Nach Starkregen in der Region: So entstehen die heftigen Unwetter

13.8.2020, 05:27 Uhr
Eine Unterführung in Erlangen war so überschwemmt, dass das Wasser brusthoch reichte. Hier blieb auch ein Transporter hängen, dessen drei Insassen sich schwimmend ins Trockene retteten. 

© Torsten Hanspach Eine Unterführung in Erlangen war so überschwemmt, dass das Wasser brusthoch reichte. Hier blieb auch ein Transporter hängen, dessen drei Insassen sich schwimmend ins Trockene retteten. 

200 Liter pro Quadratmeter innerhalb von nur vier Stunden prasselten im Jahr 2007 über Baiersdorf bei Erlangen herunter. Eine gewaltige Flutwelle kam den Berg hinunter, überschwemmte die A73 und Baiersdorf. Hunderte Häuser wurden überflutet, Schäden von rund 100 Millionen Euro häuften sich auf. 130 Liter schüttete es im Mai 2016 in Obernzenn und Flachslanden vom Himmel, die Folgen waren auch hier verheerend.

Bis zu 400 Liter pro Quadratmeter Niederschlag am Tag stecken in der Atmosphäre. Der höchste je in Deutschland gemessene Wert liegt bei 312 Litern innerhalb von 24 Stunden und wurde beim Elbe-Hochwasser 2002 verzeichnet. Heimgesucht wurde damals Zinnwald im Erzgebirge.

Mehr als 50 Liter pro Quadratmeter in Erlangen

Diese Dimensionen erreichte der Starkregen am Dienstagabend in der Region natürlich bei Weitem nicht. Aber die mehr als 50 Liter pro Quadratmeter, die innerhalb kürzester Zeit im Raum Erlangen herabfielen, genügten doch, um immense Schäden anzurichten.

Die Integrierte Leitstelle Nürnberg verzeichnete 379 Einsätze, davon allein 228 in Erlangen und 136 im Landkreis Erlangen-Höchstadt. Etliche Keller waren vollgelaufen, Bäume umgestürzt.

Menschen wurden zum Glück nicht verletzt. Ein Transporter war allerdings in einer überschwemmten Unterführung in Erlangen in den Fluten versunken. Die drei Insassen konnten sich schwimmend ins Trockene retten.

Tornado verwüstete Ahorntal

Im Ahorntal (Landkreis Bayreuth) soll es ein Tornado gewesen sein, der eine Schneise der Verwüstung durch die Dörfer zog. Im Ortsteil Weiher stürzte eine 30 Meter lange landwirtschaftliche Halle ein und begrub alle Maschinen unter sich. Zwischen Weiher und Christanz wurden die Bäume einer ganzen Streuobstwiese entwurzelt.

Bei Roßtal (Landkreis Fürth) drohte eine Kuh auf einer überfluteten Weide zu ertrinken. Nur noch zehn Zentimeter hatte sie ihren Kopf über dem Wasser, als die Feuerwehr anfing, das Wasser abzupumpen und dadurch das Tier retten konnte. In Herzogenaurach schossen wie aus dem Nichts plötzlich die Wassermassen durch die Innenstadtstraßen, an denen Minuten vorher noch gemütlich die Café-Besucher saßen.

Damit Starkregen entstehen kann, muss die Luft viel Feuchtigkeit enthalten. Diese ist üblicherweise aus Nordwesten oder Südosten von denMeeren herbeigeströmt. Außerdem muss die Luft mit zunehmender Höhe schnell kälter werden, damit eine labile Schichtung entsteht. "Das passiert zum Beispiel, indem man von unten massiv heizt - wie eben bei der gegenwärtigen Hitze", verdeutlicht Andreas Becker, Niederschlagsexperte des Deutschen Wetterdienstes.

Gewitterwolken bis zu 14 Kilometer hoch

Besonders heftig wird es, wenn in der Höhe noch Kaltluft zufließt. So können Gewitterwolkentürme von einer Höhe von zwölf bis 14 Kilometern entstehen, mit entsprechend gewaltigem Niederschlagspotenzial. Wenn sie in Bereiche hinaufwachsen, in denen Temperaturen von Minus 15 bis Minus 20 Grad herrschen, so bilden sich Eiskristalle, die dann als Hagelkörner herabfallen – so wie gestern auch teilweise im Raum Erlangen.

Weil momentan die Winde in der Höhe nur sehr wenig wehen, bleiben die Starkregen-Gebiete fast auf der Stelle stehen und die gesamte Niederschlagsmasse prasselt geballt auf einem Ort hernieder. In Münster fielen bei extremer Windstille im Jahr 2014 innerhalb von nur zwei Stunden 265 Liter Regen pro Quadratmeter: absoluter Rekord in Deutschland.

Vor einigen Jahren dachten die deutschen Meteorologen noch, dass Starkregen vor allem an den Alpen und in den Mittelgebirgen auftritt. "Jetzt wissen wir durch statistische Auswertungen: Starkregen ist viel gleichmäßiger verteilt als früher gedacht", sagt Becker. Wie ein Flickenteppich sieht deshalb auch eine Karte der Starkregen-Ereignisse der letzten 20 Jahre aus, mit nur leichten Schwerpunkten in den Bergen. Die bittere Erkenntnis ist also letztlich: Es kann jeden treffen.

Was passiert an den Rändern von Großstädten?

Die gefühlte Wahrheit, dass Starkregen häufig an der windzugewandten Grenze von Großstädten hängenbleibt, stimmt nur bedingt. „In der Theorie gibt es diese Staueffekte durch die enorme Wärmekapazität der Städte durchaus. In der Praxis besser zu beobachten ist aber der Einfluss der Rauigkeit. Das heißt: Der Wind wird durch die Gebäude in der Stadt gebremst. Dadurch wird die Luft auf der windabgewandten Seite der Stadt turbulenter und es entstehen dort häufiger Gewitter“, erläutert Becker.

Statistisch lässt sich bereits nachweisen, dass die Starkniederschläge im Winter in den vergangenen 70 Jahren um rund 25 Prozent zugenommen haben, wenn auch auf sehr niedrigem absoluten Niveau. „Früher kannte man Gewitter im Winter fast gar nicht. Durch die höheren Temperaturen kommt das jetzt aber immer wieder vor“, erklärt Becker.

Im Sommer lässt sich ein zunehmender Trend noch nicht nachweisen. „Das liegt aber vor allem daran, dass wir erst seit 2001 flächendeckend Radar haben. In zehn bis 20 Jahren wird man diesen Trend wahrscheinlich bestätigen können – durch die steigenden Temperaturen ist das Potenzial für Starkregen einfach viel größer“, meint Becker.

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