Unmut in Prio-Gruppe drei

Corona-Impfreihenfolge: Und wann bin ich dran?

20.5.2021, 11:00 Uhr
Corona-Impfreihenfolge: Und wann bin ich dran?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Wer ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Corona-Infektion hat, also zur Vorranggruppe drei zählt und schon lange auf einen Impftermin wartet, sitzt zurzeit wie auf Kohlen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die Aufhebung der ursprünglich nach ethischen Grundsätzen festgelegten Reihenfolge in Praxen und Impfzentren ab 7. Juni angekündigt. In Bayern müssen sich von heute an nur noch Impfzentren daran halten, .


Holetschek: Bis 7. Juni fast keine Erstimpfungen in Bayern


Eine Entwicklung, die "wir mit Verwunderung und weit entfernt von Begeisterung betrachten", kommentiert Klaus Meyer von der AGNF, die das Fürther Zentrum betreibt. Mit wachsender Sorge hat das zuletzt auch Georg M. beobachtet. Der 67-jährige Fürther und seine Frau sind längst registriert, doch ein Termin war weit und breit nicht in Sicht.

M. fragte im Impfzentrum nach. "Zu wenig Impfstoff", hieß es. Aber wie kann es dann sein, meint er, dass die Stadt dazu aufruft, sich impfen zu lassen – mit Aufklärungskampagne und mehrsprachigen Videoclips?

Meyer sagt, sein Team verabreiche derzeit pro Woche 5500 Dosen von Biontech/Pfizer, weit weniger als die angekündigten 6800. Hinzu kämen konstant 1100 bis 1300 Dosen Moderna und stark schwankende Mengen Astrazeneca, das Impfzentren nur noch für Zweittermine einsetzen dürfen. Am Mittwoch beispielsweise gingen im Fürther Zentrum zu 90 Prozent Zweit- und zu zehn Prozent Erstimpfungen über die Bühne.

Erfreulich sei zwar, so der ärztliche Leiter Dr. Michael Hubmann: "Wir müssen bisher keinen zugesagten Ersttermin verschieben." Doch werde es bald zur "Kunst, die Brosamen dafür zusammenzukratzen".

Von Sonderkontingenten für 22 bayerische Städte und Landkreise profitiert jetzt aber auch Fürth. Die Stadt hat 1600 Fläschchen Johnson & Johnson erhalten. Das Vakzin entfaltet schon nach einmaliger Gabe die volle Wirkung. Verabreichen werden es voraussichtlich ab kommender Woche niedergelassene Ärzte und Teams des Impfzentrums.

Mitarbeiter im Impfzentrum angespuckt

Laut Stadtsprecherin Susanne Kramer soll das Serum vor allem Bedürftigen, aber auch Leuten über 60 zugute kommen, die zwar registriert sind, aber noch nicht zum Zug kamen.

Die, so Meyer mitfühlend, inzwischen beim Warten "ein bisschen Spinnweben ansetzen". Ihren Frust kann er verstehen. Nicht aber die Aggression, die mitunter damit einhergeht. Weil die Impfzentren noch an die Priorisierung gebunden sind, dienten sie manchen Menschen regelrecht als "Blitzableiter". Kürzlich habe ein Bürger einen Mitarbeiter sogar angespuckt. Meyers Kollege Sebastian Habicht hatte sich direkt nach der Ankündigung der Prio-Freigabe ausschließlich bei niedergelassenen Ärzten irritiert gezeigt.

Hubmann beklagt, dass die Vorranggruppe drei wächst und wächst, weil immer neue Berufsgruppen ihre Aufnahme durchsetzten. Auch von daher werde der Kreis jener, die an der Reihe wären, aber noch nicht zu einem Impftermin eingeladen wurden, nicht kleiner. Der Arzt spricht von "stabil knapp 20 000 Personen".

Fachlich und organisatorisch hält Hubmann die Priorisierung nicht mehr für sinnvoll. Ginge es nach ihm, würde zumindest die Nachweispflicht für Höherstufungen durch eine unbürokratische Selbstauskunft ersetzt. Für heikel hält er auch eine emotionale Schieflage, die die so genannte Systemrelevanz mit sich brachte: Viele bezögen diese direkt auf sich. Motto: Jeder ist systemrelevant, warum bin ich es nicht? Doch das gehe nicht an. "Wir müssen sagen, jeder ist uns gleich viel wert."

Was wird, wenn Bayern auch die Priorisierung für Impfzentren aufhebt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um an einen Termin zu gelangen. Die Eheleute M. jedenfalls wurden jetzt (erst-)geimpft, bei einem niedergelassenen Arzt.

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