Geboren in Turin

Neuer Oberarzt am Klinikum Forchheim ist Spezialist für Gebärmutterhalskrebs und Endometriose

17.1.2022, 06:00 Uhr
Neuer Oberarzt am Klinikum Forchheim ist Spezialist für Gebärmutterhalskrebs und Endometriose

© Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz, NN

Seit Oktober arbeitet der gebürtige Italiener in Forchheim und unterrichtet weiter tageweise an der Charité Berlin, wo der Gynäkologe seit 2007 gearbeitet und 2014 promoviert hat sowie 2015 zum Privatdozenten habilitierte.

Bei der Lehre ist ihm wichtig, seine Erfahrung aus der Praxis an die Studierenden weiterzugeben. „Und ich bin selbst noch Student, lerne täglich Neues“, sagt der 56-Jährige, der sich in seiner Doktorarbeit mit Gebärmutterhalskrebs beschäftigt hat. Ihm liegt die Vermittlung möglicher Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich am Herzen.

So möchte er etwa Kinderärzte für die sogenannte HPV-Impfung von Mädchen sensibilisieren, bevor sie den ersten Geschlechtsverkehr haben. In Australien seien 80 Prozent geimpft, in Deutschland läge die Impfquote bei nur 40 Prozent. „Es war einige Jahre ein Tabuthema“, so Vercellino.

Zu der Primär- käme dann die Sekundärprävention: ein regelmäßiger PAP-Test (Papanicolaou-Test, Abstrich von Zellen am Gebärmutterhals), der ab dem 35. Lebensjahr mit einem HPV-Test kombiniert werden kann. Auf diesem Weg könnte die Zahl dieser Krebserkrankung stark reduziert werden, denn pro Jahr sterben noch rund 1700 Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs.

Dr. Giuseppe Vercellino sieht in der sogenannten „Tailormade Medicine“ – eine auf die einzelne Patientin zugeschnittene Behandlung – die Zukunft der Medizin: „Ich habe echt eine Leidenschaft für meine Arbeit als Arzt und jede Person sollte am besten individuell betrachtet und behandelt werden.“ In Forchheim habe er wieder mehr Gelegenheit, sich dafür Zeit zu nehmen. 19 seiner 32 Jahre als Arzt habe er an der Uni verbracht, oft habe ihm die „menschliche Seite“ gefehlt.

Dass er in Forchheim gelandet ist, ist einer der vielen Zufälle seines Lebens. „Ich habe im Internet und im Ärzteblatt nach etwas Neuem gesucht und hier hat die Chemie sofort gestimmt“, sagt der Gynäkologe, der fünf Sprachen spricht.

2001 kam er durch einen ähnlichen Zufall als Fach- und Assistenzarzt an die Universitätsklinik in Jena, bevor er nach Berlin ging. In den großen Kliniken sei es Ärzten oft darum gegangen, beruflich weiter zu kommen und Karriere machen zu können. Dies sei nicht immer nur zum Vorteil der Patienten-Versorgung, so Vercellino. Das Ziel seiner operativen Tätigkeit lautet: „Der beste Chirurg ist der, der am wenigsten operiert, weil er weiß, was er operieren muss“.

Er hat sich über die Jahre zum Spezialisten für Endometriose entwickelt. Durchschnittlich sieben Jahre würden Frauen an dieser Krankheit leiden, bis sie richtig diagnostiziert wird. Die Krankheit, an der ungefähr zehn bis 15 Prozent der Frauen leiden, wird auch „Chamäleon der Gynäkologie“ genannt, weil die Symptome (Krämpfe, Übelkeit, Bauch- und Regelschmerzen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) so vielfältig seien.

Nur wenn man sich Zeit für die Patientin und ihre individuellen Beschwerden nehme, könne man die Krankheit erkennen. Es gebe keine Heilung, erst der Übergang in die Wechseljahre verschaffe Abhilfe. Aber auch hier gilt: Wichtig ist, der einzelnen Patientin gut zuzuhören, so Giuseppe Vercellino, der vergleicht: „Wenn man 50-jährige Frauen bittet, eine 100-Meter-Strecke zu laufen, werden da ganz unterschiedliche Zeiten rauskommen, weil jede ein Individuum ist.“

Auch das biologische Alter unterscheide sich. „Ich stelle gezielte Fragen. Ist die Frau sexuell aktiv? Was sind die Rahmenbedingungen? Gab es in der Familie vergleichbare Erkrankungen?“ Nur so könne er richtig helfen. Sein Credo lautet „Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“ (erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen) und ist in Verbindung mit dem hippokratischen Eid die Leitlinie seines Handelns.

Mit seiner Frau, die aus den Philippinen stammt, ist er nach Forchheim gezogen und hier „superhappy“. Er habe keine Kinder, „aber tonnenweise Nichten“. Der aus Turin stammende Mediziner kocht gerne gemeinsam mit seiner Frau, liest und verreist gerne. Und zum Ausgleich fährt er Rennrad – ohne Motor, „ohne zu schummeln“, wie er betont. In Forchheim fühlt er sich freier als in Berlin und schätze den persönlichen Kontakt mit den Menschen: „Die Leute sind sehr freundlich und ich hoffe, lange hier zu bleiben.“

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