Im Adidas-Archiv werden Sammlerträume wahr

22.3.2016, 05:58 Uhr
Im Adidas-Archiv werden Sammlerträume wahr

© André De Geare

Mit RTL und ARD greifen gleich zwei Sender die Geschichte der Brüder Adolf und Rudolf Dassler auf. Und mit dramaturgischer Freiheit erzählen sie ein Stück der Unternehmensgeschichte von Adidas und Puma. Dabei griffen sie auch gerne auf den Fundus zurück, den Adidas in seinem noch jungen, hauseigenen Archiv zusammengetragen hat.

Das Fernsehen hat die fränkische Provinz entdeckt. Gerade ist ein Team aus Großbritannien da. Der Stoff aus dem Schuhe, aber auch große Unternehmen gemacht sind, weckt Interesse. Seit Monaten ist das Archiv von Adidas gut frequentiert, die fünf Mitarbeiter sind gut beschäftigt. Nicht nur als Spielfilm wollen die Fernsehsender die Geschichte der Brüder Adolf "Adi" und Rudolf Dassler erzählen, sondern auch als TV-Dokumentation. Und die wirkt noch einmal besser, wenn sich dabei alte Fußballschuhe und Taschen einblenden lassen. Einen Blick auf die Schätze, die Adidas teilweise in mühsamer Arbeit zusammengetragen und katalogisiert hat, möchte jeder werfen.

Beste klimatische Bedingungen

Anschauen, aber bitte nicht anfassen – das ist hier die Devise. Martin Gebhardt, "Chef-Hüter" und Leiter des Archivs, fasst jedes Teil selbst nur ganz vorsichtig und mit Handschuhen an. Viele der Stücke haben ohnehin genug gelitten. Schmutz an den Händen oder allein das körpereigene Fett würden sie nicht besser aussehen lassen.

Da sind die Fußballschuhe, die 1953 produziert und von Max Morlock zur Fußball-WM 1954 getragen wurden, noch in erstaunlich gutem Zustand. Aber schließlich sind sie aus dickem Leder. Die Schuhe aus Synthetik, die den 1990ern entstammen, haben sich gegen die Zeit weniger gut wehren können. Nun im Archiv herrschen beste klimatische Bedingungen: 18 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent.

Gebhardt nimmt, was er kriegen kann — fast jedenfalls. Von manchen Produkten jüngeren Datums werden ihm gleich mehrere Exemplare offeriert. Doch für besondere Objekte findet er immer einen Platz. Alle Mitarbeiter des Unternehmens sind dafür sensibilisiert worden, ältere Produkte vorbeizubringen. Rare Stücke kauft Adidas auch an – etwa im Internet.

Sammlerstücke erzählen Geschichten

Im Adidas-Archiv werden Sammlerträume wahr

© Anja Kummerow

"Wir haben hier die größte Sportschuhsammlung der Welt", sagt der "Collection Manager" – so Gebhardts offizielle Berufsbezeichnung. Der älteste Schuh ist von 1896 und aus England – er stammt demzufolge aus einer Prä-Adidas-Ära. Aber auch alte Schuhkartons werden hier aufbewahrt, der pinkfarbene Anzug, den ein Skispringer bei den letzten Olympischen Winterspielen in Oslo getragen hat, Taschen – etwa von Olympia 72 – Tennisschläger, Bilder, Videos, ebenso wie alte Schriftstücke, kurz: alles, was Adidas-Geschichte erzählt.

Zu vielen der Stücke gibt es ebenso viele Anekdoten. Etwa die von Uwe Seeler. Der bekam von Adi Dassler ein Paar Fußballschuhe zum Testen. Danach sollte er sie dem Adidas-Gründer zurückbringen. Das tat Seeler – einst einer der besten Mittelstürmer der Welt – auch: allerdings blitzblank geputzt. Dassler war entsetzt. Er wollte sie im benutzten Zustand, um zu sehen, wo es was zu verbessern gibt.

40 Tagebücher gehören mit zur Sammlung

Adi Dassler selbst legte den Grundstein für das Archiv, fing früh an, die Sportschuhe zu sammeln – was aber durchaus zweckgebunden war. Immer wieder griff er darauf zurück, um seine neuesten Produkte ein Stück besser machen zu können.

