2. März 1969: München: Freund, und auch ein Konkurrent

2.3.2019, 07:00 Uhr
2. März 1969: München: Freund, und auch ein Konkurrent

© Ulrich

Acht Jahre lang haben die beiden bayerischen Großstädte viele ihrer Ämter und Einrichtungen einander gegenübergestellt und daraus Nutzen gezogen, ehe in einer gemeinsamen Sitzung am Donnerstag im Rathaussaal der Landeshauptstadt Baureferent Heinz Schmeißner, Wirtschaftsreferat Dr. Wilhelm Doni und Kreisverwaltungsreferent Dr. Ernst Dölker (München) den Stadtvätern die letzten Kapitel vorlasen. Sie untersuchten, wie an der Pegnitz und an der Isar auf Ordnung beim Bauen geachtet, im Schlacht- und Viehhof für volle Fleischtöpfe gesorgt und über die Gesundheit der Bevölkerung gewacht wird.

Anschließend gelobten die Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel und Dr. Andreas Urschlechter weiterhin gute Zusammenarbeit, die sich in der nächsten Zeit insbesondere auf das weite Feld der elektronischen Datenverarbeitung in der Kommunalverwaltung erstrecken wird.

2. März 1969: München: Freund, und auch ein Konkurrent

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Als der Zug mit dem Sonderwagen im Münchner Hauptbahnhof eingelaufen war, begrüßte Bürgermeister Dr. Hans Steinkohl die fränkische Delegation, an der Spitze Oberbürgermeister Dr. Urschlechter. Das Stadtoberhaupt erwies den Gastgebern seine Reverenz auf augenfällige Art. Es hatte zur Feier des Tages ein Trachtengewand angelegt, das später den Ordinarius für bayerische Geschichte an der Universität München, Professor Dr. Karl Bosl, bei seinem Vortrag über frühere Beziehungen zwischen Franken und Bayern sinngemäß zur Bemerkung verführte: „Die Franken zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich im Tegernseer Salon-Look als Altbaiern tarnen.“

Zuvor waren im Sitzungssaal die Referenten zu Wort gekommen. Heinz Schmeißner bedauerte sich selbst, so trocken war die Materie beim Vergleich der Lokalbau-Kommission München und seiner Bauordnungsbehörde. Dr. Ernst Dölker spulte sein Gebiet „Gesundheitswesen“ schnell und mit Routine herunter, so daß es ausschließlich bei Dr. Wilhelm Doni lag, bei den Schlacht- und Viehhöfen einige Heiterkeitserfolge hervorzurufen.

Außer von einer Reihe von Anregungen, die zum besseren Dienstbetrieb führten, berichtete der Baureferent, daß die Untersuchung in Nürnberg zu Stelleneinsparungen geführt hat. Daneben gehört es jetzt wieder zur Nürnberger Übung, im sozialen Wohnungsbau bei der Schlußabnahme zu prüfen, ob die Projekte noch die notwendigen Voraussetzungen erfüllen.

Keinen Vergleich zu scheuen braucht der Schlacht- und Viehhof an der Schwabacher Straße. Die Anlagen sind – dafür ist so viel Geld ausgegeben worden, daß der Schuldendienst sogar Zins und Tilgung übertrifft, die die Münchner für ihre Einrichtung leisten müssen – so modern ausgebaut, daß rationeller gearbeitet werden kann. Die Kehrseite der Medaille, höhere Unterhaltskosten für die neuzeitliche technische Ausstattung, werden die Landeshauptstädter noch kennenlernen. Denn sie sind dabei, auch auf das „Schlachten am Fließband“ umzurüsten.

Interessant ist die Gegenüberstellung von Leistung und Personal. Nürnbergs Auftriebs- und Schlachtzahlen erreichen bei Großvieh und Kälbern rund zwei Drittel, bei Schweinen sogar 87 v. H. des Münchner Aufkommens. Doch kommt man in der nordbayerischen Metropole mit 40 v. H. des Personals aus – nicht zuletzt auch deswegen, weil die Schlachtungen in Nürnberg sich über die ganze Woche gleichmäßig verteilen.

Beachtung bei den Stadträten fand auch der unterschiedliche Wasserverbrauch, der für jedes Schlachttier in Nürnberg 2,2 in München dagegen 8,3 Kubikmeter ausmacht. Baureferent Heinz Schmeißner fand sofort eine Erklärung für diese Erscheinung auf einem ihm fremden Gebiet: „Das Wasser brauchen die Münchner für die Weißwürscht“. meinte er und traf damit Oberbürgermeister Dr. Vogel tief.

Die gleichen U-Bahn-Wagen

Nachdem so der Vergleich zu Ende gegangen war, zogen die Oberbürgermeister Bilanz. „Unsere Zusammenarbeit erschöpft sich nicht in sonntäglichen Liebeserklärungen der beiden Stadtoberhäupter, wir pflegen eine echte Zusammenarbeit, ungeachtet der gesunden Konkurrenz zwischen München und Nürnberg“, versicherte Dr. Andreas Urschlechter, der darauf hinwies, daß die Landeshauptstadt Intendant August Everding für eine Inszenierung für das Dürer-Jahr freistellen werde. Außerdem konnte er als weitere Frucht dieser Zusammenarbeit hervorheben: „Wir bekommen den gleichen U-Bahn-Wagen. Nur der Anstrich wird anders sein.“

2. März 1969: München: Freund, und auch ein Konkurrent

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Während CSU-Stadtrat Dr. Sieghard Rost die Kommunalpolitiker von der Pegnitz und der Isar zu gemeinsamen sportlichen Wettkämpfen aufrief, lud Dr. Andreas Urschlechter die Münchner Kollegen geschlossen zum Dürer-Jahr 1971 nach Nürnberg ein. Die Revanche von Dr. Hans-Jochen Vogel bestand in der Ankündigung, daß die Nürnberger mit einer Einladung zu wichtigen Ereignissen bei den Olympischen Spielen 1972 rechnen dürfen.

Kein Besuch in der Landeshauptstadt ohne Abstecher zur U-Bahn. Diesmal kletterten die Nürnberger – die einheitlich roten Schutzhelme lieferten Stoff für Sticheleien zwischen Mehrheit und Opposition – an der Rathaus-Rückfront in die Tiefe und pilgerten durch die Röhre bis zum Odeonsplatz. Im Norden besetzten sie schließlich einen Zug, um damit auf Stottern – Dr. Urschlechter zeigte sich als so rasanter Fahrer, daß der verantwortliche Beamte vor einem Hindernis kurz entschlossen die Notbremse ziehen mußte – ein Stückchen Weges zurückzulegen. Auf der Plattform des Olympia-Turmes lag ihnen München zu Füßen. Neidlos priesen die Gäste die glückliche Stadt, die ein so nahes Gelände für die Sport-Arenen besitzt, in denen sich in wenigen Jahren die besten Athleten der Welt messen.

Die gemeinsame Leberkäs-Brotzeit bildete den Schlußpunkt hinter dem Städtevergleich, aus dem in den Rathäusern einige Konsequenzen gezogen worden sind. Manche Arbeit kann heute schneller und rationeller erledigt werden, einiges Geld kann gespart werden. Und dazu kam ein Blick in des Nachbars Garten, ab und zu auch das erhebende Gefühl, daß man es, zu Hause besser macht.

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