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Forchheim: Die Treffen der Tuner und Poser

10.7.2021, 19:47 Uhr
Forchheim: Die Treffen der Tuner und Poser

© Foto: Timo Mayer

Tiefergelegte Fahrwerke, knallige Lackierungen, extravagante Felgen: Ein Großaufgebot der Polizei auf dem Gelände des Forchheimer Globus-Supermarktes sorgte Mitte Mai bei den anwesenden Kundinnen und Kunden für Verunsicherung und Verwirrung gleichermaßen.

Ausgelöst wurde der Einsatz durch eine per Social Media koordinierte Zusammenkunft der Tuningszene aus Ober- und Mittelfranken. Ende Juni gab es nächtliche Treffen und Anwohner-Beschwerden bei Pegnitz.

Nach Absage des bekannten Szenetreffens Wörthersee 2021

Anfang Juni war es zu einer erneuten Konfrontation gekommen. Schauplatz in diesem Fall: die Fränkische Schweiz rund um das Felsenstädtchen Pottenstein. Beide Veranstaltungen stehen in Zusammenhang mit dem pandemiebedingt abgesagten Szenetreffen „Wörthersee 2021“, welches traditionell ein Highlight für viele Autoliebhaber darstellt.

Im Vorfeld wurde für die hiesigen Treffen auf Instagram, Facebook und allen voran WhatsApp immer wieder mit dem Slogan „…wir holen den See zu uns!“ geworben. Summa summarum hat die Polizei im Umfeld der beiden Treffen 25 Fahrzeuge vorübergehend stillgelegt, da ein Verdacht auf nicht eingetragene Umbauten oder Motormanipulation bestanden haben soll. Die Vorfälle markieren eine neue Eskalationsstufe des Konflikts zwischen Tunern, Polizei, und Anwohnern.

Autotuning-Community mit 5000 Followern in Forchheim

Will man verstehen, was in der Region in Sachen Tuning vonstattengeht, kommt man um einen Namen nicht herum: „The Spot Forchheim“. Allwöchentlich am Freitag um 21 Uhr wird auf der gleichnamigen Instagram-Seite (@the_spot_forchheim) der sogenannte Spot des Tages als Treffpunkt verkündet. Dabei handelt es sich um wechselnde Orte, vorwiegend Großparkplätze im Forchheimer Süden, an denen sich die Tuner versammeln.

Forchheim: Die Treffen der Tuner und Poser

© Foto: Timo Mayer

Inzwischen hat sich eine Community von über 5000 Followern gebildet, die gespannt die Ankündigungen verfolgen. In der Hochzeit der vergangenen Saison versammelten sich bis zu 500 Fahrzeuge. Vom ordinären, aber immer noch sehr beliebten VW Golf über PS-starke Mercedes-AMG-, Audi RS- oder BMW M-Fahrzeuge bis hin zu Supersportwägen wie dem McLaren 570GT oder dem Porsche 911 fand sich alles bei „The Spot“.

Kopf hinter der Seite: "Kein Veranstalter im klassischen Sinne"

Die Liebe zu ihren Autos ist auch in diesem Jahr ungebrochen, sorgt aber in Pandemiezeiten für Konfliktpotential. Der Kopf, der hinter dieser Instagram-Seite steckt und anonym bleiben will, sieht sich nicht als Veranstalter im klassischen Sinne.

Er informiert seine Community lediglich darüber, wo in Forchheim „etwas gehen könnte“, damit die Liebhaber, die häufig viel Geld in das Tuning ihrer Fahrzeuge stecken, „ihre schönen Autos präsentieren können“. Bedenken, dass sich Anwohner gestört fühlen, hat er nicht, da sich „die ausgewählten Spots immer nur an abgelegenen Industriestandorten befinden“.

Jugendliche mischen sich unter Tuner

Eine spezielle Rolle nimmt der Bereich um die Kreuzung Äußere Nürnberger Straße/Hafenstraße mit der Agip-Tankstelle Forchheim Süd im Zentrum ein. Auch unabhängig von bekanntgegebenen Spots als Treffpunkt herrscht hier an den Wochenenden viel Betrieb.

Unter die Tuner mischen sich häufig auch Jugendliche, die angesichts geschlossener Clubs und Freizeiteinrichtungen nach Alternativen suchen, um ihren Abend zu verbringen. Hier trafen wir auf Mitglieder der „Tuningszene Oberfranken“, um im Gespräch nach den Intentionen hinter den Treffen zu fragen. Marco Herold (20) kommt von Baunach nach Forchheim, um bei „The Spot“ mitzuwirken.

"Zwei bis drei Prozent tanzen aus der Reihe"

Er komme primär hierher, „um Spaß zu haben, Gleichgesinnte zu treffen und sich untereinander auszutauschen“. „Dafür nehme ich gerne die längere Strecke auf mich“. Sofern die Mindestabstände untereinander eingehalten werden und sich die Autoliebhaber besonnen sowie rücksichtsvoll gegenüber Anwohnern und anderen Verkehrsteilnehmer verhalten, hält er es für vertretbar, sich in dieser Form zu treffen. Viele andere Besucher pflichten ihm bei.

In Ergänzung zur Einhaltung des Mindestabstands wird dazu aufgerufen, Masken zu tragen, um die Sicherheit zu gewährleisten. „Zwei bis drei Prozent tanzen leider dennoch aus der Reihe und schädigen so das Image der gesamten Szene“, so das Fazit eines weiteren Beteiligten. Dies trifft nicht nur in Bezug auf die Infektionsschutzmaßnahmen zu, sondern allen voran auch auf das Verhalten im Straßenverkehr.

Echte Tuner versus Poser

Es sei wichtig, dass man zwischen „echten Tunern“ und „schlichten Posern“ differenziere. „Von dieser kleinen Gruppe dürfe nicht auf die Allgemeinheit geschlossen werden. Wir distanzieren uns von Raserei, Lärmbelästigung und jeglichen Provokationen“, heißt es in einer Mitteilung der Tuningszene Oberfranken, die im Anschluss an das Gespräch veröffentlicht wurde.

Unmut über die abendlichen Aktivitäten äußern vor allem Anwohner der nahen Äußeren Nürnberger Straße: „Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sich die jungen Leute auf den Parkplätzen treffen und austauschen, allerdings wird an manchen Tagen eine Grenze überschritten. Die Lärmbelästigung ist nicht tragbar und macht Schlafen bei offenem Fenster quasi unmöglich.“ Poser, die überflüssige Schallemissionen provozieren, sind ein Problem: Darin sind sich Tuner und Anwohner einig. Solange diese weiterhin auf den Forchheimer Straßen ihre Freizeitgestaltung betreiben, wird die Situation wohl angespannt bleiben.

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