Seit 150 Jahren ungeklärt

Brutaler Raubmord bei Deining: Wer erschlug Xaver Sammüller?

28.10.2021, 12:00 Uhr
Kreisheimatpfleger Rudi Bayerl steht bei dem Steinmarterl und der neuen Erklärtafel, die auf den Mord an Sammüller hinweisen. 

© Franz Xaver Meyer, NN Kreisheimatpfleger Rudi Bayerl steht bei dem Steinmarterl und der neuen Erklärtafel, die auf den Mord an Sammüller hinweisen. 

Vor genau 150 Jahren, am 27. Oktober 1871, wurde der Neumarkter Kürschnermeister Xaver Sammüller bei der Rossamühle erschlagen, der oder die Mörder haben ihm auch Geld gestohlen - den Lohn für Bauarbeiter, den er verteilen wollte.

Der 28-Jährige verheiratete Vater von zwei kleinen Kindern verdiente sich ein Zubrot als Geldbote der Ostbahnbaugesellschaft. Diese baute in dieser Zeit die Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Regensburg.

Geldsack umgehängt

Eine Großbaustelle befand sich im Tal der Weißen Laaber, wo eine Eisenbahnbrücke das Tal überspannen sollte. Hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter aus ganz Süddeutschland, aus Österreich und Oberitalien fanden über lange Zeit eine Beschäftigung. Untergebracht waren sie in Hütten an der Laabermühle und beim Weiler Sallmannsdorf. Sammüller hatte die Aufgabe, ihnen ihren Lohn zu bringen.

Gegen das Vergessen: Die neue Tafel neben dem Steinmarterl erläutert die Umstände des Mordes an dem Geldboten, der sich an dieser Stelle zugetragen hatte.

Gegen das Vergessen: Die neue Tafel neben dem Steinmarterl erläutert die Umstände des Mordes an dem Geldboten, der sich an dieser Stelle zugetragen hatte. © Franz Xaver Meyer, NN

800 Gulden hatte Sammüller am 27. Oktober 1871 in Neumarkt von der Bank abgeholt. Weil auch viel Kleingeld dabei war, hatte er einen Geldsack umgehängt.

Dressierter Hund zum Schutz

Normalerweise hatte er immer einen gut dressierten Hund zu seiner Sicherheit dabei. An diesem ominösen Tag; einem Freitag, aber nicht. Zusätzlich war er mit einem Stockhammer, einem Messer und einer Vorderladerpistole bewaffnet.

Drei Zeugen sollen ausgesagt haben, dass Xaver Sammüller von einem jungen Mann begleitet worden ist. Der Fuhrmann Josef Schmid soll Sammüller vor dem Burschen gewarnt haben, da er ihm verdächtig vorkam.

Ein Schuss und ein Schrei

Um 10 Uhr hörten zwei Tauernfelder Bauern einen Schuss und danach einen Aufschrei. Sie gingen aber seltsamerweise dem Vorfall nicht nach.

Die Arbeiter warteten indessen Stunde um Stunde auf ihren Lohn. Erst spät begann man, Sammüller zu suchen. Wenige hundert Meter von der heutigen Staatsstraße, der ehemaligen B 8, wo ein Schotterweg hinunter zur Rossamühle führt, wurde Sammüller um 10 Uhr abends, entsetzlich entstellt, gefunden.

Der Mörder brachte, wie die Obduktion ergab, sein Opfer mit einem kräftigen Schlag auf den Hinterkopf um. Eine Schussverletzung stellte man nicht fest.

Heftiger Kampf

Am nächsten Tag kamen Kripo-Beamte, und der Leichnam wurde zur weiteren Untersuchung nach Neumarkt gebracht. Es muss einen heftigen Kampf gegeben haben, denn der Tote hatte ein Schopf von roten und blonden Haaren in der Hand. Vom Geld war nichts mehr zu sehen, denn der Täter hatte sich aus dem Staub gemacht.

In der Folgezeit gab es unzählige Zeugenbefragungen und Verdächtige, besonders unter den Bahnarbeitern. Diese waren aber nach Fertigstellung der Bahnstrecke in alle Winde verstreut, so dass sich die Ermittlungen erschwerten.

Schnell verdächtigt

In der Deininger Umgebung und darüber hinaus ging die Angst um. Der Täter lief schließlich frei herum. „Gab jemand im Wirtshaus viel Geld aus, wurde er gleich verdächtigt, der Mörder zu sein“, erläutert Kreisheimatpfleger Rudi Bayerl, der sich zusammen mit Helmut Distler aus Deining mit dem Fall näher beschäftigt hatte. Sie werteten Akten des Staatsarchivs Amberg und Zeitungsberichte aus.

Ein heftiges Gerangel muss dem Mord vor 150 Jahren vorangegangen sein. 

Ein heftiges Gerangel muss dem Mord vor 150 Jahren vorangegangen sein.  © Maurizio Gambarini, dpa

Bis zum Jahr 1889, also 18 Jahre lang, wurde im Kriminalfall Sammüller ermittelt. 25 Jahre später war der Fall immer noch in den Köpfen der hiesigen Menschen. Im Jahr 1896 soll nämlich eine Frau in Kastl im Streit zu ihrem Mann gesagt haben „Willst du mich erschlagen wie den Sammüller?“ Nachbarn hörten dies und riefen die Polizei. Die Ermittlungen verliefen aber im Sande, weil die Tat nach 25 Jahren verjährt gewesen war.

Marterl mit Inschrift

An der Mordstelle befindet sich ein Marterl und seit heuer eine Tafel mit einer Inschrift, die auf den Mord vor eineinhalb Jahrhunderten hinweist. Das Marterl trägt die Zahl „1920“ und die Buchstaben „HM“.

„Das Marterl könnte im Jahr 1920, 50 Jahre nach dem Mord, erneuert worden sein“, vermutet Rudi Bayerl. Bereits vorher stand das Marterl dort, das heute nicht mehr darauf angebrachte Kreuz wurde mehrfach abgebrochen. „Was die Buchstaben „HM“ bedeuten könnten, ist unklar“, sagt Bayerl.

Im Steintaferl sind fünf Dübellöcher zu erkennen. Hier war, wird vermutet, eine kleine Blechtafel angebracht, die allerdings nicht mehr auffindbar ist.

Info-Tafel zum Mordfall

Lange Zeit lag das Marterl zerbrochen am Boden. Als Bayerl davon erfuhr, ergriff er die Initiative und beauftragte einen Steinmetz aus Waldhausen mit der Wiederherstellung. Zusätzlich stellten er und Helmut Distler eine Tafel mit Erklärungen zum mysteriösen Mordfall auf. Die Kosten dafür wurden vom Historischen Verein übernommen, dessen zweiter Vorsitzender Rudi Bayerl ist.

"Der ungeklärte und ungesühnte Mord bei der Rossamühle sollte nicht in Vergessenheit geraten, und vielleicht denkt der eine oder andere bei einem Spaziergang an den jungen Familienvater, der hier sein Leben lassen musste“, erhofft sich Bayerl.


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Der Podcast "abgründe" befasst sich mit Verbrechen, die in der Region verübt wurden, und ihren Hintergründen. © NNZ

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