Fürther Hausarzt zum Coronavirus: "Wir werden völlig allein gelassen"

1.3.2020, 16:00 Uhr
Fürther Hausarzt zum Coronavirus:

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Und weiter: Wer befürchte, sich das Coronavirus eingefangen zu haben, "sollte sich telefonisch an den Hausarzt wenden". Hinzu kam die Aussage eines Ministeriumssprechers, der angab, der Hausarzt entscheide nach einem Anruf seines Patienten, ob er bei einem Hausbesuch zu Diagnosezwecken einen Rachenabstrich vornimmt oder ob er ihn am Rand der Sprechstunde zu sich bittet.


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"Mich ärgert, dass die Behörden so tun, als ob sie alles im Griff hätten", schimpft Jobst, "und wir werden völlig allein gelassen." Denn, so der Sprecher des Fürther Ärztenetzes: "Wir haben keinerlei Informationen erhalten, wie wir uns verhalten sollen." Bevor Ende der Woche die Covid-19-Orientierungshilfe zur Verdachtsabklärung und Ergreifung von Maßnahmen bei ihm ankam, habe es weder von der Kassenärztlichen Vereinigung noch von der Landesärztekammer Mitteilungen gegeben, "wie wir in Sachen Coronavirus verfahren sollen". Dass er und seine Kollegen aus den Medien von Hausbesuchen und dort gegebenenfalls vorzunehmenden Rachenabstrichen erfahren, sei ein Unding.

Hinzu kommt: "Wir wissen nicht, wer Analysen der Rachenabstriche macht." Weil die Nachweisverfahren noch nicht standardisiert seien, sei nicht jedes Labor dazu imstande. Er selbst, so Jobst, wisse nur vom Hörensagen, dass das Virologische Institut der Uni Erlangen dazu in der Lage sei. Doch sei es, dem Vernehmen nach, überlastet.

Jeder zweite Patient mit Erkältungssymptomen, sagt Jobst, spreche ihn zurzeit auf das Coronavirus an. "Keiner weiß, wie er damit umgehen soll." Ratlosigkeit herrsche aber auch bei der Ärzteschaft. Ein Kollege habe mit einem Rückkehrer aus Oberitalien zu tun gehabt, potenziell ein begründeter Verdachtsfall. Doch die Suche nach bindenden Informationen aus dem Gesundheitsamt lief immer wieder ins Leere. Meist ertönte das Besetztzeichen. "Es war schwierig durchzukommen."

Jobst stattet seinen Patienten durchaus Hausbesuche ab. Doch macht er das, wie er betont, vom Einzelfall abhängig. Sollte ein schwer hustender und fiebernder Patient wiederum in seine Praxis kommen, der mutmaßlich Kontakt mit einem Covid-19-Erkrankten hatte, würde er ihn am Wartezimmer vorbei in einen Raum schleusen und vor der Behandlung Schutzkleidung überziehen. Nur: "Man könnte sich da schon angesteckt haben."


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Wer glaubt, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, möge sich an die Kassenärztliche Vereinigung (KVB) wenden, Telefon 116117, hieß es am Freitagnachmittag in einer Pressemitteilung des Landratsamtes. Ansonsten haben beunruhigte Bürger die Möglichkeit, sich mit Fragen an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen zu wenden – Telefon (09131) 68085101. Und ab Montag soll auch das Gesundheitsamt der Stadt und des Landkreises Fürth für Fragen zu erreichen sein. Die Rufnummer (0911) 9773-3039 ist dann während der Dienstzeit besetzt: montags bis mittwochs von 7.30 Uhr bis 16 Uhr, donnerstags von 7.30 Uhr bis 17 Uhr, freitags von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr.

Weil das Coronavirus über Tröpfchen- und Kontaktinfektion übertragen wird, haben Beschäftigte mancher Firmen inzwischen die Order, Kunden nicht mehr mit Handschlag zu begrüßen.

Wie in anderen Läden auch kam es im Veitsbronner E-Center vereinzelt zu Hamsterkäufen, bei denen sich Kunden mit Wasser, Salz, Konserven und WC-Papier eindeckten. Juniorchef Stefan Landauer indes verweist auf enorme Lagerbestände und glaubt nicht, dass die Menschen hierzulande Angst vor leergeräumten Regalen haben müssen.

Mediziner Jobst hält es für möglich, dass sich das Coronavirus ähnlich wie vor Jahren das Schweinegrippevirus als eher harmlose Sache entpuppt. Wegen des Coronavirus und der Influenza tut er in seiner Praxis zurzeit aber etwas, was er daheim "völlig unsinnig" fände: Er desinfiziert nach jedem Patienten Hände und Türklinke.

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