Populismus-Vorwurf: Fürths OB Jung im Kreuzfeuer

3.6.2019, 05:56 Uhr
Populismus-Vorwurf: Fürths OB Jung im Kreuzfeuer

© Hans-Joachim Winckler

Eigentlich sollte das Gespräch im Rathaus eher dem lockeren Austausch dienen – doch nun muss sich Fürths Oberbürgermeister nach einem Interview mit den FN und einem Reporterkollegen aus Hagen heftigen Gegenwinds erwehren: Sowohl die Fürther Grünen als auch das Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus werfen Oberbürgermeister Thomas Jung populistische Töne vor.

Grund: Jung hatte sich dafür ausgesprochen, innerhalb der EU eine weitere "Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern". Es werde "Europa schwer schaden, wenn das um sich greift", so Jung. Man könne "nicht die sozialen Probleme Osteuropas in den deutschen Großstädten lösen". Er warne deshalb "vor der Euphorie, mit der schon wieder über Beitrittsverhandlungen mit noch mehr osteuropäischen Staaten gesprochen wird. Ich bin da strikt dagegen".

Florian Braunreuther und Gabriele Zapf, Vorsitzende der Fürther Grünen, stören sich an Jungs Wortwahl: Wenn er von einer "Zuwanderung in die Sozialsysteme" spreche, sei Fürths OB "nicht über den Verdacht erhaben", sich der Sprache von Populisten zu bedienen. Das sei "wenig hilfreich und trägt eher zur Spaltung als zur Integration bei".

Die Grünen plädieren dafür, "die Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft sachlich zu lösen". Nötig sei "Mut statt Angst". Denn Deutschland brauche Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern, die hier arbeiten, Steuern zahlen und zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung beitragen. Das EU-Recht sehe "keine Sozialleistungen vor, ohne in Deutschland zu arbeiten".

"Ritualhafte Äußerungen"

"Diskriminierende Äußerungen" wirft das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus, in dem die Stadt formal selbst Mitglied ist, dem Rathauschef vor. In den Fokus gerät vor allem eine Äußerung Jungs, mit der er sich auf Lärmbelästigungen in Fürths westlicher Innenstadt bezieht. "Wenn man ehrlich ist, sprechen wir hier über Bevölkerungsgruppen, die sich in ihrem eigenen Land über hunderte Jahre nicht integrieren konnten oder wollten", sagte er im Interview.

Man kritisiere diese "ritualhaften Äußerungen gegen Zuwanderer aus Osteuropa" aus Jungs Mund, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses. "Diese diskriminierende Einteilung von Menschen sollte sich ein sozialdemokratischer OB nicht zu Eigen machen", findet Niklas Haupt, Sprecher des Bündnisses und im vergangenen Herbst Kandidat der Linken bei der Landtagswahl.

Haupt empfiehlt Jung, sich die Lebensumstände von Bevölkerungsgruppen wie etwa den Roma in Osteuropa „erst einmal selbst anzusehen, bevor er solch pauschale Behauptungen in den Raum stellt“. Zudem lehne es das Bündnis ab, ein „wohl doch eher geringfügiges Problem in der Fürther Stadtgesellschaft immer wieder in den Mittelpunkt zu stellen, da dies Vorurteile weiterhin befördert“.

Letzteres hält Jung für eine Verharmlosung. Zwar räumt er auf FN–Nachfrage ein, dass es nicht um Vorfälle geht, die die ganze Stadt betreffen. „Aber für die Menschen, die dort leben, ist es ein großes Problem“. Der OB hält „meinen Kritikern aus dem linken Lager“, wie er sie nennt,  entgegen, dass es nichts bringe, „die Augen vor Realitäten zu verschließen, die einem nicht gefallen“.

Nach Jungs Wahrnehmung gibt es sehr wohl Einwanderung in die hiesigen Sozialsysteme, diese werde in den Herkunftsländern sogar gezielt "organisiert": Den Betroffenen werde in Deutschland ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis verschafft, das den Anspruch auf entsprechende Leistungen nach sich ziehe. Untergebracht würden die Menschen oft konzentriert in Häusern zu überhöhten Mieten.

"Nur ehrlich"

Es gehe in Fürth in den meisten Fällen allerdings nicht, wie Niklas Haupt meint, um Roma. Es handle sich vielmehr um Angehörige einer aus der Türkei stammenden und türkisch sprechenden Minderheit im griechischen Westthrakien, die dort unter stark erschwerten Bedingungen lebt. Diese hätten sich gehäuft in Fürth niedergelassen.

Dem Problem, darauf beharrt der Rathauschef, müsse die EU "vor Ort in den entsprechenden Ländern" begegnen, nicht hierzulande. Den Vorwurf des Populismus weist Jung weit von sich: Er sei "nur ehrlich". Damit komme man "in der Politik auf Dauer am weitesten".

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