Besorgt: Fürther Dekan ruft nach Lockdown für die Kirchen

15.12.2020, 05:55 Uhr
Besorgt: Fürther Dekan ruft nach Lockdown für die Kirchen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die Kirchen haben bereits kreative Konzepte für die Weihnachtsfeiertage in diesem Ausnahmejahr entwickelt. Fürths katholischer Dekan André Hermany aber spricht sich nun für einen "Lockdown aller Gottesdienste" aus.

Als "Pfarrer und Dekan" plädiere er für einen solchen Lockdown, erklärte Hermany auf seiner Facebook-Seite. Bewegt dazu habe ihn eine E-Mail, die er von seinem Organisten bekam, sagte er den FN. "Die hat mich sehr aufgerüttelt."


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Der Organist ist hauptberuflich als Arzt und Radiologe in einem Krankenhaus im Großraum tätig. "Unsere Klinik quillt mit Corona-Patienten über", schreibt er. Eindringlich schildert er, wie sehr das auch ihn und seine Kollegen fordere, tagsüber wie nachts, medizinisch und seelisch. Seine Worte lassen keinen Zweifel: Das Gesundheitspersonal erlebt viel Leid, viel Sterben in diesen Tagen.

Zusammenkünfte von Menschen für Gottesdienste scheinen ihm deshalb momentan nicht mehr vertretbar, sagt der Mann – so sehr er jeden verstehe, der findet, dass Religion "Kraft und Zuversicht gibt". Er schätze die Hygienekonzepte, die überall entwickelt wurden, und wisse, wie "vorbildlich" sie etwa in Cadolzburg umgesetzt würden. Trotzdem ist er voller Sorge, dass Messen zu neuen Infektionen führen – umso mehr, weil viele Kirchenbesucher wegen ihres Alters zur Risikogruppe gehören.

Weil er zudem durch seine Arbeit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist, könne er auf absehbare Zeit nicht mehr an Gottesdiensten mitwirken. Das alles hat Hermany nachdenklich gemacht.

Ganz wohl sei ihm inzwischen nicht mehr beim Gedanken, dass sich Gläubige versammeln, ob es nun innen (mit Anmeldung und Abstand) oder im Freien ist. "Eigentlich wäre es mir lieber, wir hätten auch als Kirche den Schneid, die Feiern abzusagen", sagt er nun.


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Die Botschaft wäre: "Jeder achtet das Wohl des anderen höher als sich selbst." Und es wäre im harten Lockdown ein "Zeichen der Solidarität" mit all den Läden, Betrieben, Einrichtungen, die schließen müssen.

Warum, fragt sich der Dekan, haben Kirchen ein Sonderrecht? Sei das gut? "Ich habe heuer schon mehr Beerdigungen erlebt als sonst, darunter waren nicht wenige Corona-Tote."

Hermany plant keinen Alleingang

Hermany erinnert sich an Ostern, als es auch ohne Gottesdienste gehen musste. Sicher, Weihnachten sei ein besonders emotionales Fest. Aber die Geburt Jesu zu feiern, "das ist nicht an den Altar gebunden". Man könnte die Kirchen offen lassen, für alle, die hier ein paar Minuten verbringen, eine Kerze anzünden möchten. Es gebe zudem toll vorbereitete Fernseh-Gottesdienste oder Live-Streams.

Hermany stellt allerdings klar: Er wird sich an die geltenden Regelungen halten, nicht im Alleingang Gottesdienste absagen. Bislang sind sie erlaubt, es gilt durchgehend eine Maskenpflicht für alle und ein Gesangsverbot.

Evangelischer Dekan: Es läuft gut

"Man kann aus Liebe zu den Menschen Gottesdienste absagen – aber man kann sie auch aus Liebe zu den Menschen halten", sagt derweil Fürths evangelischer Dekan Jörg Sichelstiel. Heuer gebe es vielfältige Möglichkeiten, zuhause Kirche zu erleben, auch Anleitungen dafür und Liedtexte können mitgenommen werden.

"Aber es gibt eben auch Menschen, für die es ganz wichtig ist, an Heiligabend in die Kirche zu gehen." Die Gemeinden, so Sichelstiel, haben die Gottesdienste sehr sorgfältig vorbereitet, "wir haben uns viele Gedanken gemacht". Angebote in den Kirchen und im Freien werden gemacht.


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Unter dem Eindruck der neuen Beschränkungen werde man die Konzepte noch einmal überprüfen. An Absagen aber denke man nicht. "Wir haben in den letzten Wochen viel Erfahrung gesammelt, es läuft gut". Es sei freilich bitter, dass nicht gesungen werden darf – behelfen aber könne man sich zum Beispiel, wie zuletzt in St. Michael, mit kleinen Ensembles. "Das ist auch schön."

Wichtig sei ihm vor allem eins, sagt Sichelstiel mit Blick auf Hermanys Vorstoß: "dass wir uns die Entscheidungen nicht gegenseitig vorhalten" und kein moralischer Druck entstehe.

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