Impfkampagne

Begehrter Schutz: Jetzt wird auch in Betrieben die Nadel angesetzt

8.5.2021, 18:10 Uhr
Hier muss der Chef selbst still halten: Jörg Schlag, Geschäftsführer des Arvena Park Hotels, beim Impftermin im eigenen Haus.

© NNZ Hier muss der Chef selbst still halten: Jörg Schlag, Geschäftsführer des Arvena Park Hotels, beim Impftermin im eigenen Haus.

Michael Zwickle hatte sich schon beim Impfportal registrieren lassen und bei seinem Hausarzt nachgefragt. Nun aber ging es für den 53-Jährigen unerwartet schnell: "Toll, dass das geklappt", freut sich der Bar- und Brasserie-Mitarbeiter aus dem Holiday Inn in der Altstadt. Noch mehr Grund zum Strahlen haben Hotelfachmann Lukas Mayer und Koch Julian Bauer: Die Anfang 20-Jährigen hätten sonst womöglich noch lange auf ihren Piks warten müssen - dabei sprechen berufliche wie private Gründe bei beiden für eine rasche Immunisierung.

Knapp neun Stunden sind für die Impfaktion in dem Hotel angesetzt, die ein vierköpfiges Team des Impfzentrums aus der Messe übernimmt. "Man spürt, dass Sie schon viel Erfahrung durch die Einsätze in den Heimen haben", stellt Inhaber Jörg Schlag mit einer Portion Erleichterung in der Stimme fest. Alles läuft wie am Schnürchen.

Zu verdanken ist das freilich auch der sorgfältigen Vorbereitung durch die Personalabteilung: Sie übernahm Erfassung, Anmeldung und Einteilung - und sorgte dafür, dass die Mitarbeiter mit schon vorbereiteten Impf-Bogen zum Termin kamen: 78 Angestellte samt Chef von Arvena, dazu - um die verfügbaren Dosen auszuschöpfen - 18 Mitarbeiter aus Häusern der Nürnberger Hoteliersfamilie Rübsamen.

Der Tag ist freilich nur ein Vorlauf für flächendeckende Impfungen durch Betriebsärzte, wie sie ab Juni vorgesehen sind. Zu den Arbeitgebern, die in Bayern für das Modellprojekt ausgesucht wurden, gehören in Nürnberg neben dem Arvena Park Hotel auch die Firmen Novartis, Semikron und ZF Gusstechnik, wo jeweils deutlich mehr Beschäftigte zu versorgen sind. Statt mit den mobilen Teams des Impfzentrums werde das künftig in den Betrieben eher nach dem Hausarztmodell laufen, erläutert Christine Schüssler, die Koordinatorin der städtischen Impfkampagne - die Betriebe mit ihren Ärzten müssen dann also voraussichtlich alles selbst in die Hand nehmen.

Was bewährt sich?

Was zu regeln und beachten ist, damit muss sich auch Paul Hubmann, offizieller Betriebsarzt des Hotels, erst noch vertraut machen. Deshalb setzt er an diesem Tag noch nicht selbst die Nadel an, sondern ist vor allem gekommen, um sich mit Abläufen vertraut zu machen und zu klären, was womöglich anzupassen oder zu ändern ist. "Ums eigentliche Impfen geht es nicht, viel mehr fallen der Zugang und der Umgang mit der jeweiligen Software ins Gewicht", merkt der Facharzt für Arbeitsmedizin vom Carl-Korth-Institut an und wünscht sich durchaus eine Vereinfachung der Bürokratie. So umkompliziert wie die herkömmliche Grippeimpfung könne der Covid-Schutz aber schon deshalb nicht werden, weil gründlicher auf Vorerkrankungen und Allergien zu achten ist.

Ein wenig Überzeugungsarbeit in der Belegschaft zu leisten, gehört im einen oder anderen Fall dazu, mussten auch Jörg Schlag und seine Kollegin Julia Rübsamen feststellen. Finden doch gerade im Gastgewerbe viele Menschen unterschiedlichster Herkunft eine Beschäftigung: Worum es geht und wie es funktioniert, muss immer wieder mal geduldig und mit Übersetzungshilfen vermittelt werden, um Vorbehalte zu überwinden.

Da auch Oberbürgermeister Marcus König vorbeischaut, geben die Hoteliers auch ihm gerne ein paar Hinweise mit auf den Weg. Zum einen das Angebot, beispielsweise Konferenzsäle eben auch für Impfaktionen zur Verfügung zu stellen. "Nicht jede Firma hat geeignete Räume, um einen Durchlauf mit allen Abständen zu organisieren", meint Julia Rübsamen. Noch dringender ist die Branche freilich darauf angewiesen, bald nicht nur Individualreisende, sondern wenigstens in überschaubarem Rahmen auch Gäste beherbergen zu dürfen, die an Schulungen oder Tagungen teilnehmen.

Große Abhängigkeit von Geschäftskunden

Denn in der Großstadt lebt die Hotellerie zu mehr als zwei Dritteln von Geschäftskunden. Und solange Messen ausfallen, auch weil Quarantäne-Vorgaben das Reisen praktisch unmöglich machen, müssten wenigstens Inlandstagungen möglich sein. "Wir können mit den nötigen Konzepten sichere Zusammenkünfte gewährleisten", betont Rübsamen. Auf neue Kundschaft sei die Branche gerade dann angewiesen, wenn nach einer Wiederöffnung die Staatshilfen eingestellt werden sollten.

Ähnlich wie die Hoteliersfamilie Schlag hat dabei auch Rübsamen versucht, ihre Häuser bewusst offen zu halten - "auch wenn das wirtschaftlich eigentlich Unsinn ist". Aber die Mitarbeiter, die weitgehend in Kurzarbeit geschickt wurden, sollten wenigstens tageweise zum Arbeiten kommen. "Sonst gehen Rhythmus, Motivation und Leistungsbereitschaft ganz verloren."

Impfungen im Knoblauchsland

Ob Betriebe wirklich in großem Stil mit Impfungen loslegen können, hängt freilich davon ab, ob ab Juni mehr Impfstoff als bisher geliefert wird - was offenbar noch unsicher ist. Fest steht dagegen, dass Nürnberg seine Anstrengungen verstärkt, auch schwerer erreichbare Gruppen der Bevölkerung gezielt anzusprechen, zum Beispiel über Migrantenvereine. Bereits angelaufen sind außerdem gezielte Impfungen der Erntehelfer im Knoblauchsland. Außerdem soll den Tafel-Kunden ein Angebot gemacht werden - idealerweise mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson, bei dem bereits mit einer Dosis die nötige Wirkung erreicht wird.

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