Neue Bewegung startet durch

Foodsharing in Neumarkt: Lebensmittel sind zu schade zum Wegwerfen

21.6.2021, 18:00 Uhr
Das sind die vier Botschafter von Foodsharing Neumarkt: Inga Kipfstuhl, Petra Pichler, Carina Borutta und Susanne Sippl  (von links).

© Wolfgang Fellner, NN Das sind die vier Botschafter von Foodsharing Neumarkt: Inga Kipfstuhl, Petra Pichler, Carina Borutta und Susanne Sippl  (von links).

Eine halbe Tonne Zwiebeln aus Regensburg haben sie einmal gerettet, eine halbe Tonne gefrorene Steinpilze aus einem Supermarkt oder auch mal nur zwei oder drei Schüsseln grünen Salat aus einem Wirtshaus: Die langsam, aber stetig wachsende Gruppe aus Neumarkt und dem Landkreis hat es satt, dass Lebensmittel in die Tonne getreten werden. Und verteilt sie auf die Esstische der Bürger. Von denen immer mehr mitmachen.

Zweite Chance

„Foodsharing“ heißt die Aktion, die derzeit an Fahrt aufnimmt im Landkreis. Immer mehr Unternehmen, die mit Lebensmitteln arbeiten, machen mit, immer mehr Menschen sind bereit, dem, was nach Mindesthaltbarkeitsdatum oder Verfallsdatum stupid in die Wegwerftonne soll, eine zweite, letzte Chance zu geben. „Wir wollen keine Lebensmittel wegwerfen“, lautet das Credo der Gruppe. Wobei gilt: Was man nicht mehr essen kann, isst man auch nicht.

Doch dass es gar nicht so weit kommt, dafür sorgen die „Foodsaver“, inzwischen 127 im Landkreis. Sie verteilen weiter, was ihnen von bisher 38 Kooperationspartnern übergeben wird. Da sind Bäckereien genauso dabei wie Supermärkte oder Gemüsehändler oder Privathaushalte. Es geht immer der Nase nach, und das, sagen die vier Foodsharing-Botschafterinnen, die im Moment im Landkreis die Aktivitäten koordinieren, bringen sie auch allen bei, die mit machen wollen.

"Wir schärfen die Sinne"

„Wir schärfen die Sinne, zeigen den Menschen, was man noch essen kann und was nicht“, sagen Petra Pichler, Inga Kipfstuhl, Susanne Sippl und Carina Borutta. Denn auch das müssen viele erst wieder lernen. Wobei nur verteilt wird, was noch essbar ist. Die Foodsaver rücken an, wenn die Kooperationspartner Lebensmittel abgeben müssen. „Da sortieren wir auch die Netze aus nach dem, was noch essbar ist oder was nicht“, sagt Susanne Sippl.

Und das völlig unauffällig: Die Foodsaver holen ab, was abgegeben werden soll, und sind wieder weg. Da gebe es keinen Auftrieb, was nicht mehr verwendet werden kann, entsorgen sie selbst. Die Unternehmen, die mitmachen, bleiben letztlich außen vor. Damit sie mitmachen. Und viele merken erst, wie viele Lebensmittel sie eigentlich wegwerfen, wenn sie sehen, was sie für die Foodsaver zum Abholen bereit stellen.

Der Start war vor einem Jahr

Losgegangen ist es mit der Aktion vor einem Jahr, kurz, bevor Corona das Land lahm legte. Angemeldet für Foodsharing, sagt Susanne Sippl, hätte sie sich schon 2019. Im Frühjahr 2020 kam ein neuer Bäcker in den Landkreis, der da mitmachte, und die Nürnberger Foodsaver waren froh, in Neumarkt Unterstützung zu bekommen.

Seither ist die Gruppe gewachsen: Kooperationspartner gibt es inzwischen in Laaber, Dietfurt, Mühlhausen, Freystadt, Parsberg, Neumarkt und Postbauer-Heng. Abgegeben wird Obst und Gemüse, Backwaren, Molkerei-Produkte, Tiefkühlware, Eier, Gemüsepflanzen.

Das Prinzip ist einfach: Wenn Ware da ist, wird sie verteilt. Jeder Foodsaver hat eine Gruppe von Menschen aufgebaut, die ihm die Ware abnehmen. Er kündigt an, was abzuholen ist, und sie holen es, je nach Bedarf, bei ihm ab. Oder er bringt es vorbei. Da kann, zum Beispiel, auch mal eine halbe Tonne Zwiebeln verteilt werden. Problemlos. Die Betriebe sind dabei aus der Haftung: Mit der Übernahme durch die Foodsharer übernehmen diese die Haftung für die Ware.

"Fairteiler" ist das Ziel

Ziel der Neumarkter Gruppe ist langfristig ein öffentlicher Kühlschrank, ein sogenannter „Fairteiler“, in dem Lebensmittel eingelagert werden und von jedem abgeholt werden können. Der soll frei zugänglich sein, was es aber auch wieder schwierig macht. Das Beste wäre es, sagen die vier Foodsharing-Botschafterinnen, wenn man den „Fairteiler“ an eine öffentliche Einrichtung koppeln könnte, die auch ein Auge darauf hat. Aber daran muss noch gearbeitet werden.
Foodsharing ist, trotz des englischen Namens, eine deutsche Idee, entstanden bei einem Musikfestival in Berlin vor gut zehn Jahren. Zuhause ist man in Deutschland, Österreich, der Schweiz.

Im Landkreis Neumarkt sind die Aktivisten zwischen 18 und 65 Jahre alt und damit etwas älter als anderswo: Es fehlen Studenten, die sonst die Hauptgruppe stellen. Es sind Mütter und Väter, Großmütter und Großväter. 127 Foodsaver, 38 Kooperationspartner, 18039 Kilogramm gerettete Lebensmittel und 1390 Einsätze in einem Jahr.

Und, sagen sie: Die Kooperationspartner müssen keine Angst haben, dadurch an Umsatz zu verlieren. Denn eine halbe Tonne Zwiebeln ersetzt keinen Wocheneinkauf. Und auch den Tafeln nehmen die Foodsaver nichts weg. Jeder wird von ihnen beliefert, wer es aber besonders braucht, zuerst. Und da gehören die Tafeln dazu und sozial Schwache.
Ziel am Ende des Tage sei: „Es soll nichts übrig bleiben.“ Und wenn alle das endlich begriffen hätten, wäre es ihnen eine Freude, die Arbeit einstellen zu können. Weil keine Lebensmittel mehr in den Müll geworfen werden.

Wer sich für Foodsharing interessiert, kann unter der Mail-Adresse neumarkt.i.d.opf@foodsharing.network Kontakt aufnehmen.

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