Kaltgestellt seit Lockdown: Messebauer in der Pandemie

5.12.2020, 06:00 Uhr
Kaltgestellt seit Lockdown: Messebauer in der Pandemie

© Edith Kern-Miereisz

Fast seit 30 Jahren existiert das Unternehmen Messebau Rehorst GmbH, zu Hause im Gewerbegebiet in Weisendorf. Gründer Manfred Rehorst und seine Belegschaft fuhren "Volllast über Jahre", ständig auf der Suche nach Personal. Mit den Messe-Absagen am 27. Februar 2020 trat eine Situation ein, die man sich niemals hätte vorstellen können.

Den Einsatzplan öffnet Juniorchef Daniel Rehorst seit Monaten zum ersten Mal, "schon das allein ist erschreckend". Eigentlich sollte ihm das Geschäft zeitnah übergeben werden. Eigentlich. Diese Entscheidung steckt in der Warteschleife – wie vieles. Zu Beginn der Krise habe man noch von Woche zu Woche gedacht. Dann mussten Maßnahmen ergriffen werden.

Fixkosten herunter

Die fixen Kosten wurden heruntergeschraubt – vier Lkw, ein Transporter und ein Hänger wurden abgemeldet und stehen seither ungenutzt auf dem Hof – bitter. Für das Montagepersonal wurde Kurzarbeit beantragt, das erste Mal in der Firmengeschichte. Kundenkontakte wurden über Homeoffice aufrechterhalten.

Kaltgestellt seit Lockdown: Messebauer in der Pandemie

Langfristige Planung mit Vorlauf von bis zu einem halben Jahr und punktgenaue Lieferung sind die Koordinaten, in denen sich das Messegeschäft bewegt.

Drei Faktoren machten dies schier unmöglich: Darf eine Messe laut Gesetz stattfinden? Wollen Veranstalter wegen der Hygieneauflagen dies überhaupt? Mutet eine Firma ihren Mitarbeiten den Messebesuch zu?

Altersrücklagen aus guten Jahren wurden angezapft, Liquiditätskredite über die "kooperative Hausbank" beantragt. Der Unternehmerlohn und auch 450-Euro-Kräfte konnten nicht gezahlt werden.

Intensiv geprüft wurden digitale Ideen: Messe-Module virtuell am Rechner zu erstellen. Dies funktioniert zwar, doch damit sei kaum etwas zu verdienen, der Betrieb bei zwei Dritteln Montagemannschaft nicht finanzierbar. Und auch der Kunde nicht einverstanden, so die Erfahrung. Schon am Telefon sei Messebusiness unbefriedigend bis unmöglich. Denn es sei kaum überprüfbar, wer am anderen Ende telefoniert – Kunde oder Konkurrent?

Haptisch testen

Messe bedeute, sich zu begegnen, das Unerwartete aufzunehmen, spontan zu reagieren, Angebote haptisch zu testen, einen Geschäftspartner persönlich zu treffen. Dies sei keine Fortschrittsverweigerung, führen Manfred und Daniel Rehorst aus, sondern Überprüfung dessen, "was zum besseren Ergebnis führt".

Auch diese Überlegung legten die Rehorsts zu den Akten: Entwicklung eines neuen Produkts aus bestehenden Fähigkeiten der Firma. Dies wäre zunächst Konkurrenz zu Bodenlegern, Schreinern, grafischen Gestaltern mit der Zusatzhürde, Kunden zu finden.

Kaltgestellt seit Lockdown: Messebauer in der Pandemie

© Foto: Edith Kern-Miereisz

Falls das Hochfahren der Wirtschaft in einem halben Jahr kommt – und darauf hofft man – so wären Finanzmittel verbrannt und der neue Geschäftszweig ein "weiterer Klotz am Bein: Es ist die totale Crux", stellt Manfred Rehorst desillusioniert fest.

Auch die Auflage, Kurzarbeitergeld inklusive Sozialbeiträgen würde ab Sommer nur gezahlt, wenn der Mitarbeiter Fortbildungen erhält, brächte den Messebauern nichts: "Für einen Monteur ist eine digitale Lösung Quatsch", stellt Manfred Rehorst fest. Personal einmal entlassen zu müssen wäre unvorstellbar und "der Supergau".

So hofft die Branche auf eine Realisierung von Messegeschehen unter Pandemie-Auflagen einerseits: mit Schnelltests für Besucher, Abständen der Aussteller, Registrierung der Adressen, Lüftung der Ausstellungshallen. Beim Caravan Salon in Düsseldorf habe dies beispielsweise bereits funktioniert. Auch ein verfügbarer Impfstoff könne die Situation nicht merklich verbessern: Der Messebesucher könne ja nicht nach seinem Impfstatus gefragt werden.

Eine Zeit lang, so die momentane Einschätzung, kann man das Personal noch halten. Sollte in einem halben Jahr noch nichts laufen, so ist zu befürchten, dass sich die Mitarbeiter andere Arbeitsplätze suchen, etwa in der Baubranche. Damit wäre ein riesiger Wissensschatz verbrannt.

Die Gastrobranche, der Messebau oder die Kultur zählen zu den von der Corona-Pandemie am stärksten betroffenen Berufsgruppen. Mit am meisten belastend sei der Zwang zur Untätigkeit, sagen die beiden Messebauer. Trotz alledem: Manfred Rehorst schaute immer optimistisch ins Leben: "Mein Glas war immer halbvoll." Daran will er festhalten.

Info

Deutschland ist weltweit einer der größten Austragungsorte für Messen. Messebau gilt in der Branche als "Zehnkampf der Handwerker": Gefragt sind die Fertigkeiten von Schreinern, Zimmerern, Holzmechanikern oder auch Kfz-Mechanikern. Vielfach wird in der Branche mit Freelancern gearbeitet.

Messebau Rehorst wurde 1992 in Reinersdorf von Geschäftsführer Manfred Rehorst gegründet, hat 18 Mitarbeiter und bedient nationale und internationale Stammkunden in der ganzen Republik.

Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg baute die Firma Stände, ebenso auf der Internationalen Handwerksmesse, auf der LogiMAT in Stuttgart, einer Fachmesse für Distribution, Material- und Informationsfluss.

Auch auf der SHK Messe für Sanitär und Heizung in Essen standen Rehorst-Bauten, auf der Energy Storage Europe, auf der Fensterbau in Nürnberg. Ferner auf der GrindTec, der Internationalen Fachmesse für Schleiftechnik in Augsburg oder auf der Internationalen Waffenmesse (IWA) in Nürnberg und vielen weiteren Veranstaltungen. Mit den Messe-Absagen ab Ende Februar 2020 zu Beginn der Corona-Krise "wurde uns der Stecker gezogen", beschreibt Daniel Rehorst, Junior-Geschäftsführer, die Situation des Berufsstandes.

Die Stützhilfen der Bayerischen Staatsregierung und Überbrückungshilfen der Bundesregierung könnten bei weitem nicht die Fixkosten decken.

Mehr verspricht man sich von den "Novemberhilfen". Der digitale Messebau sei unter gegenwärtigen Bedingungen zu komplex und unausgereift, sagen die Messebauer. Messe, so die Unternehmer, lebe von "Begegnungen vor Ort, von Kontakten, von Haptik, vom Sympathie-Faktor".

 

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