Erlangen: Weihnachtsfreude bei gestrandetem Zirkus

5.1.2021, 06:00 Uhr
Erlangen: Weihnachtsfreude bei gestrandetem Zirkus

Es war ein ungewöhnliches Weihnachtsfest, auch für die Familie Endres. Normalerweise verbringen die Zirkusleute die Festtage immer mit der Mutter von Familienoberhaupt Patrick Endres. Das war heuer Corona-bedingt nicht möglich, die Gefahr einer Ansteckung der älteren Dame war zu groß. "Das war schon traurig, sie nicht dabei zu haben", sagt Patrick Endres, "trotzdem bin ich mit unserem Weihnachten total happy."

Die Möhrendorfer und weitere Bürger aus dem Landkreis bedachten nämlich ihre Gäste auf Zeit reichlich. Wie berichtet, steht der Circus Toggolino mit seinen drei Wohnwagen seit Anfang November auf dem Platz am Sportzentrum – ausgebremst durch Corona, die Familie Endres durfte ihr artistisches Können und die Clownerie nicht mehr in Vorstellungen präsentieren. Die Hoffnung war es, dass sich die Gemeinde erbarmt, die Wagen bis März – wenn der Zirkus vielleicht wieder auf Tour gehen kann – stehenzulassen.

Wunschzettel der Kinder

Diese Hoffnung hat sich erfüllt. Zu Weihnachten gab es aber viel mehr, "als wir zu hoffen gewagt hätten", wie Patrick Endres sagt. Bürger klopften an die Tür, mit der Idee, die sechs Kinder der Familie Wunschzettel schreiben zu lassen.

Pünktlich zu Heiligabend standen Roller und Fahrräder vor der Tür. Aber auch Sachen, nach denen sich die Endres nicht zu wünschen getraut hätten, beispielsweise eine Playstation 4 und ein Tablet. "Mit so viel Liebe hätte ich niemals gerechnet. Wir sind hier mit offenen Armen aufgenommen worden", sagt Patrick Endres.

Zuneigung für Franken

Er fühlt sich in seiner Zuneigung für Franken, insbesondere den Landkreis Erlangen-Höchstadt, bestätigt. Der Zirkus Toggolino macht jedes Jahr in Möhrendorf und anderen Gemeinden in der näheren Umgebung Station.

Der Familienvater empfindet in diesen Tagen aber nicht nur eine große Dankbarkeit, sondern auch eine große Unsicherheit. Niemand kann ihm sagen, wann der Zirkus Toggolino wieder Vorstellungen abhalten darf, also auch: wann die Endres’ mit dem, was sie seit Generationen tun, wieder Geld verdienen können.

Wie wird es weitergehen?

Eine Tour 2021 gibt es noch nicht, Patrick Endres hält nichts davon, wie sonst zu dieser Jahreszeit bei Gemeinden und Städten vorstellig zu werden, um irgendwann einen Platz für sein Zelt und die Wagen bekommen zu können. "Das macht keinen Sinn. Es weiß doch keiner, wann es wieder losgehen kann." Klar ist dagegen, dass die Familie im Januar auf einen "Angstgegner" trifft, wie es Patrick Endres formuliert: Der Lkw – unverzichtbar, weil er die Wohnwagen zieht – muss zum TÜV. Das Geld hierfür kommt momentan nicht in die Kasse.

Etwa 1000 Euro bekomme die Familie derzeit durch Sozialhilfe, erzählt Endres, zusätzlich etwa 200 Euro für Heizkosten. Die drei Wohnwagen seien aber so schlecht isoliert, dass die monatlichen Kosten für Heizöl eher 600 Euro betragen. Nach dieser Rechnung bleiben 600 Euro, um Nahrung für eine acht Mitglieder starke Familie zu kaufen. "Das reicht, um die Kinder zu ernähren. Wir kommen da durch", sagt Endres. Für eine Lkw-Reparatur reicht es aber nicht.

Freude in der schwierigen Zeit

Trotzdem wird viel gelacht bei den Endres. Etwa beim gemeinsamen Karaokesingen an Silvester oder bei Spaziergängen mit den beiden Möpsen am Kanal, den einzigen Tieren, die die Familie bei ihren Reisen begleiten.

Wenn der Zirkus voraussichtlich im März wieder aufbricht, werden die Endres vier Monate in Möhrendorf verbracht haben. Noch nie waren sie so lange an einem Ort. Es gibt bereits einen Plan, wie der Abschied von der Gemeinde aussehen soll, die so barmherzig zur Zirkusfamilie ist und war. "Wir werden ein Wochenende lang Gratisvorstellungen zeigen. Das haben sich die Menschen hier einfach verdient und wir freuen uns, wenn wir ihnen dadurch zumindest eine Kleinigkeit für ihre Unterstützung zurückgeben können."

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