Noch drei im Rennen

ICE-Werk-Standortauswahl: Diese sechs Gemeinden können aufatmen

3.9.2021, 16:19 Uhr
Im Nürnberger Stadtteil Altenfurt wurde über Monate hinweg immer wieder gegen das geplante ICE-Werk protestiert. Auch an den anderen möglichen Standorten kam und kommt es zu Protesten.

© Günter Distler Im Nürnberger Stadtteil Altenfurt wurde über Monate hinweg immer wieder gegen das geplante ICE-Werk protestiert. Auch an den anderen möglichen Standorten kam und kommt es zu Protesten.

Überraschende Wende bei der Standortsuche der Deutschen Bahn für ein neues ICE-Werk im Raum Nürnberg: Aus der bisherigen Vorauswahl der DB von neun möglichen Standorten scheiden sechs als ungeeignet aus.

Der Standort an der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt (Muna) Feucht, der Bereich südlich der Muna sowie der Standort Allersberg/Pyrbaum/Roth werden noch bis Ende des Jahres abschließend untersucht. Dann beginnt das Raumordnungsverfahren, an dessen Ende die Regierung von Mittelfranken jeweils die Raumverträglichkeit der drei Standorte bewertet.

Sechs Bereiche sind bereits ausgeschlossen worden.

Sechs Bereiche sind bereits ausgeschlossen worden. © Grafik NN

Nach Angaben der Bahn scheiden die bislang mit untersuchten Areale in Raitersaich, Müncherlbach und Heilsbronn aus, weil sie vom Nürnberger Hauptbahnhof nicht innerhalb der verfügbaren Zeitfenster erreichbar sind.

Die DB hatte für das neue Werk, das bis 2028 für rund 400 Millionen Euro im Großraum entstehen soll, die Maßgabe gesetzt, dass es nicht weiter als 25 Minuten Fahrzeit vom Hauptbahnhof entfernt liegen darf. Zudem müssen im Fahrplan genügend offene Zeitfenster sein, um die ICE zum Werk und zurück in den Betrieb bringen zu können.

Beim Standort in Nürnberg-Altenfurt/Fischbach, gegen den es von Anfang an erhebliche Bürgerproteste gab und gegen den sich auch die Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion sowie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ausgesprochen hatten, ist laut DB die "Anbindung der für das ICE-Werk geeigneten Flächen baulich bzw. betrieblich nicht realisierbar".

Laut DB-Projektleiter Carsten Burmeister sei Altenfurt/Fischbach zwar anfangs ein Vorzugsstandort gewesen. Die vertieften Untersuchungen hätten jedoch nun ergeben, dass der Standort "unabhängig" von den Eingriffen in die Natur betrieblich keinen Sinn mache.

Der Zu- und Ablauf der zu wartenden ICE über die S-Bahn-Gleise wäre aufgrund fehlender Kapazitäten und Zeitfenster nicht möglich, so Burmeister. Deshalb hätte man für die Anbindung des Werks an den Nürnberger Hauptbahnhof die Fernbahngleise nutzen müssen, was aber den Bau eines Tunnels oder einer Brücke zur Querung der S-Bahn-Trasse bedeutet hätte, so Burmeister.

Zu weit entfernt

Die Areale in Schwarzenbruck/Mimberg und Ezelsdorf scheiden aus, weil unter Berücksichtigung der Streckenauslastung der Nürnberger Hauptbahnhof ebenfalls nicht innerhalb der verfügbaren Zeitfenster erreichbar sei, so Burmeister.

Hinsichtlich der mit Kampfmitteln belasteten Muna-Fläche in Feucht erklärte Burmeister, dass die Experten der Bahn und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Eigentümerin in "intensiven" Gesprächen darüber seien, was eine Räumung kosten und wie lange sie dauern würde, wovon am Ende auch die Genehmigungsfähigkeit abhänge.

Keinerlei Gespräche gebe es aktuell zu einem möglichen Kauf. Solche Verhandlungen würden erst nach erfolgtem Planfeststellungsbeschluss stattfinden, so Burmeister.

In dem Werk, mit dem 450 neue Arbeitsplätze entstehen, sollen täglich bis zu 25 ICE-4 gewartet werden. Dabei geht es vor allem um die extralange Version der neuen Fernverkehrszüge, die mit 13 Waggons bei 374 Metern liegt.

Bis zum Frühjahr 2022 soll der für das Werk am besten geeignete Standort feststehen. Für diesen wird die DB anschließend eine konkrete Planung erstellen.

