Chemikalie baut sich nicht ab

In Gewässern und Boden: Umweltgift PFC ist in der Region großflächig verteilt

20.9.2021, 05:58 Uhr
Bei Flugzeugbränden hilft nur noch ein spezieller Löschschaum, um den Brand eindämmen zu können. Früher enthielt dieser Schaum große Mengen an dem Umweltgift PFC, das jetzt im Boden vieler Flughäfen wie dem Nürnberger Airport lagert und ihn kontaminiert hat.

© Roland Fengler Bei Flugzeugbränden hilft nur noch ein spezieller Löschschaum, um den Brand eindämmen zu können. Früher enthielt dieser Schaum große Mengen an dem Umweltgift PFC, das jetzt im Boden vieler Flughäfen wie dem Nürnberger Airport lagert und ihn kontaminiert hat.

PFC ist eine Chemikalie, die es so in der Natur nicht gibt. Dabei ist die Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), unter der alle PFC-haltigen Substanzen laufen, auf den ersten Blick sehr praktisch: sie sind wasser-, schmutz- und fettabweisend und bleiben auch bei Hitze und in Kontakt mit vielen anderen Chemikalien stabil. Entsprechend findet sich die Chemikalie nicht nur im Löschschaum wieder sondern auch in vielen Dingen des Alltags: in beschichteten Pappbechern und Kochgeschirr, Pizzakartons, Outdoor- oder Arbeitskleidung, Imprägnierprays oder Skiwachs und Wetterschutzfarben.

Drei bis sechs Jahre im Körper

Mit der Erfindung dieses Stoffes hat sich der Mensch jedoch nichts Gutes getan. Denn die Chemikalie wird in der Natur nicht zersetzt - auch der menschliche Körper ist nicht imstande, die Substanz abzubauen. Er behält die Chemikalie zwischen drei bis sechs Jahre im Körper ehe sie ausgeschieden werden. Das Ergebnis: Die Chemikalie reichert sich an - sowohl im menschlichen und tierischen Körper als auch in der Natur. Über Wasser und Luft haben sich PFAS mittlerweile bis in die entlegensten Gebiete der Welt verteilt und finden sich beispielsweise im Himalaya oder der Arktis wieder.

In der Region hat das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) zehn Orte ausgemacht, in denen aktuell große Mengen PFAS-Altlasten im Boden stecken und zu schädlichen Bodenveränderungen geführt haben:

- Flughafen Nürnberg

- US-Flugplatz Katterbach im Landkreis Ansbach

- Otto-Lilienthal-Kaserne Roth

- Militärflugplatz Illesheim im Landkreis Neustadt/Aisch

- US-Truppenübungsplatz Hohenfels im Landkreis Neumarkt

- US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr im Landkreis Neustadt an der Waldnaab

- Ehemalige Monteith-Barracks in Fürth

- Großer Birkensee im Nürnberger Land

- Ehemalige militärische Einrichtungen in Schweinfurt und Würzburg

Am Flughafen Nürnberg laufen seit 2014 aufwändige Bodensanierungsarbeiten, um die Konzentration der Chemikalie dort zu reduzieren. Doch das Umweltgift ist durch Regen- und Grundwasser längst schon weiter gezogen. An der 32 Kilometer entfernten Messstelle Hausen bei Heroldsbach stellte das LfU seit 2007 bei Probeentnahmen in der Regnitz eine deutliche Überschreitung der Grenzwerte für verschiedene Untergruppen der PFAS fest.

Flughafen Nürnberg: Grenzwert um das Sechsfache überstiegen

"Als eine wesentliche Belastungsursache in der Regnitz wurde der Flughafen Nürnberg identifiziert", bestätigt das LfU auf Nachfrage. Auch wenn die Konzentration der zwei am häufigsten genutzten Stoffe PFOS und PFOA seit Jahren stetig sinkt, war der Grenzwert 2018 immer noch um das Sechsfache überstiegen.

Während alle Standorte in der Region Militär- oder Flugplätze sind, verhält es sich mit dem Großen Birkensee im Nürnberger Land anders. 2015 wurde bei einer Wasserprobe erstmals PFC in bedenklicher Konzentration nachgewiesen. In einem noch nicht veröffentlichten Bericht wird der Zustrom von PFC-haltigem Wasser dafür verantwortlich gemacht.

