Netflix-Serie: Löst "Damengambit" auch in Fürth einen Schach-Boom aus?

23.2.2021, 11:00 Uhr
Netflix-Serie: Löst

© Foto: Ken Woroner/Netflix

Leise tickt die Uhr im Hintergrund. Beth Harmon sitzt kerzengerade am Tisch, vor ihr liegt ein Schachbrett. Herausfordernd blickt sie ihrem Gegenüber in die Augen, ihre kastanienrote Haare leuchten durch den Raum. Die Zuschauer, die um den Tisch stehen, halten den Atem an, als Beth Harmon mit flinker Handbewegung einen weißen Bauer auf das Feld d4 schiebt.

Mit diesem Spielzug, dem Damengambit, eröffnet die junge Hauptdarstellerin in der gleichnamigen Netflix-Serie ihr Duell gegen den Großmeister Vasily Borgov, das in einem hochspannenden Finale endet.

Szenen wie diese sind es, die deutschlandweit für eine kleine Renaissance des Schachspiels sorgen. Der Netflix-Hit ist enorm populär und sorgt dafür, dass viele Serienjunkies selbst Läufer und Dame über das Karobrett dirigieren möchten.


Fürth: Schachspieler fremdeln mit Online-Duellen


Doch bei den Fürther Vereinen kommt das noch nicht so richtig an. Die Schachgemeinschaft 1882 Fürth freut sich zwar darüber, dass die Zahl von rund 60 Mitgliedern stabil geblieben ist, neue Schachspieler seien aber nicht hinzugekommen, was auch an der Pandemie liegt, wie Vorstand Wolfgang Jeske betont.

Allerdings sei die Altersstruktur im Verein eine positive, rund die Hälfte aller Mitglieder ist unter 22 und damit bereits genau die Zielgruppe der Serie.

Schachsport profitiert

Für Jeske hat die Serie dennoch positive Effekte: "Dass Schach so in der Öffentlichkeit stattfindet und gewisse Popularität erfährt, ist für den Sport eine gute Sache. Im Verein kommt das aber ganz klar nicht an."

Bislang zumindest. Die Hoffnung, dass durch eine Lockerung des Lockdowns auch das Schachspielen im Verein wieder möglich ist und dadurch neue Mitglieder hinzustoßen, ist auch bei Reiner Kiesel von den Schachfreunden Fürth da, wenngleich er skeptisch ist, ob sich Interessierte dann auch im Verein anmelden; schließlich findet sich für Schach mittlerweile auch online ein großer Markt, gerade wenn man während des Lockdowns zuhause sitzt.

Damit das nächste Schachtalent nicht wie in "Das Damengambit" auf gut Glück aus dem Keller eines Waisenheims seinen Weg nach oben nimmt, sind beide Vereine in Schulen aktiv, wo es Arbeitsgruppen gibt, in denen bereits Grundschüler für Schach begeistert werden sollen.

Eine durchaus realistische Einschätzung zeigt die Netflix-Serie, wenn sie eine Frau inmitten einer Männerwelt darstellt. Zwar hat sich auch im Schach in den letzten 50 Jahren etwas getan, ziehen mehr Frauen und Mädchen mit Bauer und Dame über das Feld, doch der Frauenanteil ist immer noch gering.

Rund 15 Prozent der Mitglieder bei der Schachvereinigung sind weiblich, bei den Schachfreunden spielen nur Männer. Im Deutschen Schachbund sind es bei 47 000 Mitgliedern nicht einmal zwei Prozent.

Der Verkauf brummt

Angekommen hingegen ist der Schachtrend in der Spielwarenbranche. Auch die Simba-Dickie-Group profitiert davon. Die Stadelner haben drei Schachspiele im Angebot, sie bewegen sich zwischen 9 und 20 Euro, also in der unteren Preisspanne, und richten sich damit vor allem an Einsteiger und Familien.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnete die Stadelner Unternehmensgruppe beim Verkauf von Schachspielen zum Jahresende einen Anstieg im mittleren vierstelligen Bereich, rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.


Seit Netflix-Serie "Damengambit": Verkauf von Schachbrettern gestiegen


Zwar sei der Schachmarkt von den Verkaufszahlen ein eher nachrangiger, dennoch sei der Zuwachs sehr ordentlich, wie Werner Lenzner (54), Senior Licencing Manager der Stadelner, sagt: "Für uns ist dieser Anstieg ein klarer Hinweis, dass die Netflix-Serie das Interesse erhöht hat. Zumal Schachspiele aus unserer Erfahrung kein typisches Weihnachtsgeschenk sind und trotzdem im Dezember, nach Erscheinen der Serie, die Zahlen nach oben gegangen sind."

Bleibt noch die Frage, was es denn mit dem Namen auf sich hat. Reiner Kiesel erklärt es: "Das Damengambit ist eine uralte Eröffnung, bei der der Bauer vor der Dame nach vorne gezogen wird. Es ist keine besonders vorsichtige Eröffnung, aber auch nicht offensiv. Bei den Großmeistern ist sie weniger beliebt. Gambit kommt daher, dass man durch die Eröffnung ein Bauernopfer bringt, um seine Figuren besser ins Spiel zu bringen."

Ob sich der Trend dauerhaft festsetzt? Die Serie scheint nach einer Staffel auserzählt, doch die Begeisterung für dieses zeitloses Spiel scheint nicht kleinzukriegen, wenn man sie mal weckt.

Oder, wie Beth Harmon es sagt: "Schach ist nicht nur ein Wettkampf. Schach kann auch wunderschön sein."

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