Immunsystem

Fürther Experten warnen vor Grippe: Droht eine doppelte Infektionswelle?

17.10.2021, 10:00 Uhr
Fürther Experten warnen vor Grippe: Droht eine doppelte Infektionswelle?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

In den kommenden Monaten könnten uns gleich zwei Infektionswellen bevorstehen. Nicht nur die Corona-Zahlen werden weiter steigen. Experten fürchten, dass auch viele Influenza-Fälle dazukommen. Für die Intensivstationen würde das eine Doppelbelastung bedeuteten.

"Die Grippesaison ist letztes Jahr nahezu ausgefallen", konstatiert Prof. Dr. Harald Dormann, Leiter der Zentralen Notaufnahme und stellvertretender Pandemiebeauftragte des Fürther Klinikums. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) spricht mit Blick auf typische Atemwegsinfekte von einem "vorher nie erreichten, niedrigen Niveau in den Wintermonaten 2020/21".


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Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ein weltweites Phänomen. Die Rate positiv gemeldeter Influenza-Proben sei zwischen September 2020 und Januar 2021 auf 0,2 Prozent gesunken – im Vergleich zu 17 Prozent in den Jahren zuvor.

Das lag laut Dormann vor allem an den Corona-Schutzmaßnahmen, die von Reisebeschränkungen über Hygieneregeln bis hin zum Lockdown reichten. Damit konnte zwar die Pandemie eingedämmt werden – "weil wir aber mit weniger Erregern konfrontiert waren, ist unser Immunsystem auch deutlich weniger trainiert worden". Das habe bereits im Spätsommer zu einer Erkältungswelle geführt, wie sie sonst erst im Spätherbst, also in der kalten Jahreszeit, auftritt.

Betten sind gut ausgelastet

"Wenn sich jetzt eine seltene Variante des Influenzavirus festsetzt und sich viele infizieren, weil die Kontaktbeschränkungen gelockert wurden, kann es zu einer Lawine kommen", erläutert der Mediziner. Deshalb müsse man wachsam sein. Wenn nämlich zur Corona-Pandemie auch noch eine Grippewelle kommt, seien die Notaufnahmen und Intensivstationen schnell wieder über ihren Kapazitätsgrenzen.

Auch so sind die Betten in der Metropolregion gut ausgelastet. Das hat zum einen damit zu tun, dass während den Hochzeiten der Pandemie viele Behandlungen nicht stattgefunden haben, die jetzt nachgeholt werden. Zum anderen liegen wieder vermehrt Patienten mit Covid-19 auf den Stationen. Die meisten von ihnen sind ungeimpft, auf der Intensivstation nahezu 100 Prozent.

Um allzeit über die Lage in der gesamten Region informiert zu sein, tagen die Pandemiebeauftragten der Krankenhäuser zweimal pro Woche. Wenn eine Einrichtung kein Bett mehr für Intensivpatienten hat, nimmt sie eine andere auf. "Es ist eine tolle Erfahrung zu sehen, wie die Kliniken in der Metropolregion zusammenarbeiten, um für alle Patienten zu jeder Zeit die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten. Allerdings hatten wir im letzten Jahr auch Zeiten, in denen alle Krankenhäuser am Anschlag waren. Jetzt gibt es die Sorge, dass eine Grippewelle zusätzlich zu Corona die Situation wieder verschärfen könnte", sagt Dormann.

Hoffentlich ausgestorben

Doch er hat auch eine positive Nachricht in Sachen Grippeviren: Manche Linien der Erreger haben durch den Lockdown in vielen Ländern der Welt, durch die Reise- und Kontaktbeschränkungen keinen Wirt mehr gefunden. "Sie wurden seit über einem Jahr nicht mehr nachgewiesen und sind – so die Hoffnung – ausgestorben."

Das bietet die Chance, dass man bei der Entwicklung des Influenza-Impfstoffs die richtige Zusammensetzung leichter findet. Das aktuelle Vakzin ist auf die vier wichtigsten Viruslinien abgestimmt. In den nächsten Monaten sollen 27 Millionen Dosen bereitgestellt werden, 22 Millionen sind vom Paul-Ehrlich-Institut schon geprüft und freigegeben.


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Laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollten sich alle Risikogruppen gegen Grippe impfen lassen. Dazu gehören Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke jeden Alters, Schwangere, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen oder Menschen, die engen Kontakt mit vulnerablen Personen haben. Aber auch alle anderen, die ein ungutes Gefühl haben, sollten sich schützen. Dormann: "Influenza ist keine einfache Erkältung, sondern eine Erkrankung, die mit Fieber und Schwäche einhergeht. Sie kann schwere Komplikationen wie etwa eine Lungenentzündung hervorrufen und im schlimmsten Fall zum Tod führen."

Inzwischen ist es möglich, sich zeitgleich den Impfstoff gegen Grippe und Corona verabreichen zu lassen. Fachleute sprechen hier von einer Simultanimpfung. In Amerika arbeiten Unternehmen bereits an einem Kombi-Präparat.

Im Herbst nächsten Jahres, so schätzt Dormann, kann man sich dann vermutlich mit nur einer Spritze gegen beide Erreger impfen lassen.

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