Mieter und Eigentümer sind sauer

Wasserschäden, Bauverzögerungen und Co.: Immer mehr Beschwerden über die Alte Spinnerei in Forchheim

Philipp Peter Rothenbacher

Nordbayerische Nachrichten Forchheim-Ebermannstadt

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10.10.2020, 12:24 Uhr
„Das alles sieht eher wie eine Justizvollzugsanstalt aus“, meint ein Vermieter beim Blick auf die Alte Spinnerei.

© privat „Das alles sieht eher wie eine Justizvollzugsanstalt aus“, meint ein Vermieter beim Blick auf die Alte Spinnerei.

Im Prospekt sieht alles gut aus: Rund 130 moderne Appartements und Penthäuser, je 50 bis über 170 Quadratmeter groß, fügen sich harmonisch in das industriegeschichtlich reizvolle Areal der alten Forchheimer Spinnerei. Ein riesiger Neubaukomplex, in naturnaher Umgebung am Wiesentkanal. Doch es sind nur computergenerierte Grafiken, die eine Realität zeigen, die es auf dem 70000 Quadratmeter großen Gelände an der Bayreuther Straße in dieser Form nicht gibt.

Die „Cotton Lofts“ (zu deutsch: Baumwoll-Wohnungen), ein Projekt des Immobilieninvestors „EcoLoft“, sorgen für Ärger. Wie berichtet, war das Großvorhaben schon im Vorfeld problembehaftet: Der Baubeginn verzögerte sich im Zuge eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der „Wiesent-Center GmbH“, die das Spinnereigelände 1999 gekauft hatte. So wurde aus dem Bezug der neuen Wohnungen, ursprünglich für Ende 2017 anberaumt, erst mal nichts. Querelen mit Architekten und Baufirmen folgten, die Umgestaltung der Industriehalle zu zeitgemäßem Wohnraum erwies sich technisch aufwendig. Erst Ende 2018 konnten die ersten Käufer Wohnungen übernehmen, Mieter zogen in die teils hochpreisigen Lofts ein.

Leidgeprüften Miete

Nach Angaben des Bauträgers von 2019 betrug das Verkaufsvolumen allein für die Spinnerei-Appartements rund 33 Millionen Euro. Zuletzt wurde als Termin für die vollständige Fertigstellung des Komplexes der September 2019 genannt. Mitnichten sei das der Fall, berichtet nun ein Loft-Eigentümer den NN. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, vielleicht aus gutem Grund. Denn bei diesem Projekt scheint vieles im Argen zu liegen. „Seit einem Jahr habe ich einen leidgeprüften Mieter in der Wohnung“, erzählt der Eigentümer.

Die Tiefgarage ist beispielsweise bis heute nicht freigegeben. „Wir haben dort Wasser, das durch die Wände sickert, sogar der Garagenboden ist nass. Wir haben Wasserin den Kellern, Wasserschäden in einzelnen Appartements.“ Bei Regen spritze es manchmal aus offenen Leitungsschächten. „Und das sind nur die gröbsten Mängel.“ Als der Verzug immer offensichtlicher wurde, habe EcoLoft versucht, „uns die Wohnungen im Rohbau zu übergeben“, so der Eigentümer. Die „Machenschaften“ des Investors seien intransparent, auf Anfragen erhalte man verspätet oder gar keine Antwort. Man stoße, sagt der Vermieter, auf ein Geflecht aus Firmen und Beteiligten.

Hier wird es kompliziert: Firmensitz der „EcoLoft Gruppe AG“ ist in Nürnberg. Dabei handelt es sich um eine Art Holding, zu der eine ganze Reihe von GmbHs gehören, die „EcoLoft“ im Namen tragen. Es gibt aber auch eine „Wiesent Center AG“, registriert beim Amtsgericht Charlottenburg (Berlin). Dokumente, die der Redaktion vorliegen, belegen, dass die ehemalige „EcoLoft AG“ mit Sitz in Forchheim seit Ende 2019 unter dem Namen „Wiesent Center AG“ mit Sitz in Berlin firmiert. „Der rechtliche Namen und der Sitz wurden also geändert, aber uns Vermietern hat man davon nichts gesagt“, erzählt der Wohnungseigentümer.

