Alkohol am Arbeitsplatz: Hohe Dunkelziffer in Nürnberg

5.11.2019, 05:11 Uhr
Nach Angaben der DAK zeigen rund 650.000 Arbeitnehmer einen riskanten Alkoholkonsum – das ist jeder elfte Beschäftigte.

© dpa Nach Angaben der DAK zeigen rund 650.000 Arbeitnehmer einen riskanten Alkoholkonsum – das ist jeder elfte Beschäftigte.

Betrachtet man alle Krankschreibungen, die von psychischen Erkrankungen verursacht werden, sind Sucht und sogenannte Substanzstörungen schuld an 3,4 Prozent der Fehltage. Gemeint sind damit Verhaltensstörungen oder psychische Beeinträchtigungen, die durch Einnahme einer Substanz verursacht werden.

Das kann Alkohol sein oder Nikotin, Schmerzmittel, Cannabis, Beruhigungs- oder Betäubungsmittel zählen dazu. Zu 75 Prozent war es Alkohol, der die Menschen arbeitsunfähig machte, ergab der Gesundheitsreport, für den 5000 Beschäftigte repräsentativ befragt wurden. Das heißt: In Bayern ist bei drei von vier Fehltagen wegen Suchtproblemen Alkohol der Auslöser.

650.000 Arbeitnehmer zeigen riskanten Konsum

Diese Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. "Viele Arbeitnehmer machen nur einen Tag krank, zum Beispiel Montagstrinker, und die Krankenkasse weiß davon nichts", sagt Prof. Thomas Hillemacher, Psychiatrie-Chefarzt am Klinikum Nürnberg. Da viele die Sucht als stigmatisierend empfinden, nehmen sie oft Zuflucht zu anderen Diagnosen wie etwa Rückenschmerzen oder Burn-out – unabhängig davon, dass Suchtkranke tatsächlich meist zusätzliche Gesundheitsprobleme entwickeln.

 

 

Laut Hillemacher vergehen im Schnitt bis zu zwölf Jahre, bis ein Betroffener wegen seiner Sucht einen Arzt aufsucht. Nach Angaben der DAK zeigen rund 650.000 Arbeitnehmer einen riskanten Alkoholkonsum – das ist jeder elfte Beschäftigte. Schädlich wird es, wenn Männer beispielsweise täglich mehr als zwei 0,3-Liter-Gläser Bier trinken, Frauen mehr als ein 0,3-Liter-Glas.


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Zudem seien 17,4 Prozent der Arbeitnehmer abhängig von Zigaretten, so die Krankenkasse. Fast die Hälfte aller Raucher – selbst die nicht Abhängigen – greifen auch während der Arbeitszeit zur Kippe, nicht nur in den Pausen. Übrigens "dampfen" nur die wenigsten Beschäftigten E-Zigaretten, nämlich lediglich 3,8 Prozent. "Dampfer finden sich nur unter Rauchern und Ex-Rauchern", sagt Prof. Dr. Hillemacher. "Wer nie geraucht hat, dampft nicht, das ist in den USA anders." Nikotinabhängigkeit ist eher bei älteren Arbeitnehmern ein Problem. 64 Prozent der 18- bis 29-Jährigen haben noch nie geraucht, bei den 60- bis 65-Jährigen sind es nur 29,3 Prozent.

Zocken während der Arbeitszeit

Offenbar wenden sich Jüngere eher dem Smartphone zu, mit dem Risiko, "Internet Gaming Disorder" zu entwickeln, eine Computerspielsucht. Der Gesundheitsreport hat diese Sucht im Umfeld der Arbeitswelt erstmals untersucht. Ergebnis: Rund 380.000 Erwerbstätige in Bayern zeigen ein riskantes Nutzungsverhalten. Das bedeutet, dass sie unter anderem Entzugssymptome wie Reizbarkeit zeigen, wenn sie nicht spielen können. Während 11,6 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ein Problem mit dieser Sucht haben, geben dies nur 1,3 Prozent der 60- bis 65-Jährigen an.

Fast ein Viertel der riskanten Nutzer zockt während der Arbeitszeit, mehr als neun Prozent wurden davon abgelenkt. Das kann Folgen haben: 2016 hat ein Fahrdienstleiter in Bad Aibling einen tödlichen Zusammenstoß zweier Züge verursacht, weil er "Dungeon Hunter 5" auf seinem Privathandy spielte.

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