Erlanger THW-Helfer berichtet

Fränkischer Einsatz im Flutgebiet: Ein Wechselbad der Gefühle

22.7.2021, 06:00 Uhr
Am vergangenen Donnerstagabend kam der Einsatzbefehl für die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen des THW-Ortsverbands Erlangen. Inzwischen sind die zwölf Helfer der Einheit zurückgekehrt.

© Klaus-Dieter Schreiter Am vergangenen Donnerstagabend kam der Einsatzbefehl für die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen des THW-Ortsverbands Erlangen. Inzwischen sind die zwölf Helfer der Einheit zurückgekehrt.

Über hellseherische Fähigkeiten verfügt er nicht, versichert Friedemann Splitt.

Aber im Rückblick ist der Gruppenführer beim Technischen Hilfswerk (THW) Erlangen in jedem Fall froh, dass er nach dem Hochwassereinsatz im Kreis Neustadt/Aisch vor gut zehn Tagen "noch alle reingetrieben hat", um die Gerätschaften herzurichten und so die Einsatzbereitschaft der Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen schnell wieder herzustellen.

Denn nur ein paar Tage später kommt tatsächlich ein Einsatzbefehl für die drei Frauen und neun Männer.

Gegen 23 Uhr am vergangenen Donnerstagabend machen sie sich mit ihren schwer beladenen Fahrzeugen auf den Weg nach Nordrhein-Westfalen. "Und ich habe noch gesagt, ich möchte ungern Recht behalten", sagt der 32-Jährige.

Straßen voller Schutt

Vor Ort führt sie der erste Einsatz zu einem vollgelaufenen Altenheim und einer gefluteten Tiefgarage in Erftstadt.

Es geht durch Straßen voller Schutt, mit Menschen in Aufruhr, es gibt keinen Strom, überall sind Hilfskräfte, die Bundespolizei ist unterwegs und auch die Bundeswehr mit Bergepanzern.

Der Anblick von schwerem militärischem Gerät, dass die Erde beim Vorüberfahren erzittern lässt, hinterlässt bei Splitt einen nachhaltigen Eindruck, wie er sagt.

Der junge Mann ist seit 2004 beim THW, seit 2016 leitet er die Fachgruppe, die vor allem auch auf die Hilfe bei Überflutungen spezialisiert ist.

Splitt hat miterlebt, wie 2007 der Landkreis Forchheim überschwemmt wurde und 2013 Niederbayern regelrecht in den Fluten versank, 2016 Stadt und Landkreis Ansbach von enormen Unwettern heimgesucht wurden.

Leid bleibt Leid

"Es ist immer fürchterlich, weil jedes Mal Existenzen vernichtet worden sind", sagt Splitt. Es verbiete sich daher eigentlich, eine Katastrophe mit der anderen zu vergleichen, individuelle Schicksale. Leid kann nicht gegeneinander aufgewogen werden.

Dennoch sei das, was er in Nordrhein-Westfalen erlebt habe, "gefühlt eine Stufe härter" als alles bisherige gewesen, sagt er.

Das Adjektiv "surreal" beschreibe den Anblick des Katastrophengebiets am besten, aus dem er und seine Einheit seit Dienstag dieser Woche wieder zurück sind, so Splitt.

Auch blieb vor Ort nicht alleine dabei, Wasser abzupumpen. Als klar wurde, dass das Altenheim in Erftstadt schwer beschädigt war und die Bewohner nicht bleiben konnten, half das Pumpenteam bei der Evakuierung.

Persönliche Betroffenheit

Die Senioren in ihrer Unsicherheit zu erleben oder auch mit Menschen zu sprechen, deren Haus einfach unter dem Druck der Wassermassen zusammenstürzte, hat Splitt betroffen gemacht.

Ebenso wie das Ersuchen der Feuerwehrlöschgruppe "Liblar" in Erftstadt. "Nachdem die tagelang unermüdlich geholfen haben, kamen die abends und wollten sich eine Pumpe ausleihen - damit sie anfangen können, ihre eigenen Häuser leer zu pumpen", so Splitt.

Das sei für ihn die andere Seite der Arbeit im Katastrophengebiet gewesen, sagt Splitt. "Da gab es viel Hilfsbereitschaft. Leute, die mit ihren Autos voller Getränke kamen. Eine Heerschaar von Landwirten aus Niedersachsen, die unermüdlich geholfen haben."

Der Einsatz sei deshalb "herzzerreißend und herzerwärmend" zugleich gewesen, so Splitt.

Individuelle Aufarbeitung

Mit dem Erlebten gehe jeder ehrenamtliche Helfer anders um. "Ich persönlich brauche da so zwei Tage, um runterzukommen, das steckt mir auch körperlich in den Knochen", sagt der THW-Gruppenführer.

Danach helfe ihm am besten der strukturierte, normale Alltag als Kfz-Servicetechniker. "Das Leben geht normal weiter". Bis zum nächsten Einsatz.

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