"Völlig unrealistisch"

Luftfilter für Schulen: Söders Versprechen sorgt in Fürth und Zirndorf für Ärger

6.7.2021, 15:30 Uhr
Luftfilter für Schulen: Söders Versprechen sorgt in Fürth und Zirndorf für Ärger

© Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Ziel ist es vor allem, eine vierte Welle zu verhindern und Präsenzunterricht im Herbst zu ermöglichen. Doch die die vollmundigen Ankündigungen aus München rufen in Fürth und Zirndorf - wie auch in vielen anderen Kommunen und Kreisen - Kopfschütteln hervor. Das sei "ein Schnellschuss, völlig unrealistisch und unüberlegt", sagt Zirndorfs Bürgermeister Thomas Zwingel. Hier habe man nicht bis zum Ende gedacht.

Es sei erst einmal zu klären, welche die richtigen Geräte seien, schließlich gibt es verschiedene Systeme und Fabrikate. Die mobilen Anlagen wurden bisher vor allem angeschafft, wenn die Räume nicht gut gelüftet werden können, weil sie nur ein kleines Oberlicht haben, sich die Fenster lediglich kippen lassen oder starker Verkehr vor der Schule konzentriertes Lernen bei offenem Fenster unmöglich macht.

Sie gelten bei Fachleuten allerdings als Notlösung. Nachhaltiger sind Raumlufttechnische Anlagen (RLT). Sie müssen jedoch aufwändig eingebaut werden. Es braucht Luftschächte sowie geeignete Elektrik.

"Vom Freistaat wird eine Erwartungshaltung in der Bevölkerung geweckt, die wir gar nicht erfüllen können. Und das stinkt mir", sagt Zwingel. Das Motto sei: "Wir versprechen, Ihr müsst es umsetzen. Wenn es dann nicht klappt, stehen die Kommunen als die Dummen da."

Von einem "perfiden Spiel" spricht gar der Fürther Bürgermeister Markus Braun, der für den Bereich Bildung zuständig ist. "Wenn im Herbst die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen hoch sind, kann man die Kommunen als die Schuldigen vorführen, weil sie es nicht fertig gebracht haben, Luftfiltergeräte anzuschaffen."

Wie Zwingel hält er es für unabdingbar, dass erst einmal festgelegt wird, welche Geräte überhaupt sinnvoll sind. "Hier geht es um riesige Kosten. Allein an den Fürther Schulen müssten 850 Klassenzimmer ausgestattet werden, von den Anlagen für die Kitas ganz zu schweigen. Selbst wenn wir 50 Prozent vom Freistaat bekommen, sprechen wir über Millionenbeträge."

Gemeinsamer Brief an Söder

Und mit der Anschaffung sei es freilich längst nicht getan. Die Nachrüstung bedeutet hohe Folgekosten, weil für die stromintensiven Geräte die Elektrik an den Schulen überholt werden und eine regelmäßige Wartung sichergestellt sein muss.

Die von Söders Ankündigung überrumpelten Kommunen und Landkreise haben sich zusammengetan: In einem gemeinsamen Schreiben von Bayerischem Städte-, Gemeinde-, Landkreis- und Bezirkstag an den Ministerpräsidenten machen sie klar, dass sie den Plänen, wonach die bayerischen Kommunen für 100.000 Klassenzimmer und 52.000 Kita-Räume Luftfilter anzuschaffen haben, mit Skepsis begegnen.

Auch den Mitgliedern liege das Wohl der Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht sehr am Herzen. Ob mobile Luftfilteranlagen dies sicherstellen könnten, sei aber offen. Man fordert eine fachlich fundierte Festlegung, welche Geräte in Betracht kommen. Nur so könnten Fehlkäufe, Umweltbelastungen durch hohen Stromverbrauch, Lärm und nicht tragbare Folgekosten vermieden werden.

Einer schnellen Umsetzung stehen zudem Ausschreibungs- und Vergabeverfahren entgegen. "Es genügt nicht, wenn sich der Staat darauf beschränkt, Fördermittel in Aussicht zu stellen und die Kommunen mit nicht erfüllbaren Erwartungen alleine lässt." Unter den rechtlichen Vorgaben sei völlig illusorisch, von einer Anschaffung noch in diesem Jahr auszugehen. Die Unterzeichnenden zeigen sich offen für eine weitere Erörterung der Problematik.

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