Corona-Impfung: Keine Auswirkung auf Erbinformation

16.1.2021, 07:18 Uhr
Viele legen ihre Hoffnungen in die Impfstoffe gegen das Coronavirus.

© Angelika Warmuth, NN Viele legen ihre Hoffnungen in die Impfstoffe gegen das Coronavirus.

Seit Beginn der Pandemie beschäftigt sich Dr. Heiko Priesmeier intensiv mit dem Virus und seiner Bekämpfung. Mittlerweile klärt der Chefarzt am Klinikum Altmühlfranken Gunzenhausen in Informationsveranstaltungen das Personal über den Impfstoff und seine Funktionsweise auf. Das kommt, wie zu vernehmen ist, bei den Mitarbeitern gut an, viele haben die erste der zwei notwendigen Impfungen bereits hinter sich.

Immer wieder wird von Impfgegnern angeführt, dass das Vakzin die DNA verändern könne. Nach Priesmeiers Worten ist das aber keinesfalls möglich und er erklärt auch umgehend warum. Denn der Impfstoff dockt zwar an körpereigene Zellen an, seine Informationen gibt er allerdings nur an das Zytoplasma, also die Eiweißhülle, ab. Der Zellkern bleibt außen vor.

Corona-Impfung: Keine Auswirkung auf Erbinformation

© Foto: Klinikum Altmühlfranken

Dort sitzen unsere Erbinformationen. Die Zellkerne geben in Form von mRNA (Boten-Ribonukleinsäure) Anweisungen an das Zytoplasma, so weiß die Zelle, was zu tun ist. Das Virus nun injiziert seine Gebrauchsanweisung von Außen in das Zytoplasma und verändert so die Anweisungen (nicht den Zellkern!).

Und dieses System macht sich nun der Impfstoff von BioNTech und Moderna zunutze. In winzigste Fettbläschen eingeschlossen, wird die mRNA injiziert, das Fettbläschen verschmilzt mit der Zelloberfläche und entlässt seine Informationen in das Zytoplasma. Noch einmal betont Priesmeier, dass aus mRNA keine DNA gemacht werden könne, "das geht in menschlichen Zellen nicht".

Das gehört hier nicht hin

Diese Technologie, erläutert der Kardiologe, "ist ganz neu". Der Impfstoff kopiert die Methode des Virus, enthält aber beileibe nicht dessen gesamte Erbinformation, sondern nur kleinste Teilchen. Die reichen aus, damit das menschliche Immunsystem erkennt: Das gehört hier nicht hin – und mit der Produktion von Antikörpern beginnt.

So reagiert der Körper ja auch auf das Virus, bloß verliert er hier den Wettlauf. Bis genügend Antikörper da sind – das dauert bis zu 14 Tage –, kann sich der Erreger munter verbreiten. Ist man geimpft, so ist das Immunsystem gut vorbereitet und steht sozusagen Gewehr bei Fuß.


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Wichtig sind Priesmeier an dieser Stelle zwei Punkte: Im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen (wie etwa gegen Polio) werden hier keine vollständigen Viren injiziert, deshalb kann ein frisch geimpfter Mensch auch nicht ansteckend sein. Und: Die mRNA des Impfstoffs wiederum ist nach 50 Stunden vollständig abgebaut. Das schließe Langzeitwirkungen aus.

Mit der zweiten Impfung erhält der Mensch einen 95-prozentigen Schutz vor einer Covid19-Erkrankung. Bei einer Grippeimpfung liegt dieser nur bei bis zu 70 Prozent.

Ein Problem ist sicher, gibt Priesmeier offen zu, dass es angesichts der Kürze der Zeit noch offene Fragen gibt. So gehen die Fachleute davon aus, dass der Impfschutz sicher ein halbes Jahr anhält, vermutlich sogar zwei bis drei Jahre. Ebenfalls noch nicht vollkommen geklärt ist die Frage, ob man, wenn man sich trotz Impfung mit dem Virus infiziert, seine Mitmenschen anstecken kann. Solange hier noch keine gesicherten Daten vorliegen, sei nach wie vor Vorsicht geboten – außer, das jeweilige Gegenüber ist auch geimpft.