Dachterrassen-Baustelle auf der Nordseite des Gebäudekomplexes: Regenwasser läuft über Behelfsrohre aufs Dach der direkt angrenzenden Supermärkte.

Dachterrassen-Baustelle auf der Nordseite des Gebäudekomplexes: Regenwasser läuft über Behelfsrohre aufs Dach der direkt angrenzenden Supermärkte. © privat

Was weiß man bei der Stadt über diese Vorgänge? Auf Nachfrage antwortet OB Uwe Kirschstein: „Bauherrin dem Bauordnungsamt gegenüber ist weiterhin die EcoLoft AG, geschäftsansässig in Nürnberg. Ein Wechsel des Bauherrn wurde dem Bauordnungsamt gegenüber nicht angezeigt.“ Allerdings, so der OB, seien tatsächlich baurechtliche Vorgaben missachtet worden. Konkret: Die Tiefgarage war zum Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme der Wohnungen nicht fertiggestellt. Doch mit Blick auf die Bewohner, die bereits eingezogen waren, habe das Bauordnungsamt diesen Zustand „zunächst hingenommen“, so Kirschstein, „da eine mögliche Anordnung zur Nutzungsuntersagung der Wohnungen primär die Käufer und Bewohner der Wohnungen träfe – nicht jedoch die Vorhabenträgerin“.

Infolge der Mängel und vielen offenen Fragen hat sich vor drei Monaten eine Interessengemeinschaft unter 20 Wohnungseigentümern gegründet. Klagen laufen, Strafanzeigen gegen den Bauträger wurden gestellt, Vorwürfe wie Betrug und Insolvenzverschleppung stehen im Raum – was die EcoLoft beziehungsweise Wiesent Center AG vehement abstreitet (siehe unten).

Die Tiefgarage befindet sich ebenfalls noch im Bau.

Die Tiefgarage befindet sich ebenfalls noch im Bau. © privat

Wenig Positives berichtet eine Mieterin, die seit Mitte 2019 in einer der Wohnungen des Spinnerei-Komplexes lebt: „Zum Beispiel sind bei mir keine Jalousien an Fenstern und Türen, obwohl sie vom Vermieter bereits in Vorleistung bezahlt wurden. Deristfreilich sauer.“ Als sie einzog, habe die Badezimmertüre gefehlt. „Ich konnte nicht mal duschen.“ Erst auf vielfachen Druck des Vermieters habe sich der Bauherr gerührt. An den Flurwänden, erzählt die Frau, klebten noch Schutzfolien an den Leisten, viele Abschnitte seien nicht verputzt, einige Treppenhäuser „sehen aus wie ein Rohbau“ – inklusive Baugerüsten. Und unlängst habe sie – neben Wassereinbrüchen – auch Risse im Kellerboden entdeckt. „Ich vermute stark, dass hier etwas mit der Drainage nicht stimmt.“

„Die haben hier nichts als Ärger“

Mieter sollen bereits aus Wohnungen wieder ausgezogen sein, weil es dort zu Schimmelbildung gekommen sei, erzählt sie. Das bestätigt auch der Appartement-Eigentümer. Auf der Nordseite des Gebäudes, die direkt an die Rewe- und NormaMärkte angrenzt, sind die Terrassen, die auf dem rückwärtigen Teil des Supermarktdaches entstehen, weiterhin Baustellen. „Obwohl man uns beim Einzug gesagt hat, das wird ,in Kürze‘ gemacht“, sagt die Bewohnerin. Sie sei froh, dass sie „nur“ Mieterin ist – und keine Wohnungseigentümerin oder einer der Supermarktbetreiber. Denn: „Die haben hier nichts als Ärger.“

Das kann Uwe Weyrich nur bejahen. Als Immobilienverwalter der Firma Treureal Property Management kümmert er sich um das Supermarktgebäude. Schon lange befinde man sich im Streit mit der EcoLoft/Wiesent Center AG, erzählt er. Zwar gebe es seit Planungsbeginn eine gemeinsame Vereinbarung und eine baurechtliche Genehmigung zur Errichtung der Loft-Terrassen auf dem Supermarktdach. Deren Umsetzung führe allerdings seit Jahren zu Problemen: So habe der Bauherr die meisten der vorhandenen Ablaufgullys auf dem Flachdach im Zuge des Terrassenbaus Anfang 2018 mit Betonplatten verschlossen. „Neue Abläufe sind aber bis heute nicht gebaut“, sagt Weyrich. Bestehende Regenfallrohre seien gekappt und ihre Deckendurchgänge versiegelt, Dämmungen und Dichtungen entfernt worden.

