Fränkische Boa: Biologe entdeckt seltene Natter im Nürnberger Land

25.10.2019, 21:47 Uhr
Kaum länger als ein Finger: Das Jungtier hat Biologe Andreas Hecker bei Rummelsberg entdeckt.

© Magdalena Gray Kaum länger als ein Finger: Das Jungtier hat Biologe Andreas Hecker bei Rummelsberg entdeckt.

Schlangen sind wie Pilze: Sie kommen oft in Paaren. Manche sind giftig, andere nicht und für den Laien sehen sie völlig gleich aus. Gut, sammeln und essen sollte man keines der Reptilien. Das würde im Fall der Schlingnatter und ihrem optischen Zwilling, der Kreuzotter, auch schwierig.

Beide sind in Bayern stark gefährdet und sehr selten. Seit Jahren gehen die Bestände kontinuierlich zurück. Biologe Andreas Hecker hat vor Kurzem dennoch eine junge Schlingnatter im Wald zwischen Schwarzenbruck und Rummelsberg gefunden. Eine Nachbarin entdeckt kurz nach ihm ein weiteres Jungtier an ähnlicher Stelle. Leider sind beide tot. Hecker ist trotzdem begeistert als er per Anruf von dem zweiten Fund erfährt. „Wo Kleine sind, da sind auch Große“, hofft er.

Verwechslungsgefahr mit Kreuzotter

Die kleine Natter zählt zu den weniger bekannten der heimischen Kriechtiere. Ausgewachsen misst die Schlange nicht mehr als 60 bis 75 Zentimeter. Im Vergleich zur Kreuzotter ist sie schlank und eher unscheinbar. Mit ihren grau-braunen Rückenschuppen ist sie perfekt getarnt. Ihre dunkle durchbrochene Zeichnung wird oft mit dem charakteristischen Zickzackmuster der Kreuzotter verwechselt.


Mehrere Kreuzottern am Feuchter Jägersee gesichtet


Anders als ihre giftige Kollegin ist die Schlingnatter jedoch harmlos. Selbst bei Gefahr setzt sie eher auf Tarnung und Flucht. Nur wenn sie keine Fluchtmöglichkeit sieht, geht sie zum Angriff über. Dabei rollt sie sich zusammen und richtet den Oberkörper auf. Aus dieser Position kann sie sehr schnell zubeißen. Hecker rät daher: Sollten Spaziergänger tatsächlich eine Schlange zu Gesicht bekommen, empfiehlt es sich, das Reptil von der Seite zu betrachten und nicht von oben darauf zu schauen.

Bahndämme und Steinbrüche als Revier

Das gefährdete Kriechtier bevorzugt warme, recht offene Gebiete. Deutschlandweit siedeln sich Schlingnattern daher gern in Weinbergen, Sandflächen, Kalkmagerrasen und Trockenmooren an. Auch von Menschen geschaffenes Gelände, wie Bahndämme oder Steinbrüche dienen ihnen als Revier.

Im südlichen Nürnberger Land haben Biologen die Schlangen zwischen ICE-Trasse und Autobahn auf Höhe Feucht und an der Brücke über die A9 bei Fischbach nachgewiesen. Auch der lichte Kiefern-Mischwald bei Rummelsberg, wo Hecker sein Exemplar entdeckt hat, ist mit den beiden Stromleitungsschneisen ein idealer Lebensraum. Durchs dortige Heidekraut und die Blaubeerbüsche huscht auch die Leibspeise der Natter: die Zauneidechse.

Auch andere Reptilien wie Blindschleichen oder junge Schlangen, auch der eigenen Art stehen auf dem Speiseplan. Ergänzt wird dieser gelegentlich durch die ein oder andere Maus oder Amphibie. Schlingnatter gehört zu den Würgeschlangen. Während sie kleinere Tiere lebend schluckt, umschlingt sie größere Beute mit ihrem Körper und erdrosselt diese – daher der Name.

Ortsumfahrung führt direkt durch Lebensraum

Durch die Verwechslung mit der Kreuzotter wurde die Schlingnatter lange Zeit verfolgt und getötet. Auch heute fallen Giftschlangen oder solche, die dafür gehalten werden, gelegentlich der Angst der Menschen zum Opfer. Die weit größere Gefahr geht allerdings von der fortschreitenden Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums aus. Starke Bebauung und intensive Landwirtschaft lassen den Schlingnattern immer weniger Platz. Hecker fürchtet daher auch, was sich mancher Schwarzenbrucker sehnlich wünscht: die Umgehungsstraße. Sie würde direkt durchs Schlingnatterngebiet schneiden. "Das wäre eine Katastrophe!"

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