Fünf Wochen nach der Flut

Das Hochwasser hat in Wilhermsdorf tiefe Spuren hinterlassen

12.8.2021, 11:00 Uhr
Das Hochwasser hat in Wilhermsdorf tiefe Spuren hinterlassen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Den 9. Juli wird Ursula Ritter wohl nie vergessen: Es ist Freitagmittag, als sich die Zenn in einen reißenden Fluss verwandelt, der das Grundstück der Familie nicht verschont. Das Wasser spült den Sandkasten und das Klettergerüst im Garten weg, es dringt in Garagen und Büros ein.

Fast fünf Wochen liegt die Katastrophe nun zurück, die Fassungslosigkeit und der Schock haben sich etwas gelegt. "Von der Psyche her ist es ein Auf und Ab", sagt die 66-Jährige. Sie und ihre Verwandten sind immer noch mit Aufräumen beschäftigt. Nach der Flut schafften sie ihr Hab und Gut schnellstmöglich ins Freie, raus aus der Feuchtigkeit. Mit Hochdruckreinigern entfernten sie die Schlammschicht, die sich um alles gelegt hatte; nun müssen die Dinge wieder zurück an ihren Platz. Die Familie riss Fußböden heraus und löste die Tapeten in den Geschäftsräumen, das Wasser war dort 70 Zentimeter hoch gestanden. "Wir müssen alles herrichten", sagt Ursula Ritter.

Zurück zur Tagesordnung

Die Gemeinde Wilhermsdorf ist inzwischen zur Tagesordnung zurückgekehrt. Corona habe – außer bei den Betroffenen – das Hochwasser als Gesprächsthema abgelöst, so Bürgermeister Uwe Emmert. Die Schäden an der Stelzenbachstraße, die teils weggerissen wurde, sind mittlerweile ausgebessert. Auch die N-Ergie ist tätig geworden. Der Energieversorger hatte die Übergabestation am Trafohäuschen nahe der Zenn zeitweise vom Netz nehmen müssen – 4600 Menschen waren ohne Strom. In den zurückliegenden vier Wochen wurde die Elektronik wieder instandgesetzt, "das war ein größeres Ereignis mit weit über 100.000 Euro Schaden", sagt Emmert.

Künftig müsse verhindert werden, dass die Elektrizität in Wilhermsdorf abermals für lange 24 Stunden ausfällt. Das Trafohäuschen will man noch besser vor Hochwasser schützen: Deshalb, so Emmert, denke man darüber nach, die Stromübergabe – dort wird die Hochspannung ins Gemeindenetz übergeben – zu verlegen, weiter weg vom Fluss. Ende September stehen dazu Gespräche an, allerdings wäre der Plan nicht kurzfristig umsetzbar.

"In den nächsten drei Monaten" realisieren lassen sich dem Bürgermeister zufolge dagegen höhere Schotts an der Trafostation, die dann einem Wasserstand von bis zu 1,20 Meter trotzen könnten, sowie der Einbau einer Pumpe. 10.000 Euro könnten dafür fällig werden, "das sind keine Summen, über die wir lange diskutieren müssen". Seit dieser Woche werden außerdem Bäume und Äste aus der Zenn entfernt, die das Abfließen des Wassers behindern könnten.

Wie es um die Schäden bei Privatleuten bestellt ist, kann der Rathauschef nicht beurteilen. Aber: Immer noch sieht er Schläuche aus den Fenstern verschiedener Anwesen ragen, dort laufen noch die Trockengeräte. So auch bei Familie Ritter.

"War das jetzt ein Anstoß?"

In den Geschäftsräumen ihres Raumausstattungsbetriebs riecht es dennoch modrig, die Feuchtigkeit hat sich eingenistet. Akten und Unterlagen müssen noch trocknen. Kunden mit Termin können zwar wieder vorbeikommen, ob der Laden aber je wieder regulär öffnen kann, ist fraglich. "Manchmal denkt man sich: Vielleicht war das jetzt ein Anstoß", sagt Ursula Ritter und meint damit die endgültige Schließung. Ihr Mann und sie hätten den Familienbetrieb gerne noch eine Weile weitergeführt, doch sie sind immerhin schon 66 und 68 Jahre alt.

Privat sei der Schaden – anders als geschäftlich – mit rund 15 000 Euro verkraftbar. Vom Freistaat gab es eine schnelle Soforthilfe in Höhe von 5000 Euro. Damit konnte sie einen Staubsauger, eine Waschmaschine und einen Trockner anschaffen. Auch die Gemeinde hat eine Spendenaktion für Hilfsbedürftige gestartet, um die 40.000 Euro kamen bislang zusammen.

Bei den Betroffenen hat die Flut Spuren hinterlassen. "Ich denke immer noch manchmal, dass ich ein bisschen neben mir stehe", erzählt Ursula Ritter. Bekannte würden sich zwar wundern, dass sie stets ruhig wirke, "aber vielleicht ist das ein Schutzmechanismus". Ihre Nachbarin, sagt sie, fürchte sich jedes Mal bei Starkregen. Angesichts der verheerenden Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aber, die Tote gefordert und Häuser weggespült hat, sei man in Wilhermsdorf ja glimpflich davon gekommen.

Um von heftigen Überschwemmungen nicht erneut böse überrascht zu werden, empfiehlt Uwe Emmert Smartphone-Apps – etwa "Meine Pegel". Dort kann man den Wasserstand der Zenn abfragen und Warnhöhen definieren. Die Gemeinde hat derweil einen Krisenstab eingerichtet, der ab einer bestimmten Unwettermeldestufe zusammenkommt. Denn man muss schneller reagieren können, wenn das Hochwasser das nächste Mal kommt.

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