Landwirte stellen grüne Kreuze auf: Das steckt dahinter

12.10.2019, 05:57 Uhr
Zahlreiche Landwirte haben als Zeichen des Protestes grüne Kreuze am Rande ihrer Felder aufgestellt.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa Zahlreiche Landwirte haben als Zeichen des Protestes grüne Kreuze am Rande ihrer Felder aufgestellt.

Den Traum, selber einmal Landwirt zu werden, hatte Christian Schindler schon früh. "Ich wollte das von klein auf machen, das ist meine Leidenschaft", sagt der 22-Jährige. Er ist im familieneigenen Betrieb im Nürnberger Knoblauchsland groß geworden.

Gerade besucht er neben der Arbeit her die Staatliche Fachschule für Agrarwirtschaft in Fürth und wird bald die Meisterprüfung im Gemüsebau ablegen, um irgendwann in sechster Generation die rund zehn Hektar für Kartoffeln, Lauch, Stangensellerie und vielem mehr rund um den Hof übernehmen zu können. Das ist der Plan.

Aber ob es wirklich so kommt, die mühevolle Bewirtschaftung sich auch in Zukunft noch lohnt, weiß der stille junge Mann nicht zu sagen. Deshalb steht am Rand der Felder, direkt neben der vielbefahrenen Marienbergstraße, ein meterhohes grünes Kreuz.

Vor zwei Wochen hat er es aufgestellt, sagt Schindler. Dabei geht es ihm und seiner Familie nicht darum, gegen etwas zu demonstrieren. Das Zeichen soll ein Mahnmal sein. Die Menschen, die es sehen, sollen sich ernsthaft Gedanken über die Probleme und ihren eigenen Blick auf die Landwirtschaft machen. Wie zwiespältig der ist, weiß Schindler aus eigener Erfahrung. Erst kürzlich habe er mit zwei Bekannten über seinen Beruf geredet, sagt er. Dabei sei schon Wertschätzung zu spüren gewesen. "Die haben auch gesagt, dass sie schauen, wo ihr Gemüse herkommt." Aber als es um den Preis ging, den sie dafür zu zahlen bereit sind, seien sie plötzlich ruhig geworden.

Bedrohung durch Bauprojekte

Speziell hier geht es außerdem um den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen selber. Im Raum steht die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Marienberg auf 61 Hektar rund um den Flughafen, der Maßnahmenplan "Multifunktionale Auenlandschaft Gründlachtal", der Wetzendorfer Bypass und der geplante Bau der Stadt-Umland-Bahn und damit die Frage, ob in Zukunft wertvolles Ackerland verloren geht.

Und dann ist da ja noch die gesellschaftliche Debatte, die auch Peter Höfler als Obmann des Kreisverbands Nürnberg-Stadt im Bayerischen Bauernverband nur zu gut kennt. Verschärfte Düngeverordnung, Bienen-Volksbegehren, Nitratwerte, das zuletzt beschlossene Agrarumweltpaket: Die eigentlich begrüßenswerte Diskussion um Umwelt- und Artenschutz wird auch in seinen Augen einseitig zulasten der Landwirte geführt, die ohnehin schon seit Jahren mit überbordender Bürokratie und steigenden Auflagen zu kämpfen hätten. "Aber jeder Betrieb, der mal aufgegeben wurde, bleibt in der Regel auch zu", sagt Höfler.

Gleichzeitig würden sich aber alle möglichst regional produzierte und hochwertige Lebensmittel wünschen, gilt der Erntedank-Festzug mit den vielen Wagen aus dem Knoblauchsland alle Jahre wieder als Höhepunkt der Fürther Michaelis-Kirchweih. Bereits im letzten Jahr hatte Höfler deshalb mit dem Landwirt Wilhelm Schuh geplant, am Rand von Höfen schwarze Kreuze aufzustellen, es dann aber doch sein lassen, auch aus Respekt vor der christlichen Symbolik.


Die Gesellschaft zeigt Bayerns Landwirten den Stinkefinger


Die Aktion mit den grünen Kreuzen geht auf den Nebenerwerbslandwirt Willi Kremer-Schillings in Nordrhein-Westfalen zurück, der als "Bauer Willi" auch in den sozialen Medien präsent ist. Anfang September hat er die ersten grün gestrichenen Kreuze auf seine Felder gestellt. Inzwischen stehen seiner Schätzung nach bundesweit rund 20.000, demnach würde sich fast jeder zehnte Betrieb an der Bewegung beteiligen.

Auch in der Region nimmt dieser stille Protest am Straßenrand immer mehr zu, bestätigt Höfler. Der Bayerische Bauernverband unterstützt die Aktion "als Zeichen der Mahnung in der aktuell schwierigen Situation und der miesen Stimmung in der Land- und Forstwirtschaft" ausdrücklich.

In der Staatsregierung scheint das inzwischen angekommen zu sein. Mit einer großangelegten Imagekampagne und einem massiven Einsatz für regionale Lebensmittel will Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) der Landwirtschaft in Bayern demonstrativ den Rücken stärken. Vor allem Menschen in den Städten sollen für die Sorgen der bäuerlichen Familien sensibilisiert werden, im Gespräch ist mehr Werbung für regionale Lebensmittel und auch ein "Schaubauernhof" in München.

Nur Lippenbekenntnisse?

Insgesamt stehen für die Kampagne fünf Millionen Euro zur Verfügung. Man wolle Stadt und Land wieder zusammenbringen, so Kaniber nach der Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag.

Im Knoblauchsland wünschen sich Landwirte gemeinsam mit dem Vorstadtverein Nürnberg-Nord, dass es nicht länger bei "Lippenbekenntnissen" der Kommunal- und Landespoltitik bleibt. Bis dahin werden wohl noch viele grüne Kreuze dazukommen.

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