"Migranten ertrinken lassen": Nürnberger Pfarrer spricht von Fehler

20.11.2020, 19:27 Uhr

© Foto: Aris Messinis/afp

In seiner persönlichen "Kirchlichen Erklärung" stellt der promovierte Theologe jetzt klar, dass er den Kern seiner ausgeführten These nicht mehr wiederholen würde, weil sie einen "herzlosen Pfarrer" suggeriere. "Ich will aber mit vollem Herzen für die Menschen da sein, auch für die schuldig oder unschuldig in Not geratenen", schreibt er.


Nürnberger Pfarrer würde "Migranten ertrinken lassen" - ein Kommentar


Sein "Hauptfehler" sei es gewesen, "dass ich selbst tat, was ich Befürwortern kirchlicher Seenotrettung vorhalte: Ich habe mich von kirchlichem Amt und Auftrag aus ins Feld konkreter Politik begeben". Er sei quasi aus der Rolle gefallen, und das tue ihm leid.

Matthias Dreher betont in seiner jüngsten Rechtfertigung aber auch, der Satz "Ein Christ kann nicht ertrinken lassen" rette niemanden. Er formuliere ein "unerfüllbares Ideal" und stelle seinen Sprecher auf die moralisch vermeintlich "gute" Seite. Das sei eine Selbsttäuschung.

Ein Schiff im Mittelmeer rette nur, wen es konkret findet, "weitere Menschen lockt es, ohne zu helfen". Und andere Migrationsprobleme würden übergangen. Dreher spricht in seinem Text von einem "selbstglorifizierenden Idealismus – gerade im Raum der Kirche".

Der Nürnberger Pfarrer war einige Jahre lang bis 2019 Mitarbeiter am Lehrstuhl des Neuendettelsauer Theologieprofessors Klaus Raschzok. Dieser ist inzwischen emeritiert. Bis April war er Mitglied der Landessynode und dort Vorsitzender des Ausschusses für Grundfragen.

Scharfe Kritik an der EKD

Raschzok gehört zu den Mitunterzeichnern einer Erklärung "Solidarität mit Pfarrer Dr. Matthias Dreher". Die hat ihren Ursprung in Baden-Württemberg und wird von Dutzenden Pfarrern unterstützt, aber auch von Medizinern. Derzeit gibt es 48 Unterzeichner, unter anderem aus der Schweiz. Gegenüber unserer Zeitung sagte Raschzok, er finde Drehers ursprüngliche Formulierung zur Seenotrettung schon auch "höchst problematisch". Er habe sich aber gewundert, dass die evangelische Landeskirche sehr schnell mit dem "schärfsten Schwert" reagiert habe, nämlich mit der Entfernung Drehers aus seiner Gemeinde.

Ausschlaggebend für diesen Schritt war allerdings die Haltung des Kirchenvorstands vor Ort in Nürnberg zu Drehers Ansichten und nicht die Kirchenzentrale in München. Von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm war lediglich Widerspruch gegenüber Drehers Thesen zur Seenotrettung zu hören gewesen, an der auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beteiligt ist. Bedford-Strohm ist auch EKD-Ratsvorsitzender.

In der Solidaritätsadresse für Dreher heißt es nun, die Unterzeichner "widerstehen dem permanenten Versuch der EKD, der Landeskirchen und häufig auch der mittleren Leitungsebene, aus einer bestimmten politischen Haltung in der Migrationsfrage eine Bekenntnisfrage zu machen". Ihre Redeweise ersticke "jede vernünftige und abwägende Diskussion über etwaige negative Folgen der privaten bzw. kirchlichen Seenotrettung" im Keim.

Zudem plagt die Unterstützer mit Blick auf die Ereignisse um den Nürnberger Matthias Dreher "große Sorge um die Lehr- und Gewissensfreiheit der Pfarrer".

Man solidarisiere sich ausdrücklich mit dem Nürnberger Pfarrer und allen anderen, "die aufgrund ihrer theologischen oder politischen Überzeugungen Nachteile erleiden müssen, obwohl sie fest auf dem Boden des Grundgesetzes, der kirchlichen Bekenntnisse und dem Zeugnis der Heiligen Schrift verankert sind".