Qualität litt nicht unter Geschwindigkeit

Dass durch die Geschwindigkeit, in der der Impfstoff entwickelt wurde, die Qualität gelitten habe, ist eines der Gerüchte, die sich hartnäckig halten. Normalerweise durchläuft ein Impfstoff in seiner Entwicklung drei Phasen, schildert Priesmeier das herkömmliche Prozedere. Jede dieser Phasen ist zeitaufwendig und vor allem teuer. Geld allerdings spielte diesmal keine Rolle, weshalb alle drei Phasen parallel zueinander liefen. Die Zulassungsbehörden waren dabei die ganze Zeit involviert, so konnte das Okay am Ende sehr schnell gegeben werden. Die Qualität der Erprobungsphase sei also gleich, lediglich die Beobachtungszeit wesentlich kürzer.

An der Studie zur Erprobung des Impfstoffs beteiligt waren weltweit zwei mal 18.000 Personen, ausgewählt wurde dabei ganz gezielt Krankenhauspersonal sowie Menschen, die in den Stoßzeiten mit Bus und Bahn unterwegs sind.

Die eine Gruppe erhielt das Vakzin, die anderen ein Placebo. Normalerweise sind bei Zulassungsstudien nur rund 7000 Testpersonen im Einsatz, erläutert Priesmeier. Von den geimpften Personen bekamen innerhalb von rund vier Monaten acht eine Infektion, in der anderen Gruppe waren es 162. Von den Geimpften, die sich infizierten, musste niemand auf die Intensivstation, bei den Ungeimpften gab es neun schwere Verläufe.

Und was ist nun mit den Nebenwirkungen? Über 80 Prozent klagten über Schmerzen an der Einstichstelle. Diesen klassischen Impfschmerz kennt man beispielsweise von Grippeimpfungen, er vergeht in der Regel nach zwei bis drei Tagen. Weiter bekamen 42 Prozent der Probanden Kopfschmerzen, 47 Prozent fühlten sich abgeschlagen und müde, 21 Prozent machten Muskelschmerzen geltend.

Die Angst vor Spätfolgen

Eine Angst, die immer wieder laut wird, ist die vor Spätfolgen. Nebenwirkungen, informiert Priesmeier, treten in der Regel innerhalb von zwei Monaten auf, später nicht. Er verhehlt nicht, dass diese auch fatal sein können, wie etwa die Enzephalitis, die in sehr seltenen Fällen nach einer Masernimpfung auftreten kann.


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Richtig schwere Folgeschäden seien bisher weder bei den Testpersonen, noch bei den weltweit nun schon weit über 28 Millionen geimpften Menschen aufgetreten. Drei Personen bekamen einen allergischen Schock (eine in den USA, zwei in Großbritannien), der aber ohne Folgen blieb.

Aufgetreten sind bei vier Personen, die an der Studie teilnahmen, Gesichtslähmungen. Dies kann, muss aber nicht mit der Impfung zusammenhängen, erläutert der Chefarzt, denn diese Krankheit tritt immer wieder auf, allein im Einzugsbereich des Gunzenhäuser Krankenhauses bis zu sechs Mal jährlich.

Weitere Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt. Im Rahmen der Impfkampagne werden diese festgehalten und ausgewertet. Gemeldet werden sollten sie beim Hausarzt.

In Diskussionen wird gerne das Medikament Contergan und seine fatalen Folgen für Ungeborene herangezogen. Ein Vergleich, der noch weniger funktioniert als bei Äpfeln und Birnen. Medikamente werden meist längerfristig eingenommen, hier kann es zu addierenden Nebenwirkungen kommen. Eine Impfung aber ist ein einmaliges Ereignis, macht der Mediziner den Unterschied klar. Der Vergleich mit Contergan hinkt aber auch deshalb, weil das Schlafmittel von den Betroffenen während der Schwangerschaft eingenommen wurde. Eine Impfung in diesen neun Monaten empfehle dagegen niemand.

"Das ist ein Desaster"

Wer sich übrigens bereits mit dem Corona-Virus infiziert hat, ohne es überhaupt zu bemerken, muss keine Angst vor einer Impfung haben. Eine Impfung ist in diesem Fall nicht gefährlich. Bei einer mit einem positiven PCR-Test nachgewiesenen Infektion werde darauf verzichtet, um Impfstoff zu sparen.


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"Wir wissen vieles noch nicht", gibt Priesmeier unumwunden zu. Dennoch gibt es für ihn keine Alternative zur Impfung. Denn eine Covid19-Erkrankung würde er selbst nicht riskieren wollen, dazu hat er im vergangenen Jahr bereits zu viel gesehen. Etwa die Folgen, die auch eine relativ harmlos verlaufende Erkrankung auf Herz, Lunge, Leber und Gehirn haben kann. Richtig schlimm ist es, wenn man erst einmal auf der Intensivstation gelandet ist. "Das ist ein Desaster", macht es der Kardiologe drastisch deutlich.

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