Welche Auswirkung hat Corona?

In diesen Berufen waren die Menschen am häufigsten krank

13.1.2022, 06:00 Uhr
Ihr Job ist anstrengend und körperlich fordernd. Dennoch ist der Krankenstand bei den Pflegekräften immer noch niedrig.

© Hans-Joachim Winckler, NN Ihr Job ist anstrengend und körperlich fordernd. Dennoch ist der Krankenstand bei den Pflegekräften immer noch niedrig.

Die Bayern sind ein gesundes Volk. Gemessen an ihren Krankheitstagen sind nur noch die Hamburger und die Baden-Württemberger fitter, wobei der Abstand übersichtlich ist. 16,3 Tage haben die Bayern 2020 im Schnitt in der Arbeit gefehlt; bundesweit lagen die Fehltage bei 18 pro Kopf.

Ganz anders freilich sieht das Bild aus, wenn es um bestimmte Berufsgruppen geht. Und hier stehen seit Beginn der Pandemie vor allem die Pflegekräfte im Fokus. Wie belastend und körperlich fordernd ihr Beruf ist, zeigen die Zahlen, die der Barmer Gesundheitsreport auflistet. Die Zahl der Fehltage liegt in ihrer Gruppe um 50 Prozent höher, bei 24 statt 16 Tagen. Nur bei Post- und Paketzustellern liegen die Zahlen noch höher.

Körperlich hart

Wer die Zahlen weiter aufschlüsselt, stellt schnell fest, wo die Hauptprobleme liegen. Jede vierte Krankschreibung bei den Pflegekräften geht auf Muskel- oder Skeletterkrankungen zurück, jede fünfte auf psychische Probleme. Je länger die Menschen in diesem Beruf arbeiten, desto schwerer wiegen die Folgen der körperlichen Belastung.

In diesen Berufen waren die Menschen am häufigsten krank

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Auch deshalb fordern Fachleute wie der ärztliche Direktor des Münchner Klinikums rechts der Isar eine grundlegende Reform der Pflege. "Wir müssen die Arbeitsbedingungen umfassend angehen", sagt Martin Siess. "Einzelne Maßnahmen reichen da nicht mehr aus." Das reiche von der Personaldecke bis zum Gesundheitsschutz, gerade für ältere Beschäftigte.

Viele Infizierte

Das Team um Barmer-Landesgeschäftsführerin Claudia Wöhler hat auch untersucht, welche Rolle Covid-19 in den Pflegeberufen und generell gespielt hat. Es bestätigte sich, dass in Bayern die Zahl der Corona-Infektionen überdurchschnittlich hoch war, besonders unter den Pflegekräften. Martin Siess warnt allerdings vor falschen Rückschlüssen. "Wer glaubt, das Krankenhaus sei deshalb ein gefährlicher Ort, den kann ich beruhigen", sagt er.

Studien zeigen demnach, dass beim Personal neun von zehn Infizierten sich im privaten Umfeld angesteckt haben und nicht in der Klinik. "Das gilt im Moment auch für Omikron", sagt Siess, der bestätigt sieht, "wie wichtig unsere Hygienevorschriften sind". Und dass sie funktionieren, das zeige sich damit auch. Zumal Corona bei den Krankmeldungen eine absolut untergeordnete Rolle spielte. Nur 0,7 Prozent aller Fehlzeiten gehen auf das Virus zurück.

Voll getroffen

Dass in Bayern die Infektionszahlen in der Pflege wie außerhalb überdurchschnittlich hoch sind, überrascht den Mediziner nicht. "Die erste Pandemiewelle hat zuerst den Süden getroffen", sagt er. "Wir hatten sehr hohe Fallzahlen in den Kliniken, weil die Infizierten sehr schnell angeflutet sind." Das habe immer wieder zu Einbrüchen in den Krankenhäusern geführt, Hygienekonzepte über den Haufen geworfen und letztlich die Infektionszahlen im Freistaat so nach oben getrieben, dass das Land bundesweites Schlusslicht wurde und den Negativrekord bei den Infektionszahlen hielt. Auch bei den Pflegekräften übrigens, die sich im Schnitt doppelt so häufig krank meldeten wie ihre Kollegen in anderen Bundesländern.

Corona ist allgegenwärtig. Inzwischen werden deshalb auch die Kleinsten auf das Virus getestet.

Corona ist allgegenwärtig. Inzwischen werden deshalb auch die Kleinsten auf das Virus getestet. © imago images/photothek/Ute Grabowsky, NN

Seitdem ist viel die Rede davon, wie überlastet das Klinik- und Pflegepersonal ist. Auch Martin Siess bestätigt das. "Dass de Zahlen überdurchschnittlich hoch sind, zeigt doch, wie belastet unser Personal ist." Doch während die Fachleute der Barmer noch keinen Überblick darüber haben, wie sich die Lage 2021 und damit im zweiten Pandemie-Jahr entwickelt hat, weiß Siess bereits mehr. Naheliegend, dass sich die Kranmeldungen im zweiten Corona-Jahr noch gesteigert haben. Doch laut Siess ist das Gegenteil der Fall. "Wir hatten 2020 tatsächlich einen höheren Krankenstand als 2019", sagt der ärztliche Direktor. "2021 aber hat er sich wieder eingependelt auf dem Niveau der Vorjahre."

Konzepte funktionieren

Das lässt zwei Rückschlüsse zu: Die Hygienekonzepte der Kliniken funktionieren mittlerweile auch in den Corona-Wellen. Und das Engagement der Pflege- und Klinikkräfte ist unverändert hoch, aller Belastung zum Trotz. Tatsächlich zeigen sich für die Allgemeinheit die gesundheitspolitischen Baustellen nicht nur bei den Pflegeberufen. Auch bestimmte Krankheitsbilder nehmen dramatische Formen an. Psychische Störungen wie Depressionen stellen inzwischen gut ein Fünftel der Krankmeldungen. Und die Betroffenen bleiben immer länger weg von der Arbeit, 2020 etwa im Schnitt 51 Tage. Ein Plus von sechs Tagen gegenüber dem Vorjahr. "Besorgniserregend" nennt Barmer-Landesgeschäftsführerin Claudia Wöhler den Trend, zumal es vor allem Frauen trifft. Männer kämpfen eher mit körperlichen Beschwerden.

In einer früheren Version dieses Artikel stand irrtümlich, es handele sich um die Zahlen von 2021. Dieser Fehler wurde korrigiert, wir bitten ihn zu entschuldigen.

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