"Um die PFC-Konzentration im Birkensee wirksam zu reduzieren, wird eine Quellsanierung notwendig", sagt Pressesprecherin Iris Bitzigeio vom Landratsamt Nürnberg. Aktuell würden im Zustrom zum Birkensee und dem östlich gelegenen Sandabbau Untersuchungen zur Quelllokalisierung durchgeführt.

Chemikalien in Fischen nachgewiesen

Auch hier ist aber im Birkensee nicht Endstation für das Umweltgift. Im nahe gelegenen Röthenbach wurden bedenkliche Konzentrationen von PFOS in Fischen nachgewiesen. Ebenso in der Pegnitz ab dem Zufluss des Röthenbachs in den Fluss. Im oberflächennahen Grundwasser entlang des Röthenbachs wurden an mehreren Messstellen die Schwellenwerte für PFC deutlich überschritten. "Damit liegen erhebliche Grundwasserverunreinigungen vor", so Iris Bitzigeio. Eine großflächige Sanierung dieses Gebietes ist unumgänglich.

Noch weiß man nicht in Gänze, wie sich PFAS auf den Menschen auswirkt. Doch Langzeitstudien mit Nagetieren ergaben, dass PFAS die Entstehung von Leberkrebs und anderen Tumoren bei den Tieren förderte. Sicher ist jedoch bereits, dass die Chemikalie den Anstieg von Cholesterol im Blut befördert und das Geburtsgewicht von Kindern verringern kann. Speziell der Stoff PFOS (Perfluoroctansulfonat), der besonders oft verwendet wird, kann eine verminderte Bildung von Antikörpern nach Impfungen bei Kindern nach sich ziehen.

Höchstgrenzen für PFC fehlen

"Noch gibt es auf EU- und auf Bundesebene nur Empfehlungen, aber keine gesetzlich festgeschriebenen Höchstgrenzen für PFC", schreibt das Landratsamt Nürnberger Land in einer Informationsbroschüre zum Thema. "Das bedeutet für die Verwaltung, also Ämter und Behörden, dass sie keine Druckmittel an der Hand haben, um Überschreitungen der Empfehlungen zu verbieten oder zu sanktionieren."

Das Umweltbundesamt arbeitet derzeit mit anderen europäischen Staaten an einer Verbots-Empfehlung für die gesamte Stoffgruppe, doch das kann noch viele Jahre dauern. In Asien dagegen, wo zum Beispiel der Großteil unserer Kleidung herstammt, darf PFAS unbegrenzt genutzt und eingesetzt werden - und gelangt über das Abwasser auch ins Meer. "Gewässer starten und enden nicht bei uns", resümiert eine Sprecherin des LfU.

Wie kann ich verhindern, PFAS-haltige Substanzen einzunehmen?

- Achten Sie beim Kauf von Outdoor- oder Arbeitskleidung auf den Hinweis, ob die Imprägnierbeschichtung PFC-frei ist. Hersteller wie Vaude, Jack Wolfskin und Fjällräven stellen bereits ausschließlich PFC-freie Produkte her. Gore-Tex und Mammut sind gerade in der Umstellungsphase. Eine Anfrage beim Kundenservice lohnt sich bei jedem Hersteller.

- Nutzen Sie keine Papierverpackungen mit Beschichtung. Auch Papierstrohhalme sind beschichtet. Nutzen Sie lieber Strohhalme aus Glas, Edelstahl oder Silikon und lassen Sie Ihren Kaffee in wiederverwendbare Becher füllen.

- Teflonbeschichtete Pfannen und Töpfe gehören ins Altmetall, wenn die Beschichtung beschädigt ist. Keramikbeschichtetes Kochgeschirr ist die gesunde Alternative zu Teflon.

- Leber von Wildtieren wie Wildschwein enthält unter Umständen besonders viel PFAS, da sich die Chemikalie in diesem Organ besonders anreichert. Auch in Fischen und Meeresfrüchten ist der Gehalt der Substanz mitunter hoch. Deshalb: Vom übermäßigen Verzehr wird abgeraten.

- Orientieren Sie sich beim Kauf von Produkten an Umweltzeichen wie zum Beispiel den Blauen Engel.

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