Arbeitsmarkt in Fürth: "Was wir erleben, ist ohne Beispiel"

11.5.2020, 10:44 Uhr
Arbeitsmarkt in Fürth:

© Foto: Sina Schuldt/dpa

Vor wenigen Wochen noch hatte niemand damit gerechnet, dass Arbeitsmarktexperten im Frühjahr 2020 derart Düsteres zu verkünden haben würden: Die Bundesrepublik erlebe die größte Rezession seit ihrer Gründung. Noch nie in ihrer Geschichte habe die Zahl der Arbeitslosen bundesweit binnen eines Monats so einen Sprung gemacht, sagte Detlef Scheele, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Ende April: um 308.000 auf 2,644 Millionen Menschen.


Nürnberg: Bundesagentur für Arbeit im Ausnahmezustand


Dem Sozialstaat, speziell dem Instrument Kurzarbeit, ist es zu verdanken, dass Deutschland weit entfernt von Dimensionen wie in den USA ist, wo im Zuge der Corona-Krise 30 Millionen Menschen ihren Job verloren haben. Dennoch ist auch in der Fürther Agentur für Arbeit der Ton ernst: "Was wir alle momentan erleben, ist ohne Beispiel", sagt Thomas Dippold, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur. Und Sprecher Jürgen Wursthorn drückt es so aus: "Es ist eine andere Welt geworden." Die coronabedingten Turbulenzen nennt er "gewaltig".

Stärker sogar als befürchtet sei die Arbeitslosigkeit im Agenturbezirk gestiegen, zu dem neben Stadt und Landkreis Fürth auch Erlangen und die Landkreise Erlangen-Höchstadt und Neustadt/Aisch-Bad Windsheim gehören: Binnen kürzester Zeit gibt es hier fast 25 Prozent mehr Menschen ohne Job als vor einem Jahr, betroffen seien Arbeitnehmer aus fast allen Branchen und Betrieben aller Größen. Der einzige Trost dabei sei, so Wursthorn, "dass wir mit einem sehr guten Arbeitsmarkt in die Krise hineingerutscht sind".

Dippold betont ebenfalls: Auf die außerordentlich positive Entwicklung des Jobmarkts in den vergangenen Jahren ist es zurückzuführen, dass die Arbeitslosenquote mit 3,6 Prozent im Agenturbezirk weiter relativ niedrig sei. Es bleibe zu hoffen, ergänzt Wursthorn, dass mit Hilfe der Kurzarbeit ein weiterer dramatischer Anstieg der Erwerbslosenzahlen verhindert und möglichst viele Existenzen "von Betrieben und Beschäftigten" gesichert werden können.

Mit Wucht setzte Mitte März die Nachfrage nach dem Kurzarbeitergeld ein, "heftiger" als in der Finanzkrise, sagt Wursthorn, eben weil Corona so viele Branchen trifft. Bis Ende April hat die Fürther Agentur schon 4088 Anzeigen für Kurzarbeit geprüft – dahinter stehen mehr als 61000 Beschäftigte. Inzwischen dürften rund 5000 Anfragen vorliegen. Damit habe jeder dritte Betrieb Kurzarbeit beantragt.

In der Agentur hat die Bearbeitung der Anträge Priorität: Das Team sei 15-mal so groß wie sonst. Mit zweitägigen Schulungen wurden Kollegen aus anderen Bereichen fit gemacht.

"Noch keine Katastrophe"

Ein Blick auf den Großraum: In Erlangen wuchs die Arbeitslosigkeit im April vergleichsweise moderat; die Quote stieg auf 3,9 Prozent, von 3,6 im April 2019. Ein Grund könnte Wursthorn zufolge der hohe Anteil akademischer Stellen sein. Die Städte Nürnberg (von 5,2 auf 6,2 Prozent) und Fürth (von 4,9 auf 5,7 Prozent) hingegen müssen einen deutlichen Sprung verkraften. In Fürth wurde man damit binnen sechs Wochen um etwa drei Jahre zurückgeworfen, sagt der Agentursprecher: auf das Niveau vom April 2017 (5,5 Prozent). Allerdings macht er klar: Eine Katastrophe sei das noch nicht, 2017 war der Arbeitsmarkt schon viel stärker aufgestellt als etwa 2010 (8 Prozent).

Im Fürther Landkreis ist mit einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent das Level von 2016 erreicht. Vor einem Jahr konnte man sich hier noch über 2,5 Prozent freuen.

In der Stadt Fürth waren im April 4315 Menschen arbeitslos gemeldet – 18,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Im Landkreis verzeichnete man 2038 Menschen ohne Job – 24,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Hier wie dort war statt der üblichen Frühjahrsbelebung der Shutdown zu spüren: Die Personalnachfrage ist eingebrochen, deutlich weniger offene Stellen werden gemeldet.

Die Experten gehen davon aus, dass die Krise den Arbeitsmarkt nachhaltig prägen wird. Entscheidend werde sein, wie die Lockerungen vonstatten gehen. Es handle sich allerdings um eine ganz neue Situation: "Wir haben nichts annähernd Vergleichbares erlebt", sagt Wursthorn.

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