Intensivstation am Limit

Triage: So wappnet sich das Fürther Klinikum

2.12.2021, 06:00 Uhr
Triage: So wappnet sich das Fürther Klinikum

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die Triage. Ein Wort wie ein Schreckgespenst. Spätestens seit beatmete Intensivpatienten aus übervollen Kliniken von Maschinen der Luftwaffe quer durch Deutschland geflogen werden, verbreitet der Begriff wieder Angst. Auch in Fürth sind – mangels Kapazitäten – Verlegungen nötig.

Seit Freitagabend, sagt Dr. Manfred Wagner, Medizinischer Direktor und Pandemiebeauftragter des Klinikums, habe man acht intensivpflichtige Covid-19-Patienten in andere Häuser der Region transportieren lassen müssen. Am Mittwoch waren alle 24 Betten der Intensivstation voll belegt: mit 11 Covid- und 13 Non-Covid-Kranken. Auf der Normalstation wurden weitere 41 Corona-Patienten behandelt.

Harte Triage "wird nicht kommen"

Wie schon jüngst im ARD-Talk "Die Woche" bekräftigte Wagner auf Nachfrage: "Ich hoffe und davon gehe ich zum jetzigen Zeitpunkt aus, dass eine harte Triage, wie wir sie aus der Notfallmedizin kennen, nicht kommen wird." Klassisch bedeute Triage, dass man sich einen raschen Überblick über mehrere Kranke bzw. Verletzte verschafft und die Behandlung nach der Überlebenswahrscheinlichkeit priorisiert, dass man etwa einen Menschen vom Beatmungsgerät nimmt, um einen anderen beatmen zu können.

"Es gibt aber auch eine schleichende Triage, und die hat längst begonnen", stellt er klar. "Wir verschieben OPs oder sagen OPs ganz ab." So habe man diese Woche etwa den Eingriff bei einem Patienten mit Magenkrebs vertagen müssen. "Zum Glück konnten wir das nachholen."

Schleichende Triage in vollem Gang

Längere Transportwege und Wartezeiten hätten unter Umständen fatale Folgen. Müsse ein Herzinfarkt- oder ein Schlaganfallpatient 20 Minuten länger im Rettungswagen vor dem Haus bleiben, "ist die Überlebenswahrscheinlichkeit oder die Wahrscheinlichkeit, das Krankenhaus ohne Behinderung zu verlassen, eindeutig schlechter für ihn".

Ein Unterschied zu Mitte November und den früheren Corona-Wellen, als auch schon OPs verschoben oder abgesagt wurden, so der Arzt: Die Grenzen würden ausgedehnt. Für Patienten, die ohne OP Schmerzen oder unangenehme Nebenwirkungen von Medikamenten ertragen müssen, womöglich ihren Beruf nicht ausüben können, werde es schwieriger.

Die schleichende Triage bringt nach Wagners Darstellung "immense psychische Belastungen" für Patienten und Klinikpersonal mit sich. Das Coronavirus trifft inzwischen auf ein ausgelaugtes Gesundheitssystem. Auf der Intensivstation, wo Pflegekräfte so dringend gebraucht werden, gibt es vermehrt Versetzungswünsche. Weil aber längst Personal fehlt, kann das Klinikum nur 24 der an sich 30 Betten dort nutzen. Hinzu kommt: Covid-Patienten benötigen mehr Pflege als andere Patienten.

In Fürth hat man ehemalige Intensiv-Pflegekräfte reaktiviert. Mehrere OP-Säle wurden geschlossen, so Wagner, um Personal auf die Intensivstation zu ziehen und dort die Kapazitäten auszuweiten. "Die nächste Eskalationsstufe" sehe gemischte Teams aus Intensiv- und Pflegekräften aus anderen Bereichen vor. Einbinden wolle man dabei Hilfskräfte, etwa Medizinstudenten.

Abwehr der harten Triage: "Es muss klappen"

Kann das klappen? Auf die Entgegnung, dass es stets hieß, die Betreuung von Covid-Patienten erfordere schon wegen der Bedienung der Beatmungsgeräte hochkompetentes Personal, entgegnete der Arzt: "Die hochspezialisierten Aufgaben übernehmen natürlich die Fachkräfte." Und weiter: "Es muss klappen, die Patienten sind ja da." Man müsse ihre Behandlung also organisieren. Dabei gelte es, sich täglich den Herausforderungen zu stellen und den bestmöglichen Weg zu suchen. "Frau Merkel würde sagen, das ist alternativlos."

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