28. Februar 1969: Eltern lebten mit der Angst

28.2.2019, 10:00 Uhr
28. Februar 1969: Eltern lebten mit der Angst

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Denn: zwischen Maiach und Gibitzenhof gibt es kein Schulhaus. Das bedeutet, daß die Buben und Mädchen, auch die Sechsjährigen, im Winter bei Nacht und Nebel zur Schule laufen müssen – bis Gibitzenhof, bis zum Herschelplatz. Das Stadtschulamt kennt die Probleme, aber ihm sind die Hände gebunden. Gegen die Prioritätenliste, die den Anfang von Neubauten bestimmt, läßt sich schwer ankämpfen. Und die sieht erst anfangs der siebziger Jahre ein Schulhaus in dem Siedlungsgebiet vor.

Frau F. vom Akeleiweg 14 liefert das klassische Beispiel dafür, daß der schulische Fortschritt nicht mit dem Aufbau der Siedlung Schritt gehalten hat. Ihr schmuckes Haus, das sie seit zehn Jahren bewohnt, verweist den „schrägen Blick“, mit dem oft genug – und das ungerechtfertigerweise – das Gebiet südlich der Werderau in Richtung Maiach bedacht wurde, in die Vergangenheit.

Sie und ihr Mann sind Mitglied beim Kleintierzuchtverein Gibitzenhof. So wie ihr geht es den Eltern von insgesamt 47 Kindern. Früh um 6.30 Uhr ist die Nachtruhe vorbei, um 7.15 Uhr müssen sich die Kinder auf den Weg machen. Er führt durch unausgebaute Straßen An der Martlach, er führt durch das nicht befestigte Teilstück der Maiacher Straße zur Unterführungder Werderau, es führt über den Heistersteg nach Gibitzenhof, es führt bis zum Herschelplatz. Gefahren lauern überall: nicht nur Autofahrer sind es, die im Rekordtempo die Arbeitsstelle ansteuern, auch lichtscheues Gesindel ist vorhanden, das unterwegs viele Schlupfwinkel hat.

„Das ist eine Zumutung“ klagt Frau F. an, die auch noch einen anderen, scheinbaren Grund, hat, unzufrieden zu sein: „Ich habe mich schon im November an die Lehrer gewandt, mir einen Zuschuß für die Schülerfahrkarten zu gewähren. „Andere bekommen ihn, wir nicht“, stellt sie fest. Ihre Vermutung: „Meine Kinder gehen im Gegensatz zu den Buben und Mädchen in eine Konfessionsschule; das ist ein Nachteil.“ Nun, auch der Geistliche der katholischen Pfarrgemeinde St. Gabriel weiß ein Liedchen zu singen: „Ich muß mir erst die Kinder zusammensuchen, die in den Kommunionunterricht müssen“ bedauert er.

Sei es nun einmal wie es ist: ein Schulhaus kommt erst 1970 an die Marterlach. Die Eltern haben es schweren Herzens zur Kenntnis genommen. Was sie nicht verstehen können: es wird soviel über sogenannte Schulpavillons gesprochen. . . in Langwasser sind sie entstanden, in Eibach, in Reichelsdorf sind sie geplant. Warum werden sie nicht auch zwischen Maiach und der Werderau aufgestellt? Platz wäre vorhanden. die Eltern würden es danken, die Kinder auch, denn: wer läuft schon im Schneesturm kilometerweit zum Schulhaus?

Auch diese Worte besorgter Eltern sagen genug: „Oft werden unsere Kinder bis auf die Haut naß. Ist das vernünftige Schulpolitik?“

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