Hand in Hand: Fahrradgriffe aus dem 3D-Drucker

15.11.2020, 16:02 Uhr
Die Studenten Simon Jung (li.) und Niklas Sievernich drucken passgenaue Fahrradgriffe.

© Stefan Hippel, NNZ Die Studenten Simon Jung (li.) und Niklas Sievernich drucken passgenaue Fahrradgriffe.

Wer oft und lange Fahrrad fährt, kennt das: Irgendwann schmerzen die Hände. Niklas Sievernich musste deswegen sogar schon operiert werden. "Das Karpaltunnel-Syndrom ist eine Standard-Krankheit bei Fahrradfahrern", erzählt der 24-Jährige. Dabei ist ein Nerv im Handgelenk eingeklemmt. "Das kann bis zu Lähmungen führen."

Damit es gar nicht erst so weit kommt, haben die beiden Nürnberger Studenten Niklas Sievernich und Simon Jung passgenaue Fahrradgriffe entwickelt. "Das vergrößert die Kontaktfläche zwischen Griff und Hand und dadurch wird der Druck auf jede einzelne Stelle kleiner", erklärt Jung. Er fährt alles mit dem Fahrrad, jeden Tag mindestens ein bis zwei Stunden. "Wer nur fünf Minuten zur U-Bahn fährt, braucht das nicht", sagt der 27-Jährige. "Aber wer mit dem Rad pendelt oder sogar mehrere Tage oder Wochen am Stück unterwegs, weiß wie viel ein guter Griff wert ist – das ist wie ein maßgeschneiderter Anzug oder Schuhe, die perfekt sitzen.


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Vor zwei Jahren hatte Jung die Idee zum Produkt. Da war der gebürtige Münchner noch am Anfang seines Masterstudiums im Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Zu Hause hat er da schon einen 3D-Drucker stehen. In seiner Abschlussarbeit untersucht Jung, wie sich Bauteile besser ausrichten lassen. Die beiden Studenten testen verschiedene Materialien und passen die Technik nach und nach an ihre Bedürfnisse an. "Der erste Prototyp war noch ein ziemlicher Klumpen", gesteht Jung.

Die Idee wird zum Patent

Doch er hat trotzdem überzeugt: Dem Studenten gelingt es, ein Patent anzumelden. "Mit dem Prototypen konnten wir gleich auf Kunden und Fahrradläden in Nürnberg zugehen und ausprobieren wie groß die Nachfrage sein könnte." Mit ihrer Idee und dem nötigen Businessplan haben die beiden nun ein Exist-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums bekommen, um ein Unternehmen zu gründen.

Studenten oder Absolventen bekommen damit Geld, zum Aufbau einer eigenen Firma. Sie kriegen Arbeitsräume an der Hochschule, Materialkosten und einen regelmäßigen Unterhaltszuschuss. Michael Koch, Professor für Konstruktion und Produktentwicklung an der TH, und sein Team unterstützen die Gründer bei technischen Fragen.


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"Tailored Grips" nennen sie ihr Unterhemen. Damit der Griff gut passt, bekommt der Kunde eine Abdruckmasse geschickt. "Ähnlich wie beim Zahnarzt." Damit greift er zu Hause um den bisherigen Griff seines Fahrrads. Mit dem Abdruck produzieren die Studenten anschließend eine Form, die exakt zur Hand passt.

"Wir erklären in der Anleitung auch den richtigen Winkel zwischen Hand und Lenker, je nachdem, ob es etwa ein Mountainbike oder ein Stadtrad ist", erklärt Jung. Wenn das Gelenk dauerhaft zu sehr abgewinkelt ist, schadet das ebenfalls den Nerven. Fahrrad-Handschuhe nutzen dagegen nur wenig. "Eine zusätzliche Polsterung verschiebt das Problem nur", sagt Sievernich. "Der Druck ist trotzdem da, man hält ihn nur länger aus."

Inzwischen stehen die beiden Studenten kurz vor ihrem Studienabschluss und sind dabei, die ersten Testgriffe an Probekunden auszugeben. "Unser Ziel ist es, zum Beginn der Fahrradsaison im März auf dem Markt zu sein", sagt Sievernich. Er hat gerade seine Bachelorarbeit im Studiengang "International Business and Technology", also Wirtschaftsingenieurwesen, an der TH abgegeben.

Ein guter Zeitpunkt, um eine Firma zu gründen: "Wenn nicht jetzt, wann dann", sagt Jung. Anderen Gründern rät er: "Es hilft, sich frühzeitig Unterstützung zu holen, um eine neutrale Einschätzung von außen zu bekommen und Hilfe bei dem großen Berg an Bürokratie, der auf einen zukommt."

Knapp 150 Euro pro Griffpaar soll die Sonderanfertigung einmal im Laden kosten. "Klar bekommt man auch ganz einfache Aufsteck-Griffe für ein paar Euro, aber gute von der Stange kosten jetzt schon 100 bis 120 Euro", sagt Sievernich.


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Das Material ähnelt einer Kunststoff-Schuhsohle, weil es genauso Abtrieb und Witterung aushalten muss. Der Kunde kann den Härtegrad wählen, von "Pudding bis Stein", wie das auch bei Fahrradsatteln möglich ist. "Ein weicherer Griff dämpft besser bei Erschütterung, ein härterer reagiert schneller auf Bewegung in engen Kurven."

www.tailored-grips.com

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