Mordversuch bringt Mann aus Roth sechs Jahre hinter Gitter

10.3.2021, 16:26 Uhr
Mordversuch bringt Mann aus Roth sechs Jahre hinter Gitter

© Daniel Naupold, dpa

Ein "dickes fettes Fragezeichen", so formulierte es Markus Bader, der Vorsitzende Richter der 19. Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth, zu Beginn der Hauptverhandlung in der vergangenen Woche, schwebe über diesem Verfahren - nach einer aufwändigen Beweisaufnahme sind die Richter davon überzeugt, dass Martin O. (Name der Betroffenen geändert) an jenem Abend des 16. Juni 2020 gegen 22 Uhr betrunken war, unter dem Einfluss von Psychopharmaka stand und den später Geschädigten Kurt N. auf dem Heimweg heimtückisch angriff.

Geständnis abgelegt, doch kein Motiv genannt

Diesen Angriff räumte Martin O. von Anfang an ein, den Grund für die Bluttat wollte er jedoch auch auf mehrfache Nachfrage der Richter und des Geschädigten Kurt N. (60) nicht nennen. Gleichzeitig beschrieben einige Stammgäste der Rother Wirtschaft "Frankenstube" den Angeklagten als besonders friedlichen Zeitgenossen – und so waren auch Gutachter gefragt: Wie gefährlich war der Angriff? Was ging hinter der Stirn des O. vor? Hatte er überhaupt gesehen, wen er verletzte?

Psychiater und Gerichtsgutachter Dr. Timucin Türker ist überzeugt, dass Martin O. nicht im Wahn handelte, jedoch unter dem Einfluss von Alkohol und Benzodiazepinen stand - und es ohne den Rausch und die Psychopharmaka wohl nicht zum Angriff gekommen wäre. Er hatte Martin O. im Herbst in der Untersuchungshaft besucht und einen Mann kennengelernt, der in geordneten Verhältnissen aufwuchs und ein unauffälliges Leben führte, bis ihn im Jahr 2010 Angstzustände heimsuchten und so sehr quälten, dass Martin O. ein Jahr später zum Frührentner wurde.

Abhängig von Benzodiazepinen

Diese psychische Erkrankung hatte Martin O. mit Benzodiazepinen in den Griff bekommen, doch er war von den Psychopharmaka abhängig geworden. Dies werden, so Türker, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, aus medizinischer Sicht in Kauf genommen, doch die Wechselwirkung mit Alkohol sei problematisch.

O. hatte zum Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille, auch die Benzodiazepine sowie Antidepressiva wurden in seinem Blut nachgewiesen. Der Psychiater glaubt zwar nicht, dass dieser Rausch die Einsicht des O. und dessen Fähigkeit, sich zu steuern, beeinträchtigt hatte, doch in seiner Gefährlichkeitsprognose hielt er fest: Bliebe Martin O. unbehandelt, sei die Gefahr groß, dass er erneut schwere Straftaten begehen würde.

U-Haft ist Teil der verhängten Freiheitsstrafe

Es ist daher als Schutz der Allgemeinheit zu verstehen, dass die Richter der 19. Strafkammer auch die Einweisung des Martin O. in eine Entziehungsanstalt angeordnet haben, die Therapie wird mindestens 24 Monate in Anspruch nehmen. Doch vorher muss Martin O., er sitzt seit der Tat in U-Haft, ein Jahr Strafhaft vollbüßen. Rechnerisch ist die erlittene U-Haft Teil der Freiheitsstrafe. Nach zwei Dritteln Haft kann der Rest der verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das Motiv des Messerattacke konnte in der Beweisaufnahme nicht ergründet werden. Der Psychiater hält es für denkbar, dass O., er hatte gerade seine Wohnung verloren und fürchtete die Obdachlosigkeit, aus dem Leben scheiden wollte und im Sinn eines erweiterten Suizids den Geschädigten mit sich nehmen wollte. Es sei möglich, dass sich Martin O. eine frühere Kränkung durch den Geschädigten eingebildet habe.

Vor dem Richterspruch hatte Staatsanwalt Daniel Hader in seinem Schlussvortrag wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zehn Jahre Freiheitsstrafe beantragt. Verteidiger Philipp Schulz-Merkel wertete die Tat als gefährliche Körperverletzung und beantragte fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Er plädierte auch dafür, den Angeklagten für zwei Jahre in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. Als zweiter Verteidiger des Angeklagten schloss sich Michael Löwe dieser Forderung an.