat in den Bundestag wählen lassen. Doch über die AfD dürfte das schwierig werden.

Bliebe noch der Sprung über die bayerische Liste. Doch für Platz 22 reicht es bei den aktuellen Umfragewerten auch nicht für den 52-jährigen Kaufmann und Kreisvorsitzenden der Bamberger AfD.

Forchheim, Deutschland, Europa & Höcke

Drei Stunden haben wir uns mit dem Kandidaten über seine Vorstellungen von Forchheim, Deutschland und Europa unterhalten. Natürlich ist auch Björn Höcke, der Rechtsaußen der Bundespartei, ein Thema, zu dem sich Weiß äußert. Wäre die CSU seiner Meinung nach nicht zu weit nach links gerückt, er fühlte sich wohl in der rechten Ecke der Christsozialen. "Ich bin ein Rechter", sagt er und meint damit, für das konservative Spektrum einzutreten.

Michael Weiß ist verheiratet, hat drei Kinder. Mit Waschstraßen, Winterdiensten, Grünanlagenpflege - fünf Firmen und 45 Mitarbeiter - verdient der Selbstständige sein Geld. Für ihn, den typischen Mittelstandsunternehmer, müsse sich "alles" verbessern. Die Bürokratie ersticke neuen unternehmerischen Geist. Seine Steuererklärung sei 176 Seiten dick. Auf den Bierdeckel müsse sie ja gar nicht geschrieben werden können, aber eben vereinfacht werden. Und: "51 Prozent Spitzensteuersatz würden wir auch noch verkraften", sagt er. "Wer zehn Millionen Euro im Jahr verdient, merkt ein paar Prozentpunkte mehr nicht."

Was ist in den Augen der AfD normal?

Deutschland stellt er ein schlechtes Zeugnis aus. "Wir können nichts mehr", sagt Weiß. Kein Afghanistan, keine Energiewende. Zuhause hat er sich von einem Elektriker ein großes Stromaggregat verdrahten lassen, damit er auch bei einem Blackout Strom habe. "Weil ich fest damit rechne. Nicht ob, sondern wann es kommt."

Deutschland mache sich zu stark vom Ausland abhängig, erneuerbare Energien reichten nicht aus. Es brauche einen Mix, keine Ideologie. "Wir müssen das Klima und die Welt retten. Dass der Raubbau nicht fortgeführt werden kann, da bin ich dabei." Manches Zitat könnte auch von einem Grünenpolitiker stammen. "Die Grünen machen nicht alles schlecht", sagt Weiß. Kämpfe zwischen Parteien lehnt er ab. Die Themen müssten im Vordergrund stehen.

Das mag auch erklären, warum einige von Weiß' persönlichen Positionen schon länger zur DNA anderer Parteien gehören. Die Gesundheitsversorgung in der Fläche auf dem Land zum Beispiel. "Schwächere müssen Stärkere stützen", sagt er. Noch drängender für die Region sei ein starker Automobilsektor, denn der sorge für Lohn und Beschäftigung. Aus dem Euro würde er "sofort aussteigen". Begründung: "Wenn der Euro permanent gerettet wird, kann man nicht von starker Währung sprechen." Die sich in Deutschland seiner Meinung nach ohnehin in einer galoppierenden Inflation befinde.

Flüchtlinge aus Afghanistan: "Rein ins Flugzeug und her damit"

Konservativ bedeutet für Weiß so viel wie "normal" sein. So steht es auch auf den AfD-Plakaten. Doch was ist normal? "Es kann nicht normal sein, dass in Würzburg drei Frauen abgeschlachtet werden, dass wir jeden Tag eine Gruppenvergewaltigung in Deutschland haben." Freilich weiß auch Weiß, dass Gruppenvergewaltigungen eben nicht an der Tagesordnung sind. Er benutzt bewusst Aussagen, die polarisieren. Das gibt er sogar zu.

"Vergewaltiger und Drogenhändler kamen mit `Evakuierungsmaschine´ aus Afghanistan“, titelt die AfD in einem Bild-gleichen Schriftzug. Das scheint so gar nicht zu passen zu dem ehemaligen Soldaten Weiß, der 15 Jahre Soldat und im Bosnieneinsatz war. Denn der sagt zu Afghanistan und den Ortskräften: "Rein ins Flugzeug und her damit." Den Afghanen, die der Bundesrepublik geholfen haben, will er Schutz in Deutschland bieten: "Da muss man ganz klar differenzieren."

Doch kommt Weiß´ differenzierter Blick auch bei den AfD-Anhängern an, wenn die Bundespartei zugleich Stimmung gegen die Evakuierung macht? "Ich bin nur für das verantwortlich, was ich sage." Letztendlich vertritt aber auch er die Gesamtpartei. "Die ein oder andere Schlagzeile gefällt mir nicht." Er versteht, dass ihm das auf die Füße fällt. "Ich bin kein Bio-Deutscher, gehöre nicht in die rechte Ecke. Alles was radikal ist, ist schlecht." Aber nicht jede Zuschreibung der Medien - Weiß bezeichnet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als "Staatsmedien" und bezweifelt auch die Unabhängigkeit der lokalen Tageszeitung in seinem Heimatort - treffe auf die AfD zu.

"Deutschland vor dem Untergang retten"

Kritik an den Medien äußert er auch in puncto Corona. Weiß wisse ja aus persönlichen Gesprächen mit einer Krankenschwester in Bamberg, dass die öffentlichen Zahlen von Patienten auf den Intensivstationen nicht stimmten. Und das soll nicht auffliegen? "Die Presse macht das geschickt." Dass er als Politiker selbst nicht immer auf die von ihm betont wichtige Differenzierung achtet, wird in manchen Beiträgen klar, die er auf seiner öffentlichen Facebook-Seite teilt.

Die Impfkampagne wird darin als gescheitertes Massenexperiment bezeichnet, weil die Inzidenz im Sommer 2021 höher liegt als noch 2020. Wissentlich verschwiegen wird, dass die Inzidenz unter den Geimpften niedrig ist (ein Erfolg der Impfkampagne also), sich die vierte Welle unter den Ungeimpften und Jugendlichen aber stark ausbreitet.

Höcke spaltet die Partei auch im Lokalen

AfD-Aussagen würden überzogen oder umgedeutet, meint Weiß. Ist nicht genau das eine Doppelstrategie der AfD? Sich am Ende darauf zu berufen, es doch nicht so gemeint zu haben? "Vogelschiss", "1000-Jähriges-Reich", "Denkmal der Schande", "Ausschwitzen" von Gegnern und Co.? Weiß lächelt ertappt, wird dann aber bei einer Person ernst: Björn Höcke. "Ich bin nicht Befürworter seiner Art. Ich erwarte von einem Geschichtslehrer, dass er weiß, wie er sich ausdrücken muss. Er weiß, was er tut, und er weiß, wie er provoziert." Höcke spaltet auch die Partei vor Ort. Weiß will ihn nicht in seinem Kreisverband sehen.

Erst der steile Anstieg, jetzt Stagnation in Umfragewerten für die AfD. Woran liegt es? "Es wäre besser, wenn einige von uns nicht ständig vor der Kamera stehen und Kommentare abgeben", sagt Weiß.

"Die AfD ist die einzige Partei, die Deutschland noch retten kann vor dem Untergang." Der kommt für Weiß in Form der Finanzpolitik oder dem "Wahnsinn des Gendermainstreamings" um die Ecke. Weiß will das Land davor retten. Ob das klappt?

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