Vogelzählung: Haben sich die Blaumeisen wieder erholt?

4.1.2021, 13:12 Uhr
Vogelzählung: Haben sich die Blaumeisen wieder erholt?

© Tony Hamblin/FLPA

Die Blaumeisen gehören zu den beliebtesten Wintergästen am Futterhäuschen. Gehackte Erd- und Walnüsse, Sonnenblumenkerne und Fett helfen den Vögeln mit dem blauen Häubchen, ihren hohen Energiebedarf bei niedrigen Temperaturen zu decken. Sie sind wahre Artisten: Als Leichtgewichte können die Blaumeisen mit ihren kräftigen Füßchen auch an äußersten Zweigspitzen herumturnen und hängend nach Insekten angeln. Der Dichter Wilhelm Busch hat das offenbar auch beobachtet – von ihm stammt die Zeile: "Hell flötet sie und klettert munter/Am Strauch kopfüber und kopfunter."

Cyanistes caeruleus, wie die Biologen die Blaumeise nennen, gehört zu den sogenannten Standvögeln. Wenn überhaupt, ziehen Blaumeisen im Winter nur kurze Strecken nach Südwesten. Allerdings befinden sich auch häufig Winterflüchtlinge aus Osteuropa in Meisenschwärmen, die gemeinsam mit Kleibern und Wintergoldhähnchen fliegen.

Etwa an Meisenringen und anderen Futterspendern lassen sie sich jetzt beobachten. Dadurch eignen sie sich gut für die bundesweite "Stunde der Wintervögel", einer Aktion, die der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gemeinsam mit seiner bayerischen Schwesterorganisation, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV), für den 8. bis 10. Januar ausgerufen hat.

"Ganz einfach durch eine Stunde Beobachtung von der eigenen Wohnung, dem Garten oder Balkon aus kann jeder mithelfen, eine detaillierte Momentaufnahme der Vogelwelt in unseren Städten und Dörfern zu ermöglichen", erklärt Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des Nabu Hessen dazu. Im Klartext heißt das: Eine Stunde gucken, zählen, wie viele Blaumeisen man in der Zeit sieht, und die Zahl an den Nabu melden.

Im Januar 2020 haben 134.000 Vogelfreunde bei der Aktion mitgemacht. Seit 2005 rufen Nabu und LBV die Bürger zweimal jährlich zur Vogelzählung auf. Bei der "Stunde der Gartenvögel" im vergangenen Mai bestätigte sich eine schlimme Vermutung: Die Zahl der Blaumeisen hatte gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent abgenommen. Auch wenn es noch geschätzt knapp acht Millionen erwachsene Tiere in Deutschland gab, war sie innerhalb eines halben Jahres von Rang drei der häufigsten Vogelarten in Deutschland auf Rang sechs abgerutscht.

Was war geschehen? Schon im März gab es viele Meldungen über kranke und sterbende Blaumeisen. Apathie, gesträubtes Gefieder, Atemnot und unstillbarer Durst waren Symptome einer akuten Lungenentzündung, der viele Blaumeisen zum Opfer fielen. Am schlimmsten war es in einem Gürtel, der von Belgien über das südliche Nordrhein-Westfalen und Mittelhessen bis ins westliche Thüringen reichte. Ursache für das Blaumeisensterben war das Bakterium Suttonella ornithocola, das erstmals 1996 in Großbritannien nachgewiesen worden war.

In Deutschland trat es erstmals im April 2018 auf. Zu einem Massensterben wie im Frühjahr 2020 kam es aber zuvor noch nie. Auch Tannenmeisen, Kohlmeisen und Schwanzmeisen waren betroffen, wenn auch nicht im selben Ausmaß wie die Blaumeisen. Kein Risiko besteht für Menschen und Haustiere. Das Bakterium ist allerdings noch nicht völlig erforscht. Es greift neben der Lunge auch den Verdauungstrakt an; man vermutet eine Übertragung durch Aerosole.


Rätselhaftes Blaumeisensterben: Jetzt steht der Erreger fest.


In England waren vor allem männliche Meisen betroffen. "Wir wünschen uns bei der Winterzählung natürlich ein besonderes Augenmerk auf die Blaumeisen", sagt Markus Erlwein, Pressesprecher beim LBV. Wie es ihnen mittlerweile geht, wissen auch er und seine Mitarbeiter beim Landesbund für Vogelschutz nicht genau. Aber eines ist ihm wichtig: "Wir sollten frühzeitig sagen, wenn etwas falsch läuft, und nicht immer warten, bis ein Vogel die Rote Liste erreicht." Eine gefährdete Art ist die Blaumeise nicht. Aber Erreger wie das neue Bakterium machen die Vogelschützer besorgt.

Die von der neuartigen Vogelkrankheit betroffenen Blaumeisen fielen unter anderem durch ihr gesträubtes Gefieder auf. 

Die von der neuartigen Vogelkrankheit betroffenen Blaumeisen fielen unter anderem durch ihr gesträubtes Gefieder auf.  © Otto Schäfer, Nabu

Auch Amseln und Grünfinken sind in den vergangenen Jahren häufig an Krankheiten verendet, etwa an dem Usutu-Virus, das von Mücken übertragen wird und mit dem West-Nil-Virus verwandt ist, und an Trichomonaden, die sich an verkoteten Vogelhäuschen breitmachen. Wer also Vögel füttert, sollte die Futterstellen sauber halten oder besser auf Futterspender zurückgreifen.

Für Experten ist nun spannend herauszufinden, ob der Effekt der Blaumeisen-Epidemie auch im Winter noch spürbar ist: "Wir hoffen, dass die Meisen die Verluste durch ihre Bruten im Sommer zumindest teilweise ausgleichen konnten", erklärt Eppler.

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