Muezzinruf im Nürnberger Land sorgt weiter für Diskussionen

17.5.2020, 14:48 Uhr
Imam Saruhan Senol und die Vorsitzenden des Ditib-Vereins beim Gebet in der Laufer Moschee.

Imam Saruhan Senol und die Vorsitzenden des Ditib-Vereins beim Gebet in der Laufer Moschee.

Nach zahlreichen Rückmeldungen aus der Bevölkerung und den Religionsgemeinden, nach Leserbriefen und der Aufklärung des Missverständnisses, dass es von der evangelischen Kirche tatsächlich keine offizielle Befürwortung des Rufes gab, wird jetzt neu diskutiert.

Am Montag trafen sich Vertreter der Stadt, der evangelischen Kirchengemeinde und der Türkisch-Islamischen Gemeinde – der Laufer Ditib – zum Gespräch.

Laufs Bürgermeister: Alles wieder auf Anfang?

Laufs Bürgermeister Thomas Lang hatte rund 20 Zuschriften von aufgewühlten Bürgern erhalten, wie er sagt. Die Entscheidung, den Gebetsruf zu genehmigen, fällte die Stadt vor seiner Amtszeit. "Ich würde nun gerne die ganze Diskussion zurück auf Anfang stellen", sagt Lang.

Bei der Diskussion am Montag hätten alle Beteiligten auf ihrem Standpunkt bestanden, jetzt sei das Laufer Ordnungsamt dabei, den Antrag erneut zu prüfen. "Wir haben jetzt andere Gemeinden und überregionale Behörden angeschrieben und um ihre Stellungnahme gebeten. Ob der wöchentliche Gebetsruf künftig weiter stattfinden wird, ist aktuell völlig offen", sagt Lang.

Diskussion: Nicht Lauf sondern Bayern

Eigentlich sei es ein wichtiges Thema, das nicht das Laufer Ordnungsamt klären sollte, sondern endlich bayernweit diskutiert werden müsse. "Ich kann die unterschiedlichen Sichtweisen nachvollziehen. Für die einen ist der Gebetsruf ein Signal von Akzeptanz und Willkommenskultur, andere haben Probleme mit der öffentlichen Verkündung eines Glaubensbekenntnisses", sagt Lang.


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Nun sei es für die Stadt sehr schwer, eine Lösung zu finden, die die Stimmung wieder ins Positive verändere. "Lauf ist durch Projekte wie das Fest der Nationen eigentlich ein Vorbild in Bezug auf das interkulturelle Zusammenleben. Es ist schade, dass die Diskussion nun so einen negativen Verlauf genommen hat. Man hätte das Ganze auch anders gestalten können", glaubt Lang.

Die Fragen, nach welchen Maßstäben und Argumenten die Genehmigung für den Gebetsruf erteilt wurde und ob der Antrag für einen öffentlichen Aufruf auch noch nach dem Lockdown einfach missverstanden wurde, konnte man bei Stadt bis gestern nicht beantworten.

Mit seiner Idee, den Laufer Muslimen in Zeiten der Corona-Krise Mut zu machen, hatte sich der Ditib-Vorstand zunächst an die Laufer Pfarrerin und Beauftragte für den interreligiösen Dialog, Lisa Nikol-Eryazici, gewandt.

Gemeinsames Projekt: Einfach ein Missverständnis?

Sie äußerte Verständnis für die Idee, aber "ich empfahl ihnen, die Umsetzung besonnen anzugehen und sich dafür an die Stadt Lauf zu wenden. Es war klar, wie heikel dieses Thema ist", so Nikol-Eryazici in dieser Woche. Erst durch die öffentliche Berichterstattung, erfuhr sie selbst allerdings von dem Antrag der Ditib an die Stadt Lauf, der die Aktion als "Gemeinschaftsaktion von Ditib und evangelischer Kirche" vorstellte. "Ich denke, das war einfach ein Missverständnis, denn in unserem Gespräch war nie von einem gemeinsamen Projekt die Rede", so Nikol-Eryazici.

Der öffentliche Gebetsruf und die Formulierung "gemeinsame Aktion" sorgte für viel Wirbel, insbesondere in den Reihen der evangelischen Gemeinde. Nach Stellungnahmen der Pfarrer Thomas Hofmann und Jan-Peter Hanstein meldete sich auch der Islam-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Bayern, Rainer Oechslen, zu Wort. Es ging um die Bedeutung des Gebetsrufs, den Vergleich mit dem kirchlichen Glockenläuten und die Religionsfreiheit.

"Der Stadt und den Glaubensgemeinschaften stellt sich jetzt die Frage: Wie wollen wir in Lauf zusammenleben? Soll es eine Gesellschaft des gegenseitigen Respekts sein, in der die Menschen sich mit Toleranz begegnen?", so Nikol-Eryazici.

Interreligiöse Gebete in Lauf

Die Pfarrerin organisiert gemeinsam mit der katholischen Gemeindereferentin Gabriele Netal-Backöfer und der Dialogbeauftragten der Laufer Ditib, Özlem Ödemis, seit zehn Jahren das jährliche interreligiöse Friedensgebet und Dialogabende.

"Ziel dieser Abende ist es nicht, die anderen umzustimmen, sondern sich gegenseitig zu verstehen", so Nikol-Eryazici und Netal-Backöfer ergänzt: "Durch das Kennenlernen bei gemeinsamen Aktionen sollte die muslimische Gemeinde Teil der Laufer Gesellschaft werden. Die Reaktionen auf den Gebetsruf zeigen aber, dass wir unser Ziel noch nicht erreicht haben.

Durch die teils heftige Kritik sei der Eindruck entstanden, dass die Laufer Christen islamfeindlich seien. "Dabei wissen wir ja, dass es nicht so ist. Die Zusammenarbeit klappt sehr gut. Und ich habe von vielen Menschen, auch außerhalb der Ditib, positive Rückmeldungen zum Gebetsruf erhalten", sagt Ödemis.

Was will die Mehrheit in Lauf?

Mit der Wiedereröffnung der Moschee am 3. Mai ist der tägliche Gebetsruf und damit die Corona-Aktion zwar eingestellt worden. An der Erlaubnis, wöchentlich über Lautsprecher zum Freitagsgebet einzuladen – wie auch gestern –, will die Ditib festhalten. "Auf den Ruf verzichten zu müssen wäre ein Signal gegen unseren jahrelangen Einsatz für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben", sagt Ödemis.

"Wenn die Mehrheit der Laufer Bevölkerung gegen den öffentlichen Gebetsruf ist, sollte er tatsächlich eingestellt werden. Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen glaube ich aber nicht, dass diese Mehrheit besteht."


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