Weyrich: „Die Entwässerung des gesamten Regenwassers vom angrenzenden Teil des Loft-Gebäudes läuft seitdem über unser Dach.“ Immer wieder komme es daher zu Wasserschäden im Supermarkt. „Weil nichts vorangeht und sich der Bauherr kaum gesprächsbereit zeigt, haben wir jetzt Klage eingereicht.“ Dass die EcoLoft/Wiesent Center AG diesbezüglich den schwarzen Peter auf die Eigentümer der Supermarktgebäude schiebt, sei „völlig aus der Luft gegriffen“, so Weyrich. Derweil ist die ursprünglich angepriesene Aussicht mit Kanal-Promenade auf der rückwärtigen Seite der Wohnanlage ziemlich ernüchternd. Lange gab es keine Abzäunung zwischen Kanal und den Appartement-Terrassen. „Wenn kleine Kinder zu Besuch waren, mussten die Verandatüren zu bleiben“, erzählt der Vermieter. Erst kürzlich wurde ein Metallzaun am Ufer gebaut, der deutlich von dem abweicht, was im Prospekt zu sehen war.

Begrenzungen zwischen einzelnen Terrassen in Form schicker weißer Quader gibt es ebenfalls keine. Die alte Brücke über dem Kanalrostet vor sich hin, über sie laufen könnte man auch gar nicht: der neue Metallzaun versperrt den Zugang. „Das alles sieht eher wie eine Justizvollzugsanstalt aus“, meint der Vermieter.

Das sagt der Bauherr zur Kritik

Auf Nachfrage teilt Maurice Olivier, Vorstand der EcoLoft Gruppe AG, mit: „Zunächst möchten wir klarstellen, dass die Bauträgergesellschaft, die die Spinnerei umsetzt, als Wiesent Center AG firmiert und kein Teil der EcoLoft Gruppe ist. Lediglich bei den Organen gibt es Gemeinsamkeiten.“

Zu den Mängeln bei den Cotton Lofts sagt er: „Das Gebäude Halle 7 der ehemaligen Spinnerei, in dem sich die Wohnungen befinden, ist fertiggestellt. Die Wohnungen sind bewohnt.“ Anders als behauptet, seien auch die Außenanlagen am WiesentKanal fertiggestellt. Olivier: „Tatsächlich ist die Tiefgarage noch nicht freigegeben. Ebenso sind die Dachterrassen auf dem Dach der Supermärkte noch nicht fertiggestellt.“ Beides hänge damit zusammen, dass der Eigentümer der Supermarktflächen „rechtswidrig“ seit zwei Jahren Druck ausübe, „um für seine Baugenehmigung zur Erweiterung der Supermärkte Stellplatzdienstbarkeiten an Stellplätzen zu erhalten, die im Eigentum von EcoLoft Gesellschaften stehen“.

Dieser Vorwurf wird vom Supermarkt-Verwalter zurückgewiesen. „Die Fertigstellung der Tiefgarage werden wir dennoch in Kürze erreichen“, so Olivier. Und: „Die Behauptung der Zahlungsunfähigkeit ist falsch! Wir haben unsere Handwerker alle gezahlt.“ Olivier weiter: „Einzelne Eigentümer verlangen Verbesserungen und behaupten Mängel. Dies ist jedoch bei einem denkmalgeschützten Sanierungsobjekt aus dem Jahr 1890 mit zirka 10000 Quadratmetern Wohnfläche absolut üblich. Leider ist es unmöglich, fast 100 Käufer und fast 80 Mieter gleichermaßen zufriedenzustellen.“

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