Nach seinem Tod 1978 übernahm Karl Heinz Lang die Archivarbeit. Er hat noch mit Dassler zusammengearbeitet und das "Global Training Center" in Scheinfeld mit aufgebaut. Die Sammlung, zu der auch 40 Tagebücher des Adidas-Gründers gehörten, in denen er seine Neuentwicklungen festhielt, bewahrte Lang im Keller auf – und stellte weitere Produkte dazu. Erst vor vier Jahren wurden sie von Scheinfeld nach Herzogenaurach geholt und zugleich mit dem Aufbau eines richtigen Archivs begonnen.

Umzug steht bevor

Im Adidas-Archiv werden Sammlerträume wahr

© André De Geare

Nicht zuletzt dem Retro-Trend ist es zu verdanken, dass das Alte auch eine neue Bedeutung erhielt. In der Linie "Originals" lässt Adidas es wieder aufleben, aber auch im Bereich "Performance", dem klassischen Sportbereich. "Wir archivieren nicht nur, um zu archivieren", sagt Gebhardt. Mehr als 80.000 Objekte, die größtenteils in 1,6 laufenden Regal-Kilometern lagern, sind schon zusammengekommen. Nun wird mehr Platz gebraucht, ein Umzug steht bevor.

Meist sind es die Adidas-Designer und -Produktentwickler, die sich hier Inspiration holen. 20 bis 30 Anfragen erhält das Archiv jede Woche. Wie hat ein rotes T-Shirt vor 30 Jahren ausgesehen? Was kann man von einem Fußballschuh der 50er Jahre in die Moderne übernehmen? Oder einer Badehose der 70er? Manche Looks werden komplett wiederbelebt, andere als sogenannte "Zitate" in neue Produkte integriert. Auch der US-Sänger Pharrell Williams, der für und mit Adidas eine eigene Kollektion auflegte, habe für seine Arbeit allein vier Stunden im Archiv verbracht, erzählt Adidas-Sprecher Jan Runau.

Mehr Informationen über die Vergangenheit

Fünf bis acht Stunden benötigt einer der fünf Archiv-Mitarbeiter – Museologen, Archivare, Historiker und eine Produktentwicklerin – um ein einziges Objekt aufzubereiten. "Die Informationen müssen aufgenommen, die Hintergründe recherchiert und schließlich verfügbar gemacht werden – samt Bild", erzählt Gebhardt.

Alte Stoppuhren schmücken das Archiv in Herzogenaurach genauso wie der Skispringeranzug der letzten olympischen Spiele in Oslo.

Alte Stoppuhren schmücken das Archiv in Herzogenaurach genauso wie der Skispringeranzug der letzten olympischen Spiele in Oslo.

Bei den 3D-Aufnahmen arbeitet das Archiv seit Jahren mit einem Fotostudio zusammen. Rund 4000 Objekte sind bislang via Internet auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. "Schließlich gibt es viele Menschen, die Sneakers sammeln." Und die wollen auch etwas über "ihre" Schuhe wissen.

Aber auch Adidas möchte noch mehr Informationen – über seine Vergangenheit. Über seine Rolle im Dritten Reich etwa. Darum ranken sich viele Mythen. Eines der Gerüchte ist, dass in den Fabriken des Sportartikelherstellers Flugabwehrgeschosse produziert wurden. "Das ist schwer zu glauben. Schließlich handelt es sich dabei um komplett andere Materialien", sagt Runau. Mit Hilfe des Archivs konnte bereits etwas Licht ins Dunkel gebracht werden: Tatsächlich waren es Lederriemen für Panzerfäuste.

"Turnschuhgiganten"  am Karfreitag auf RTL

Die professionelle Aufbereitung seiner Historie hat Adidas in fremde Hände gegeben. Historiker der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte haben den Auftrag, die Geschichte des fränkischen Sportartikelherstellers zu erzählen – möglichst lückenlos und ganz ohne dramaturgische Freiheiten. Auch das Adidas-Archiv steht ihnen dafür offen.

"Duell der Brüder" heißt der Film des Senders RTL über die Dassler-Brüder, mit Ken Duken als Adolf und Torben Liebrecht als Rudolf in den Hauptrollen. Ausgestrahlt wird er am 25. März – Karfreitag. Die ARD zieht zum Jahresende nach – mit einem Zweiteiler. "Die Dasslers" wird er heißen.

Adolf und Rudolf werden hier gespielt von Christian Friedel und Hanno Koffler, die Ehefrauen Käthe und Friedl von Alina Levshin und Hannah Herzsprung.

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