„Auch dank einer umfangreichen Beteiligung der Region können wir nun die Standorte aussortieren, an denen ein ICE-Werk für uns aufgrund sachlicher Erwägungen nicht vorstellbar ist. Wenn wir einen Standort mit unseren Zügen gar nicht erst erreichen können – zeitlich oder baulich – dann kann es dort auch kein betriebsnahes Werk geben und eine weitere Betrachtung wäre sinnlos. Jetzt liegt unser Fokus auf einem konstruktiven Dialog mit den Menschen an den drei Standorten, die im Rennen bleiben. Wir sind überzeugt davon, dass wir am Ende gemeinsam mit der Region eine gute Lösung finden.“, so Burmeister.

Bahn: Anliegen werden berücksichtigt

Der DB-Konzernbevollmächtigte für Bayern, Klaus-Dieter Josel, erklärte erneut, wie wichtig das neue ICE-Werk in Nürnberg mit Blick auf das Erreichen von Klimaschutzzielen sei. Diese seien nur "durch den Mobilitätswandel und die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene" zu erfüllen. "Das heißt zusätzliche Züge, das heißt, wir brauchen auch mehr Wartungsmöglichkeiten", so Josel.

Beim Auswahlprozess für den finalen Standort lege die DB Wert auf Transparenz, unterstrichen Josel und Burmeister.

Der Bürgermeister von Feucht, Jörg Kotzur, zeigte sich überrascht von den Ankündigungen der Deutschen Bahn und kann sich persönlich nicht vorstellen, dass für das Muna-Gelände eine Raumverträglichkeit festgestellt wird.

"Dürfte keine Chance haben"

"Wenn man sich anschaut, welche Naturgegebenheiten wir hier haben, dürfte das Gelände im Raumordnungsverfahren keine Chancen haben", so Kotzur. Schließlich gehe es auch hier um Bannwald und ein Natura2000-Schutzgebiet. Der Widerstand der Bürger werde deshalb weitergehen und die Stadt im Raumordnungsverfahren eine entsprechende Stellungnahme abgeben.

Auch die Begründung, mit der Altenfurt/Fischbach nun aus dem Rennen genommen wurde, erstaunt Kotzur. "Das hätte die Bahn doch auch schon früher wissen können."

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König begrüßte die Entscheidung der DB. „Ich freue mich für die Menschen aus Altenfurt und Fischbach über diese Nachricht, denn sie haben sich große Sorgen um ihren Wohnstandort und um den Wald vor Ort gemacht“, so König.

„In einem nächsten Schritt ist es wichtig, dass die Bahn gemeinsam mit den Bürgermeistern der Region und den Anwohnerinnen und Anwohnern eine praktikable Lösung für einen der verbleibenden Standorte findet. Das Raumordnungsverfahren bietet dafür die richtige Plattform. Ich werde diesen Prozess weiterhin begleiten, denn das ICE-Werk ist wichtig für unsere Region und die Verkehrswende“, so König.

Nach Angaben des CSU-Bundestagsabgeordneten Michael Frieser habe die Bahn mit ihrer Entscheidung gezeigt, "dass sie die Kritik aus Bevölkerung und Politik im Sinne einer planmäßigen Verwirklichung des Projekts ernst nimmt."

Werk in der Region unerlässlich

„Ich bin erleichtert, dass der Nürnberger Standort aus dem weiteren Auswahlverfahren genommen wird. Objektiv haben zu viele Kriterien und fachlichen Argumente für die Fläche zwischen Fischbach und Altenfurt gesprochen, allen voran die Nähe zur Wohnbebauung“, meint Nürnbergs SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Brehm.

„Von daher ist die Entscheidung der Deutschen Bahn nur folgerichtig.“ In den Augen der Nürnberger Sozialdemokraten bleibe ein Werk in der Region für das Gelingen der Verkehrswende aber unerlässlich.

„Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Verfahren mit größtmöglicher Beteiligung und Transparenz noch ein geeigneter Standort gefunden werden kann. Sofern man den Flächenbedarf - wie vom Bund Naturschutz vorgeschlagen - durch eine überarbeitete Planung weiter reduzieren könnte, würde das auch den Eingriff in Umwelt und Natur noch einmal schmälern.“

Weitere Dialogangebote

Ab Oktober plant die DB dazu weitere Dialogangebote online und persönlich vor Ort. Die Termine werden rechtzeitig auf der Projekt-Webseite angekündigt. Thematische Schwerpunkte der Veranstaltungen werden die Bereiche „Mensch und Natur“ sein: Von Schallschutz bis Aufforstung wird es darum gehen, wie das ICE-Werk möglichst verträglich für Menschen, Pflanzen und Tiere gestaltet werden kann.

Dazu will die DB Ergebnisse aus Gutachten beispielsweise zu Schall oder Licht vorstellen und diese mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam diskutieren.

Auch das Informationsangebot auf der Projekt-Webseite www.ice-werk-nuernberg.de werde ausgeweitet: Ein Projekt-Blog gibt künftig regelmäßige Einblick in die Planung, über eine Infomail können Interessierte auf dem Laufenden bleiben.

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